KI und BDSM, Gedanken
Als jemand der in einem sehr technischen Bereich arbeitet, habe ich im Dezember 2022 ein wenig mit ChatGPT und anderen KIs gespielt. Natürlich wollte ich auch wissen, wie gut sind solche Anwendungen auch im Bereich BDSM. Geschichten, da gibt es meist eine Entwicklersperre, was rauskommt soll anständig sein :), also blieben nur Fragen zu BDSM Themen. Die Antworten waren im Schnitt durchaus brauchbar, manchmal aber auch unterirdisch, zumindest aus meiner Perspektive. So wurde beim Metakonsens eine Antwort geliefert (Kurzfassung legale aber umstrittene Spielart) die schlichtweg falsch ist, auch wenn sie im Netz häufig so zu lesen ist. Kurz gesagt, die KI ist eben nur so gut, wie die Informationsquellen die eh schon öffentlich abrufbar sind. Sie bedient sich aus verschiedenen Quellen und wenn die Mehrheit der Quellen (oder der Input welcher der Eigentümer der KI zur Verfügung stellt) fehlerhaft sind, dann ist der Input eben auch fehlerhaft. Selbst denken tun diese „Ki`s“ noch nicht, sie sind eher wie Google mit einer Zusammenfassungsfunktion. Damit ist aktuell der Begriff KI eigentlich auch falsch gewählt für das was der Öffentlichkeit zugänglich ist, da aber jeder von KI und AI spricht, will ich diesen Terminus gerne beibehalten.
Noch spannender war eine ChatKI, die durchaus auch erotisch und etwas BDSM konnte und auf einer Flirtseite eingesetzt werden soll. Früher konnte man noch einigen Chatnachrichten so eine KI erkennen, bei dieser war mir das aber nicht möglich. Mit wem man in Zukunft schreibt, man weiß es nicht. Sofern ein Kontakt aber als KI-Kontakt für den Nutzer erkenntlich ist oder KI genutzt werden um netter Absagen zu schreiben, habe ich da keine Bedenken.
Im März dann kam ich zu den Foto- und Kunst- AI`s und was diese alles können ist erschreckend und faszinierend zugleich. Fast egal was man erschaffen will, die KI gibt einem die Möglichkeit. Fotos haben Macht und die Gefahr Falschinformationen durch die passenden Bilder in die Welt zu setzen ist groß. Jedoch will ich mich hier ja nicht mit den gesellschaftlichen Problemen befassen, sondern mit der KI im Kontext BDSM.
Pro
- Fast jeder kann nun seine Fantasie bebildern und seine Sehnsüchte und Wünsche damit visualisieren
- Man muss nicht mehr aufwendig nach einem Model suchen
- Bei Veröffentlichungen von Bildern wird kein Model später mal deswegen berufliche oder private Probleme bekommen (ja das kommt gar nicht so selten vor, bei jenen die Gesicht zeigen)
- Die KI kann aus echten Bildern biometrische und andere unerwünschte Daten entfernen
- Autoren können ihre Geschichten schnell und einfach mit passenden Bildern aufhübschen
- Perfekte Models sind einfach möglich und auch jede Örtlichkeit ist schnell erschaffen
- Fantasien können ergründet werden, spricht mich das an, wie reagiert mein Kopf wenn ich es sehe
- Das Erschaffen von KI Kunst kann weniger kreative Leute in ihrer Kreativität aktiv fördern
Kontra
- Zur Kreativität gehört für mich ein Schaffensprozess, dieser ist hierbei aber so kurz, dass keine Kreativität die in einem wohnt hierdurch gefördert wird
- Fakebilder sind schnell gemacht, ein Bild, selbst eines mit Vorgaben, gibt keine Sicherheit mehr
- Bei der reinen Onlineverifikation kann der Jugendschutz umgangen werden
- Wenn es nicht als KI Kunst gekennzeichnet ist, könnten Menschen mit keiner perfekten Figur denken, dies oder jenes gibt es aber nur, wenn ich perfekt aussehe
- Fast überall sind BDSM Themen derzeit noch verboten, man muss die Verbote durch die passende Wortwahl kreativ umgehen
- Die menschliche Interaktion fehlt. Man sieht das den Bildern durchaus an und zwischen Model und Fotograf kann sich eine echte Freundschaft entwickeln.
- Die KIs haben aktuell viele Kinderkrankheiten (Anfang und Ende eines Gegenstandes, Nase, Finger, Berührungen sind immer wieder kritische Punkte die stark nachbearbeitet werden müssen)
- Bilder können eine Entwicklung auch in eine unerwünscht Richtung führen (Strafbares, Vorlieben die nur sehr wenige Partner überhaupt teilen, ungesunde Obsessionen)
Vielleicht wird die KI Kunst den Hochglanzfotografen den Rang ablaufen, darin liegt aber auch eine große Chance. Wenn es bei einem BDSM Shooting nicht mehr um das perfekte Model, die ideale Ausleuchtung und Inszenierung mehr geht, dann könnte vielleicht wieder aktives und gelebtes BDSM mehr in den Mittelpunkt kommen bei den Bildern. Mehr Szenen aus einer echten Session heraus, bei denen man die Lust als Betrachter spürt, mehr Schweiß, Spuren, menschliche Dynamik und vielleicht sogar Tränen. Und an diesem Punkt hat die KI einen unglaublichen Mehrwert, sie kann Gesichter oder Gesichtsteile ersetzen und verändern, so etwas zu veröffentlichen ist Dank der KI dann nämlich ohne Outinggefahren möglich.
