Schachmatt!

„Das ist doch Mist. Du bist viel zu streng mit mir.“ Ich bin genervt. Das Spiel hatte nicht mal richtig angefangen und schon wieder lässt Maik meinen König zwischen seinen Fingern kreisen.

„Du bist nicht konzentriert. Du denkst an alles, nur nicht an Schach. Habe ich Recht?“ Ich sehe ihn böse an. Natürlich hat er Recht, aber das werde ich ihm sicher nicht unter die Nase reiben. „Schach spielen oder nicht Schach spielen, das ist hier die Frage.“ Während er das mit überzogen theatralischem Tonfall spricht, hält er meinen König in der Hand, wie Hamlet seinen Schädel.

„Hör auf mich zu verarschen. Du bist einfach viel zu hart. Lass mir doch wenigstens eine kleine Chance“, jammere ich. Er lacht. Dann steht er auf, geht um den hölzernen Schachtisch und streicht mir über den Kopf. Leicht zieht er meine Haare nach hinten und beugt sich nach vorn, so dass ich in seine grauen Augen sehen muss.

„Ich werde dich nicht einfach gewinnen lassen. Mein schlaues Mädchen könnte mich ohne Probleme Schachmatt setzten. Es muss nur bei der Sache bleiben.Allerdings spielst du lieber mit deinen Haaren, blickst im Zimmer umher oder plapperst vor dich hin. Du machst alles, nur nicht das was du gerade machen solltest. So. Und jetzt hätte ich gerne was zu essen.“ Ich stehe auf, meine Knie sind ein wenig zitterig. Sein Blick und sein Tonfall werfen mich immer dann aus der Bahn, wenn ich doch eigentlich trotzig sein möchte. Ich schwanke in Richtung Küche, um das Essen anzurichten. Ein seltsames Ritual aber inzwischen gehört es zu meinem Schachunterricht wie die kleinen Flirts und Neckereien zwischen meinem Lehrer und mir.

Maik und ich haben uns in einem BDSM-Forum kennengelernt, wir waren uns von Anfang an sympathisch und haben uns getroffen, nachdem wir nur wenige Nachrichten ausgetauscht haben. Mein Ex-Mann und ich leisteten uns gerade einen unschönen Rosenkrieg und auch er war frisch getrennt. Keiner von uns hatte also eine Beziehung im Sinn. Und beide hatten wir nicht erwartet, in diesem Forum eine ernsthafte Freundschaft zu finden. Während einem der folgenden Treffen erzählte ich ihm, dass ich schon immer gerne Schach lernen wollte und sogar einen großen, alten Schachtisch zu Hause stehen hatte. Ohne dass ich so Recht wusste wie, waren wir schon für den kommenden Sonntag zum Spielen verabredet gewesen. Als Gegenleistung wollte ich uns etwas zum Abendessen machen.

Seit einem halben Jahr treffen wir uns nun jeden Sonntagabend. Ich lasse mich von ihm beim Schach besiegen und mache zwischendurch etwas Leckeres zu essen. Heute hatte ich keine Lust gehabt etwas zu kochen. Ich gehe in die Küche und richte die vorbereiteten Sandwichs, den Salat und den Kuchen zum Nachtisch an. Voll beladen trage ich alles zum Esszimmertisch, an dem Maik schon sitzt und wartet. Wie jeden Sonntag stelle ich Teller, Besteck und Glas vor ihn, als ich mich umdrehen möchte, hält er mich fest.

„Heute sitzt du neben mir“, sagt er und deutet neben sich auf den Boden. Dort liegt eins meiner Sitzkissen. Ich sehe ihn verwirrt an.

