Big My Secret

Ein Handschlag besiegelte das Geschäft und alle Beteiligten schienen zufrieden. Ulrich war sehr zufrieden. Dieser Sanierungsauftrag einer belgischen Kaserne gab ihm mindestens ein halbes Jahr Arbeit. Es sollten Eigentumswohnungen daraus werden.
Nicht unbedingt ein kreativer Höhenflug, denn es ging den Bauherren nur darum, dass er soviel Quadratmeter wie möglich aus jeder Wohnung rausholte und dabei wenig Kosten produzierte. Dass dies nichts mit seinen ursprünglichen Träumen zu tun hatte, als er sich auf Altbausanierung spezialisierte, das störte ihn nicht mehr. Die Zeiten waren schlecht und er konnte sich nicht beklagen.

Nach dem Essen wollte er nicht mehr ins Büro. Er hatte sich einen freien Nachmittag verdient. Er fuhr am Outlet vorbei und kaufte sich einen schönen, gefütterten Boss Ledermantel. Er freute sich wie ein Kind über sein „Schnäppchen“ und fuhr nach Hause.

Strahlend öffnete er die verglaste Tür seiner Altbauwohnung und seine Schritte auf dem Dielenboden kündigten ihn an.
„Hallo Fremder!“, lächelte ihn seine Frau an. „Was machst du denn so früh Zuhause?“
„Ich habe mir frei genommen. Wir haben den Auftrag!“, sagte er und zeigte seine neue Errungenschaft. „Ich brauchte noch einen Wintermantel. Wie findest du ihn?“
Ihr Blick verfinsterte sich, während sie ihm zusah, wie er sich vor dem Spiegel mal von Rechts, mal von Links betrachtete.
„Du warst einkaufen?“
„Ja.“
Sie wartete, ob da nicht noch eine Überraschung, eine Blume oder sonst irgendwas kam. Er hängte den Mantel in den Einbauschrank im Flur, den er selbst dort hatte einbauen lassen und lief in die Küche, um Kaffee zu machen. „Willst du auch einen Kaffee?“, rief er.
Nichts also. Wie unsensibel er manchmal sein konnte.
„Nein, danke.“, sagte sie und ging ins Schlafzimmer. Ein wenig später hörte sie klassische Musik aus dem Wohnzimmer erklingen, sah ihn vor ihrem geistigen Auge, wie er auf seiner Le Corbusier Liege Platz nahm und ging zu ihm, die Gerte in ihrer Hand, Absätze als Waffen.

Sie kam herein und sah, wie er sein kürzlich erworbenes Kunstwerk betrachtete. Sie griff in seine Locken, zerrte ihn auf den Boden und bohrte ihm einen ihrer Absätze in die Brust. Er zitterte.
„Was treibt den zitternden, postmodernen Helden unter die Stiefel seiner Herrin?“, fragte sie ihn zynisch.
„Wie meinst du das?“, stammelte er und ihr Absatz bohrte sich ein wenig tiefer in sein Fleisch.
„Komm schon, enttäusch mich nicht. Rede.“ Dabei setzte sie sich auf die Liege und schlug ihre Beine übereinander.
„Du hast eine interessante Hintergrundbegleitung gewählt. Lass dich doch von deiner klassischen Filmmusik inspirieren.“, sagte sie abermals spöttisch.
„Herrin, ich will Ihnen dienen. Ich möchte Ihr Sklave sein. Bitte benutzen Sie mich, formen Sie mich. Ich will Ihrer Schönheit würdig sein, bestrafen Sie mich, sollte ich dem nicht nachkommen können. Ich will Ihnen ganz gehören. Mit Haut und Haar. Machen Sie mich zu Ihrem Spielzeug. Zeigen Sie mir ihre Macht…“, sie hörte nur halb zu und es klang in der Tat sehr skurril mit der musikalischen Begleitung.

„Du redest nicht, du referierst.“, sagte sie plötzlich, ihn unterbrechend. „Ich wollte wissen, was dich unter meine Stiefel zwingt. Sag es mir.“
Er lag hilflos auf dem Boden, ein jämmerlicher Anblick.
Hans Zimmermanns Musik zu Gladiator erklang und zerrte an ihren Nerven.
„Das sagte ich doch bereits, ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, Herrin“, jammerte er. „Ich will einfach nur ein guter Sklave sein.“
„Dann bemühe dich und antworte mir bitte“, sagte sie leise, die aufkommende Wut kontrollierend.
„So mag ich das nicht. So geht das nicht. Was soll das?“ sagte er plötzlich verärgert und verzweifelt, sich aufsetzend. „Das soll Spaß machen. Es ist ein Spiel, nichts weiter“, er heulte fast und sah auf den Boden zwischen seine Beine.
„Ein Gladiator der Zunge in der Arena der Argumente bist du nicht.“
„Ich will nur Ihr Sklave sein, ist das so schwer zu verstehen?“
„Wenn es so leicht ist, Süßer, dann sag es mir. Wieso? Was ist es, was dich unter meine Stiefel treibt? Sag es! Ich werde dich nicht noch einmal auffordern. Glaube mir, meine Antwort wird dir nicht gefallen“, sagte sie, dieses Mal sehr ruhig, fast zärtlich klangen ihre Worte.

Eine lange Pause folgte, sie stand auf und schritt durch den Raum, blieb am Erker stehen und schaute auf die Birken vor dem Fenster, während die Filmmusik von Das Piano ihre Seele streichelte.
„Weißt du, wie das Stück heißt?“, fragte sie ihn. „Nein“, kam es trotzig vom anderen Ende des Raumes. Sie sah zu ihm. Er hatte sich hingekniet und hielt den Kopf gesenkt.
„Big My Secret“, sagte sie. „So heißt das.“

Er schwieg.

„Zieh dich aus.“

Verfasserin Temples

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