Was sagen die Juristen, was die Philosophen
Die Juristen sind sich weitestgehend einig, eine KI erschafft keine Kunst und so herrscht aktuell eine breite Überzeugung bei Rechtsgelehrten und Rechtsanwendern, dass KI Kunst kein Urheberrecht erschafft, erst wenn durch Bearbeitungen die nötige menschliche Schöpfungshöhe erreicht ist, dann soll der Urheberschutz greifen, natürlich in dem Fall für den menschlichen Bearbeiter. Aristoteles hat sich zu fast jedem Thema geäußert, auch zu dem was für ihn Kunst ist: „Die Kunst vollendet das, was die Natur nicht ins Werk umsetzen kann, oder sie ahmt nach.“ Genau das macht die KI, sie ahmt nach. Sie sammelt Werke, wertet sie aus und nutzt diese Daten um daraus etwas Neues zu mischen. Ihr ist es möglich Stile zu vermengen und in meinen Augen wird sie Kunst schaffen, sobald sie es schafft einen eigenen Stil zu entwickeln. Für diesen Schritt braucht es aber Menschen, genauer unser Feedback, was in Klickzahlen, Reaktionen, Verweildauer oder auch Geld bemessen sein wird. Aber auch große Künstler haben fast alle von anderen Künstlern gelernt, haben Kunstschulen oder Universitäten besucht, sich mit Kollegen ausgetaucht, Werke studiert, verschiedene Stile kennengelernt und aus all dem ihren ganz individuellen Stil entwickelt (oder auch nicht). Was würde Leonardo da Vinci wohl sagen, wenn unter seinen Schülern eine KI gewesen wäre. Hätte er die KI ausgeschlossen oder als Talent gefördert?
Die KI hat bei ihrer Fortentwicklung einen großen Vorteil, sie kann wie Mutter Natur agieren und die hat bekanntlich die größten Wunder hervorgebracht. Sie muss nicht altern oder vergessen, kann aber jederzeit Updates und mehr Systemressourcen erhalten. Sie probiert aus und über try and error und das entsprechende menschliche Feedback (aka Selektion), wird sie ihren eigenen Stil entwickeln können. Ein menschlicher Künstler kann nicht mal eben 10.000 Kunstwerke schaffen und seine Techniken dabei variieren, eine KI kann dies. Kunst ist für mich ein kreativer Schaffensprozess und bei diesem gibt es nicht nur den einen Weg. Ein menschlicher Künstler überlegt sich vorher, was will ich verändern, welchen Effekt will ich erzielen, eine KI wird das irgendwann auch können, mit dem Unterschied, dass für sie Fehlentwicklungen trotzdem kein großes Problem sind. Sie kann in Masse produzieren und selbst wenn nur ein Bruchteil nachher eine Verbesserung ist, bringt sie das voran, für einen Menschen wäre das zu viel vertane Lebenszeit.
Nach meiner persönlichen Definition kann eine KI Kunst erschaffen, die aktuellen KIs können dies aber nicht, sie kopieren und vermischen bisher nur und brauchen den Input eines Menschen. Ihnen fehlt noch zu sehr die Fähigkeit einen eigenen Stil zu erschaffen, aber auch das wird kommen.
Ausblick KI als BDSM Partner
Sexpuppen gibt es, Roboter gibt es, Ki`s gibt es, es ist also nur eine Frage der Zeit, bis es künstliche Beischlafgefährten geben wird. Völlig auf den Spaß des Menschen bedacht, mit Sensoren um jede Luststeigerung zu erkennen, vernetzt kann sie auf einen großen Grunddatenpool zurückgreifen, sie wird aus der Interaktion mit dem Menschen lernen und sich ihm und vor allem seinen Bedürfnissen perfekt anpassen, noch eine Utopie aber wohl nicht mehr ewig.
Das schöne beim BDSM ist für mich, es findet zwischen Menschen statt und zumindest mein BDSM braucht einen realen Menschen mit dem ich interagieren kann. Sofern die KI also keinen menschenähnlichen Körper bekommt, wird mein BDSM keine Neuerung durch eine KI erleiden. Wenn es so weit wäre, dass eine KI mit einem Körper jeden Wunsch erfüllen kann, dann würde sich die Frage stellen: Will ich diese Technologie nutzen und damit wahrscheinlich die Lust auf echte Menschen verlieren oder bleibe ich dem guten alten Modell Mensch treu? Denn ich traue einer KI zu wirklich die perfekte Sklavin sein zu können, einfach da eine echte Sklavin oder Sub auch eigene Bedürfnisse hat, eine Maschine muss dies nicht haben.
Für mich ist eine KI eine andere Art von Prostitution, man kauft sich ein Gefühl, das man auf normalem Wege nicht bekommen kann. Ich kann mir absolut nicht vorstellen für das Ausleben meiner Kinks zu bezahlen, denn ich würde mich schlicht nicht mal als Dom fühlen. Gekaufte Dominanz für mich überhaupt keine Dominanz. Sie ist nicht aus mir heraus entstanden und ist damit nicht in meinem Wesen begründet. Nur oder zumindest vor allem mein Geld würde die Person dazu bringen, sich auf mich einzulassen. Auch eine KI würde mir nicht dienen, weil ich mich durchsetzen kann, sondern einfach weil ich diesen Service gekauft habe.
Aktuell würde ich mich immer für den Menschen entscheiden, aber wer weiß, je mehr Akzeptanz der KI Einsatz erfährt und umso größer das Gefälle zwischen Mensch und KI wird, umso mehr kann es dazu kommen, diesen Grundsatz zu überdenken. Wäre ich ein einsamer Mann, der seine Kinks liebt, sich nach ihnen verzehrt aber kann ich dies dann nicht ausleben, dann wäre die Versuchung sicher groß. Daher wird sich wohl in Zukunft in diversen Lebensbereichen (Dienstleistungen, Freizeit, usw.) die Frage stellen, Mensch oder KI.