„Soll das ein Witz sein?“ Ich spüre wie die Erregung, aber auch die Verwirrung in mir ansteigt. Wir flirten schon miteinander seit wir uns kennen und er wäre ein Narr, wenn er in den letzten Monaten nicht gemerkt hätte was ich für ihn empfinde. Das hier allerdings ist doch ein sehr unsanfter Übergang vom Flirt zum tatsächlichen Ausleben. Immer noch hält er mich. Meine Hände liegen fest umschlossen in den seinen. Mir wird warm, es fühlt sich schön an von einem Mann so festgehalten zu werden.

„Ich möchte dir Schach beibringen meine Liebe. Dafür musst du aber lernen, dich auf eine Sache zu konzentrieren. Lass mich dir zeigen wie es geht.“ Er spricht langsam und liebevoll, dann lässt er meine Hände frei. Wie von selbst bewege ich mich auf die andere Seite seines Stuhls. Ich knie nieder und schaue zu ihm. Die Berührung seiner Hände ist immer noch fühlbar. „Wir werden jetzt Essen, du wirst an nichts anderes denken und nichts anderes machen, du wirst nur das tun was ich sage.“ Wie ein Kaninchen vor der Schlange blicke ich ihn an, vollkommen überfordert von dem plötzlichen Machtgefälle, das zwischen uns herrscht. Oder bin ich überwältigt? Ab wann wird Überwältigung zur Überforderung? Über mir höre ich Maik leise lachen „Das ist unglaublich, du hältst es nicht eine Minute aus. Du Denkst gerade wieder an irgendeinen Unsinn, oder?“ Mein Gesicht glüht und ich kann regelrecht fühlen wie meine Wangen anfangen, rot zu leuchten. Er stellt mir eine einzige Aufgabe und ich kann noch nicht einmal diese erfüllen. Was wird passieren, wenn ich ihn enttäusche? Wird er diesen Moment beenden? Wird er einfach wieder gehen? So nah wie jetzt waren wir uns noch nie und ich bin auf dem besten Weg, es zu vermasseln.

Ein leises „Entschuldigung“ kommt über meine Lippen. Ich senke den Kopf und mich durchfährt es wie ein Blitz als er seine Hand sachte an meinen Hinterkopf legt. Ganz leicht streicht er über mein Haar. Schnurren möchte ich so schön finde ist es.

„Schließe deine Augen, heb den Kopf und mach den Mund auf.“ Noch immer erscheint mir dieser Moment surreal, aber ich gehorche. Er legt mir etwas auf die Zunge. „Denk nur daran wo du bist und was du gerade machst.“ Ich schmecke eine Gurke, versuche alles andere auszublenden und nur noch bei mir zu sein. Mächtig albern fühle ich mich dabei, eine Gurke zu essen und dabei an Gurke zu denken. Ich fange an, es lächerlich zu finden und merke, dass ich grinse. Alles darf passieren, aber ich darf auf gar keinen Fall anfangen, zu kichern,

denke ich panisch.

Achte nicht zu sehr darauf, was du isst,

versuche ich mich zu ermahnen,

sondern viel mehr an die Haltung, die du dabei eingenommen hast.

Knien. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal vor ihm tun werde. Langsam beruhige ich mich und genieße es, von ihm gefüttert zu werden. Während auch er isst, streichelt er mir immer wieder über die Wange oder den Kopf. Ich beiße von den Sandwichs ab und trinke Saft; nichts Außergewöhnliches, aber es schmeckt viel intensiver als sonst. Außerdem fühlt es sich noch unbeschreiblicher an, weil ich es von ihm erhalte. Noch nie hat ein Abendbrot so gut geschmeckt. Nach dem Kuchen greift Maik meine Hände und zieht mich hoch. Ich wage erst, die Augen zu öffnen, als er es mir erlaubt. Am liebsten wäre ich sitzen geblieben. Für den Rest des Abends hätte ich neben ihm ausgeharrt.

