Hommage an meine Domina

Du hast mich nie berührt.
Du trittst mich, traktierst mich mit deinen Absätzen, trampelst auf mir herum, spazierst und schreitest. Du kannst so vollendet schreiten. Tief bohrst du dich in mich hinein, bis in mein Herz.
Du schlägst mich mit Stöcken und Gerten, malst Gemälde auf mir mit Peitschen und streichelst mich mit deiner neunschwänzigen Katze.
Du schnürst mich ein, verpackst mich, legst mich in Ketten, ich bin dein Geschenk.
Ich bin demütig, unterwürfig, folgsam, wie du mich haben willst. Ich bin brav. Ich will so brav sein.

Du bist die Meisterin meines Selbst, die Bestimmerin über mein Ich. Ich bin der Fußabtreter unter deinen Sohlen, der Stiefellecker. Deine Stiefel glänzen so herrlich.
Ich bin der Schemel, auf dem du nächtelang sitzt. Mach es dir bequem. Ich wede mich nicht bewegen. Nicht bewegen. Bewegen.
Geschwängert hast du mich, mit Lust und Begierde. Mein Leid ist mir Nahrung, meine Knechtschaft ist meine Atemluft.

Wie oft kann mein Herz brechen? Wie oft kann ich den Boden unter den Füßen verlieren? Wie oft können meine Flügel gestutzt werden?
Du hast mich nie berührt, mein goldgewobener Engel.
Berühre mich mit einem Finger nur und ich werde zerfließen wie ein Schneekristall in deiner warmen Hand, verglühen wie eine Sternschnuppe am Nachthimmel, vergehen in die Verzückung.

Ich ertrage die Demut und trage dich. Ich erdulde die Pein und dulde deine Gier. Ich entsage den Tränen und sage 'weine mein Herz'. Mein Herz weinst du? Wo bist du geblieben, Seele?
Geschunden, verkauft, verloren, verkohlt, vergessen. Doch nun geborgen! In dir ertrunken!
Wohin gehen Gefühle, wenn sie vergehen? Gibt es einen Himmel für Gefühle? All die gewesenen Lieben, Sehnsüchte, Wünsche, all der verrauchte Hass, die Wut, der Zorn.
Ein ganzer Himmel davon - ich trage diesen Himmel und schreite mit stolzgeschwellter Brust vor dir her. In dir ertrunken und geborgen, vor dir schattenspendend, lebensspendend.

Berührst du zuerst meine Schulter? Meinen Arm? Oder gar mein Gesicht? Es ist weich und warm. Lass dich nicht stören von den Salzverkrustungen. Sie sind die Spuren der Vergangenheit. Es gibt keine Tränen mehr. Ich weine für dich. Befiel - ich gehorche.
Der Ast verdorrt am Baum. Schlag ihn ab, den Ast. Doch dann fällt auch der Vogel.
Wohin soll er fliegen? Seine Federn sind sein Schutz, doch zu nichts nutze. Hat er je gelernt zu fliegen in seinem Kopf? Berühre ihn - er wird sich emporheben und für dich singen. Du hasst Gesang. Töte ihn. Du musst ihn nur zerquetschen oder ihm den Hals umdrehen, doch vorher musst du ihn berühren.

Von meiner Widerspenstigkeit bleibt immer ein Rest. Nähre meine Verzweiflung und du erhältst Befreiung, die sich eingräbt ins Fleisch, mein Stigma wird und immer erkennbar bleibt für jene, die nicht verlernt haben zu sehen.
Du hast mich gezeichnet, Meisterin. Gezeichnet nach deinen Weissagungen, aus meinen glänzenden, gläsernen Gedanken. Doch wo ist die Farbe geblieben? Blutrot bleibt rot. Schwarz bedeckt, verhüllt, verschleiert.

Bin ich wieder artig? Sind die Stiefel sauber? Stell mich ab, stell mich in die Ecke, zum Gebrauch bereit. Ich werde mich nicht bewegen. Nicht bewegen. Bewegen? Verwundet ist mein Fleisch, entblößt mein Blut, getrocknet meine Tränen. Nie wieder Tränen - ich versprach es doch.

Hörst du die Nachtigall? Sie lebt im Schutz ihrer Federn. Sie hat einen anderen Ast gefunden, voller Triebe, lebendig, geschmeidig, einladend, betörend in Blütenpracht und Duft. Sie wird einschlafen, doch sie wird auch singen für dich. Sie bleibt unerreichbar für deine Wut. Sie vertraut dir. Sie vertraut sich dir an. Sie wird verstummen, wenn du es wünschst, jedoch wird immer Gesang in ihr sein.

Meine Seele hast du berührt. Berühre nur einmal meine Haut. Nur ein einziges Mal Haut an Haut!


Verfasserin Silberstreif

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