Virtueller BDSM

Mein jetziger Herr sagte einmal vor langer Zeit zu mir: „Onlineerziehung ähnelt dem Versuch, Eis durch eine Scheibe zu lecken. Man ist dem Ganzen zwar nah, aber wie es wirklich schmeckt, erfährt man dennoch nicht."

Das war zu einer Zeit, als er mich zwar schon kannte, aber eben nicht als Sub. Ich versuchte ihm zu erklären, was es mir bringt, sich online hinzugeben, sich auch virtuell zu unterwerfen. Keine einfache Sache, wenn der andere das weder kennt noch die Gefühle dabei nachvollziehen kann.

Also erzählte ich ihm zuerst, wie wichtig mir Vertrauen dabei ist und die beiderseitige Gewissheit, dass die Sub auch tatsächlich tut, was ihr befohlen wurde. Denn was könnte es dem Dom oder der Sub geben, ihren Gehorsam oder die reale Ausführung der verhängten Strafen nur vorzutäuschen? Mir jedenfalls hätte das nichts gebracht.
Natürlich könnten beide mittels einer Cam eine gewisse visuelle Befriedigung erfahren, indem Dom die Handlungen der Sub beobachtet und Sub ihrem Zeigetrieb frönt. Aber für mich wäre das trotzdem noch kein virtuelles BDSM.

Zwischen Zweien, die es ernst meinen, sollte meiner Meinung nach eine Art Vertrautheit entstehen, durch viele Gespräche. Denn, man riecht sich nie, man schmeckt sich nie und man sieht sich nicht wirklich direkt in die Augen. Um miteinander ein Verhältnis aufzubauen, hat man nur gesprochene oder geschriebene Worte und vielleicht noch die Cam.
Wie beide miteinander dann umgehen hängt davon ab, was beide wollen. Soll es nur bei D/S bleiben, wird wahrscheinlich kein Raum für ein lockeres Gespräch über das Wetter sein, sondern vorrangig das „Spiel" selbst im Vordergrund stehen.

Meine bevorzugte Art der Onlineerziehung ist allerdings die, sich ganz normal über alles Mögliche miteinander zu unterhalten, wobei jedoch jederzeit die Möglichkeit besteht, dass der Herr das Machtgefälle ausspielt und Sub zu gehorchen hat. Mir ist es auch in einer solchen Beziehung wichtig, Freundschaft oder Zuneigung im Vordergrund zu wissen und danach erst Dom und Sub.

Was macht so eine Onlinebeziehung denn nun für mich aus? Es gibt genügend Menschen, die kennen ihre Neigung, wissen, was in ihnen vor geht, haben aber in ihrem privaten Umfeld keine Möglichkeit, diese auszuleben.
Ich persönlich habe festgestellt, dass es mir nicht gut geht, wenn ich meine Neigung überhaupt nicht ausleben kann. Ich war chronisch schlecht gelaunt und mit nichts und niemanden zufrieden. Das änderte sich schlagartig, nachdem mein Herr und ich uns gefunden hatten.

Online-Sessions verlaufen teilweise anders als reale, da die Sub im Grunde immer weiß, was passieren wird. Augen zu und einfach machen lassen, geht da nicht. Bei uns ist es so, dass ich erst mal Anweisungen bekomme, was ich alles zurechtlegen soll. Dom zählt auf und Sub legt hin. Dann kommt dazu, dass Sub immer selbst an ihre Sicherheit denken muss.
Ein verantwortungsvoller Dom, wird aber auch seinerseits Wert auf Sicherheit legen und es Sub zur Aufgabe machen, sich in keine Situation zu bringen, aus der sie sich selbst nicht wieder befreien könnte.

Der Kick in einer solchen Online-Session besteht für mich darin, mir Gedanken zu machen, wie ich seine Vorgaben umsetze oder mich auf Befehl selbst überwinden zu müssen. Sich z.B. selbst auf Brennnesseln zu setzen oder heißes Wachs selbst auf vorgegebene Stellen des Körpers zu gießen – dieses Gehorchen ohne direktes Beisein des Doms, das bereitet mir Lust.
Mir gibt es ein berauschendes Gefühl, wenn ich danach lesen darf, dass er stolz auf mich ist, weil ich z.B. eben mutig genug war, mir auf seinen Wunsch hin selbst „etwas anzutun".

Onlinesession verlaufen, wenn man Glück hat, meist unterschiedlich ab. Hauptsache, es gefällt, jeder so wie es einem Kink entspricht. Wichtig ist aber, dass die Technik stimmt. Wenn die Cam hängt oder man als Sub ständig wieder aus seiner Position muss, weil die wesentlichen Dinge nicht ins Bild kommen, dann kann das schon ziemlich nervig sein. Mir persönlich ist dann das Bild meines Gegenübers nicht wichtig. Ich hör seine Stimme, die mir Mut macht und mich motiviert.

Ein wesentlicher Bestandteil der Onlineerziehung sind wohl Aufgaben. Bis vor kurzem hatte ich damit so gut wie keine Erfahrungen, jetzt umso mehr. Aus meiner Sicht gibt es da keinen wesentlichen Unterschied zum „Realen" – Dom stellt eine Aufgabe, Sub hat sie zu lösen, Dom begutachtet Ausführung und/oder Ergebnis.
Mir persönlich liegen die kleinen subtilen Aufgaben. Eine kleine witzige Aufgabe, die ich mal erledigen durfte, war, dass mein damaliger Spielpartner mir auftrug, auf dem Weg zur Arbeit einen kleinen Tannenzweig abzuschneiden, diesen in meinen BH zu stecken und ihn erst wieder zu entfernen, wenn ich nach Hause komme.
Während der Arbeit, mit Stress und allem Drumherum, habe ich nicht ständig an den Zweig gedacht, aber sobald es dann zwischendurch piekt, kam ein Grinsen ins Gesicht und ich fühlte mich einfach nur so, als würde ich was Verbotenes machen. Das Resultat, also den Abdruck, den der Zweig hinterlassen hatte, den habe ich dann mit der Kamera festgehalten.

Wenn man sich nur sehr selten persönlich treffen kann, muss Dom schon recht kreativ sein, um seine Sub bei Laune zu halten – klingt wie Wunschzettelsub, aber in der Regel ist halt so, dass beide etwas voneinander erwarten, also müssen sich halt auch beide etwas anstrengen.

Und was kickt mich nun bei Online am meisten? Tja, gute Frage. Sicherlich, dass jemand, der weit weg ist, mich unter Kontrolle haben kann, aus welchen Gründen auch immer – Gründe, dich ich selbst nicht wirklich verstehe. Aber habe ich jemanden, der auf der gleichen Wellenlänge liegt, dann kann auch online für mich sehr erfüllend sein.

Verfasserin Honigpo

 


Artikel: BDSM virtuell - Die Onlineerziehung -


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