„Gut gemacht.“ Er streicht meine Haare hinter die Ohren und haucht mir einen Kuss auf die Stirn. „Jetzt spielen wir Schach.“

Glücklich knie ich mich auf das Sitzkissen vor den schwarzen Figuren. Diese Stellung scheint mir gerade angebrachter als das vorherige, breitbeinige Sitzen im Schneidersitz. Er nimmt mir gegenüber Platz und macht seinen ersten Zug. Ich kann mich tatsächlich ein wenig besser auf das Spiel konzentrieren als vorher. Trotzdem fällt mein erster Bauer nach wenigen Zügen. Ich schaue Maik an, während er meine Figur auf seine Seite stellt. Er hat ein Grinsen auf den Lippen, das stark danach aussieht als würde dem Verlust meiner Spielfigur noch etwas anderes Folgen. Er beugt sich zu seiner Tasche und nimmt einen dunklen Seidenschal heraus.

„Wenn du eine Figur verlierst, hast du dich wohl noch zu sehr abgelenkt. Das heißt, ich werde dir jedes mal etwas nehmen mit dem du dich ablenken könntest.“ Schmunzeln fügt er hinzu: „Natürlich nur, um dir damit zu helfen.“ Bei dem Gedanken was er alles mit mir anstellen könnte schaudere ich. Trotzdem antworte ich lächelnd:

„Es wäre doch gelacht, wenn mich diese Erziehungsmethoden nicht zu einer Profispielerin werden lassen.“ Maik steht nun hinter mir. Er wickelt das Tuch einmal um meine Taille, dann nimmt er meine rechte Hand und führt sie an meinen Rücken. Er knotet den Schal um das Handgelenk, so dass ich sie nicht mehr bewegen kann. Dann spricht er im warnenden Ton zu mir:

„Pass lieber auf was du sagst, sonst nehme ich dir das Sehen als nächstes.“ Augenblicklich verkneife ich mir weitere Sprüche. Um mit verbundenen Augen zu spielen ist mein Gedächtnis definitiv zu schlecht. Durch die Fesselung muss ich jetzt nicht nur mit der linken Hand ziehen, sondern bin auch gezwungen gerade zu sitzen.

Als ich meine nächste Figur verliere, kann ich mir ein kurzes Fluchen nicht mehr verkneifen. Mein Lehrer hat seine Hände schon an seinem Rucksack als er es hört. Lächelnd meint er nun genau das Richtige für mich zu haben. Einige Minuten später habe ich ein kleines Stofftuch als Knebel in meinem Mund. Er hat nichts davor gebunden, sondern nur gesagt, ich solle besser schweigen, denn wenn er das Tuch sehen würde, wäre die Partie zu Ende.

Ich hasse es, etwas Trockenes im Mund zu haben. Mir wird davon schlecht und ich hab das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Allerdings geht es leichter als gedacht, weil ich weiß, ich könnte es jeden Moment ausspucken, wenn ich Panik bekomme. Ich bin ihm sehr dankbar dafür, dass er sich diese Angst von mir gemerkt hat.

Nach und nach fallen die Figuren auf beiden Seiten, bei ihm allerdings ohne Folgen. So lang haben wir bisher noch nie gespielt. Je mehr Bewegungsfreiheit er mir nimmt, desto konzentrierter werde ich. Ich sitze gerade und atme langsam, selbst wenn er wieder etwas aus seiner Tasche holt, bleibt meine Aufmerksamkeit auf das Schachbrett gerichtet. Die Figuren ziehe ich inzwischen sehr vorsichtig mit den Lippen oder schiebe sie mit meiner Nasenspitze, denn beide Hände sind auf den Rücken gefesselt. Damit nicht genug, wurden auch meine Fußknöchel nach dem Verlust einer meiner Läufer, mit einem Strick zusammen geknotet und mit den Händen verbunden. Meine Haltung ist nun so, dass ich gezwungen bin tief und ruhig zu atmen, meinen Oberkörper kann ich kaum vom Schachtisch abwenden.

Mit dem schwarzen Turm in der Hand geht mein Lehrer zu seinem Rucksack. Ich starre auf den Tisch vor mir und habe das Gefühl, mein Kopf müsse gleich zerbersten, so sehr zerbreche ich ihn mir, um den perfekten nächsten Zug zu finden. Erst als ich Maiks Hände auf meiner Schulter spüre, hören meine Gedanken auf, sich um den nächsten Spielzug zu drehen.

Ich schließe meine Augen und sitze ganz still, um nicht eine Sekunde der Berührung zu verpassen. Er hat sich hinter mich gekniet und streichelt nun meine Arme entlang, über meine Hüfte, meinen Bauch und über meinen Busen. Mein Atem wird schneller und meine Nippel werden hart als er meine Brust fest greift. Die Hitze, die seine Nähe in mir auslöst, ist unbeschreiblich. Behutsam fängt er an, die Knöpfe an meiner Bluse zu öffnen. Ich lehne mich etwas zurück und lege meinen Kopf auf seiner Brust ab. Als meine Bluse offen ist zieht er sie mir über die Schultern und streichelt mit seinen Findern über meine nackte Haut. Wie lange habe ich mir diese Innigkeit gewünscht. Meine Augen sind geschlossen und ich sauge jede einzelne seiner Berührungen in mich auf. Dann drückt sein linker Arm mich fest an seinen Oberkörper und etwas Kaltes und spitzes drückt auf meinen Bauch. Vor Schreck reiße ich meine Augen auf und mein ganzer Körper versteift sich. Maik hält mich eng an sich gepresst

„Ganz ruhig, alles ist gut“, flüstert er in mein Ohr, während das Nadelrad behutsam über meinen Bauch rollt. Ich beruhige mich langsam und finde gefallen an dem Piksen auf meiner Haut. Als er mit dem Nervenrad an meiner Taille entlang fährt, muss ich zucken und versuche mich weg zu drehen. Aber er hält mich nur noch fester und ich habe keine Chance mich dem feinen, aber immer stärkeren Stechen zu entziehen. Ich schmiege mein Gesicht an seine Brust und versuche langsam und gleichmäßig zu atmen. Sein Geruch, seine Nähe, die Schmerzen, welche die Nadeln hinterlassen, die vollkommene Hilflosigkeit und seine Stimme, die zu mir flüstert, erregen mich immer mehr. Die Intimität zwischen uns fühlt sich an als wären wir füreinander bestimmt. Das Rad zieht seine stechenden Kreise über meine Haut und hinterlässt viele kleine rote

Punkte, die wie ein Kunstwerk meine Haut zieren. Eine Mischung aus Lust und Adrenalin rast durch meine Venen und leises Stöhnen verlässt meine Lippen, wird aber von dem Knebel verschluckt. Mit der Zeit wird der Druck immer weniger, bis Maik das Nadelrad gänzlich von meinem Körper löst. Fast wie in Trance setze ich mich wieder auf und sehe meinen Schachlehrer wieder auf die andere Seite des Tisches gehen.

Lange schaue ich die Figuren an und unvermittelt löst sich das Spielbrett vor mir auf. Ich sehe nicht nur den König, die Bauern oder die Dame, ich sehe all die möglichen Spielzüge vor mir und nicht nur die meinen, sondern auch die Züge, die darauf folgen könnten. Das Spiel und das leichte Prickeln auf dem Bauch ist das einzige was ich gerade wahrnehme. In den nächsten Minuten kessel ich die weißen Figuren regelrecht ein bis ich das, was ich vor mir sehe, gar nicht recht glauben kann. Ich schaue überrascht auf die andere Seite des Schachtischs, dann noch mal auf das Spielbrett und wieder zu Maik. Mein Gegner mustert mich genau so überrumpelt.

Ohne das Tuch in meinem Mund zu zeigen, lächle ich zu ihm hinüber und nuschele „Schachmatt !“.

 

Autorin Anni (2. Platz beim Geschichtenwettbewerb 2015 des Gentledom Forums)

Du bist nicht angemeldet.
 Einloggen / Registrieren