Die TPE Beziehung

Vor kurzem las ich im Forum einen sehr interessanten Text zum Thema Liebe in einer Herr-Sklavin Konstellation, in der es ein sehr großes Machtgefälle gibt. Der Text ist aus der Sicht des Doms geschrieben und analysiert seine BDSM Welt.

Da er eine sehr interessante Perspektive aufzeigt, habe ich ihn nach Absprache im offenen Blog veröffentlicht und werde in meinem Blog meine Einschätzung niederschreiben. Zum besseren Verständnis dieses Eintrags ist eine kurze Lektüre jenes Gastbeitrags sicher sinnvoll, grundsätzlich ist vieles in diesem Beitrag aber auch selbsterklärend. Der Text ist ohne Frage gut, ich finde sogar sehr verführerisch, geschrieben. Er spricht die Punkte einer sehr intensiven Liebe, Verantwortung und einer ganz besonderen und durchdringenden Beziehungsart an. Das weckt natürlich Neugier und Lust bei jedem, der sich grundsätzlich eine solche Beziehung mit einem extremen, permanenten und dauerhaften Machtgefälle vorstellen kann. Dennoch ist Liebe sicher keine Voraussetzung für eine TPE Beziehung und kann von keiner der beiden Seiten eingefordert werden. Ich gehe mit der Ansicht konform, dass es sich bei einer solchen Beziehung gerade für den devoten Part um eine sehr emotionale Bindung handelt, immerhin lässt sich die Sklavin dabei voll und ganz auf ihren Herrn ein. Skeptisch bin ich aber bereits an dem Punkt, an dem die Liebe einer Sklavin als besonders intensiv beschrieben wird. Liebe als subjektiver emotionaler Zustand allgemein zu qualifizieren und auch quantifizieren, ist in meinen Augen falsch. Die These, dass zwischen einer Sklavin und ihrem Herrn in dieser Art von Beziehung eine ganz besondere und viel intensivere Liebe als bei normalen Beziehungen entstehen kann, halte ich schlichtweg für falsch. Wenn dies damit begründet wird, dass die Sklavin alles für ihren Herrn tut, so mag diese Art der Beziehung dies fördern, aber das Maximum wäre doch, wenn beide alles für den anderen tun würden. Ich denke, es gibt auch abseits von Romeo und Julia oder modern The Vampire Diaries Liebende, die für den anderen in den Tod gehen würden. Spätestens an diesem Punkt wäre, der eigenen Logik des Textes nach, die Liebe in der Konstellation Herr-Sklavin weniger intensiv, denn dort gibt sich ja nur ein Part für den anderen auf. Grundsätzlich sollte Liebe aber in meinen Augen gar nicht verglichen werden und jeder Mensch soll glauben, seine Liebe sei die intensivste/schönste/dauerhafteste oder was auch immer. Dies fördert die Magie des Besonderen und führt dazu, dass die Liebenden sich voll und ganz auf die Beziehung einlassen. Liebe in ihrer reinsten Form als selbstaufopfernden Akt zu beschreiben spricht wohl jeden an, der für Romantik empfänglich ist. Auch mir gefiel dieser Abschnitt ausgesprochen gut, differenziere ich doch zudem sehr stark zwischen Liebe und Begehren. Dieser Abschnitt für sich hätte auch von mir stammen können. Ebenfalls gut finde ich die Abgrenzung zur üblichen Domforderung, dass der devote Part vertrauen muss. Hier liegt eine Stärke des Verfassers, welcher sich Vertrauen als Dom erarbeiten will und es eben nicht von sich aus einfordert. Dies allein schafft bereits Vertrauen und seine Sklavin in einer TPE Beziehung zu fördern und nicht abstumpfen zu lassen, ist etwas, dass ich in jenem Kontext oftmals schmerzlich missachtet sehe. Neben dem unangebrachten Vergleich von der Intensität der Liebe in einer ganz besonderen Art von Beziehung und allen anderen Arten von Beziehungen fehlt mir aber vor allem eins: Der Hinweis auf die Schattenseiten. Alles, was intensiv ist, und intensiv sind solche Beziehungen, kann nicht nur sehr intensive positive, sondern auch negative Auswirkungen verursachen und hierzu lese ich in dem Text leider gar nichts. Nach meiner Einschätzung scheitern TPE Beziehungen zu 90% bereits im ersten Jahr. Entweder der Herr schafft es nicht, sich dauerhaft, überall und immer zu behaupten oder Sub wird unglücklich, weil sie die Beziehung nicht mitgestalten kann und ihre Sehnsüchte zu kurz kommen. Ich habe es sehr oft erlebt, dass der dominante Part in solch einer Beziehung nicht verantwortungsbewusst mit seiner Macht umgeht und das ist nur menschlich. Wer führen will kann dies nur, wenn er in diesem Bereich selbst über eine hohe Eigendisziplin verfügt und Führen ist anstrengend, denn man steht dabei immer in der Verantwortung. Wer also in allen Lebensbereichen (TPE) führen will, muss in allen Lebensbereichen seinen Führungsanspruch gegenüber der Sklavin auch behaupten können. Ich hatte vor vielen Jahren einmalig eine solche (dennoch sehr schöne und intensive) TPE Beziehung und weiß aus eigener Erfahrung, wie anstrengend das ist. Um es sich bequemer zu machen, gehen fast alle Doms in solchen Beziehungen den Schritt, die Sklavin kleinzumachen/kleinzuhalten. Denn je kleiner die Sklavin ist umso weniger anstrengend ist das Führen und oftmals werden die eigenen Führungsqualitäten einfach maßlos überschätzt. Macht zu haben ist das eine, sie zu behalten und richtig einzusetzen etwas ganz anderes. TPE (Total Power Exchange) bedeutet, die absolute Macht über einen Menschen auszuüben und hier zitiere ich gerne Lord Acton:

Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut. Lord Acton, 1834 - 1902

Dies ist sicher nicht bei jedem so, aber bei fast jedem. Besonders eine Entwicklung in TPE Beziehungen, die ich kenne, fällt mir auf. Da sich der Herr in allen Lebensbereichen behaupten muss (oder auch meint, behaupten zu müssen) und dies auf Dauer sehr anstrengend ist, neigen die Herrschaften schnell dazu, den Partner kleinzumachen. Wenn jemand aus einer Frau und Sklavin nur noch eine Puppe/Haustier/Gegenstand oder ähnliches macht, führt diese Rolle schon allein dazu, dass ein Streben nach mehr als diese Rolle auszufüllen, unterbunden oder zumindest sehr gemindert wird. Solch eine Sklavin hat meist wenig Kontakt zur Außenwelt und da sie in keiner Weise, außer in Bezug auf das Sklavinnensein gefördert wird, verkümmert sie intellektuell. Mit der Schwächung der geistigen Fähigkeiten kommt es zu einer Abstumpfung der Persönlichkeit und selbst wenn die betroffene Person gerne daran etwas ändern würde, so hält sie eine innere Antriebslosigkeit und oftmals auch ein Versprechen in manifestierter Form eines „Vertrags“, Brandzeichens oder ähnliches, davon ab. Auf Seiten der Doms sind solche Beziehungen zudem häufig sehr komplexbeladen, meistens versuchen sie eigene Schwächen oder auch Verlustängste durch ihr Verhalten zu kompensieren. Sicher die Schattenseiten sind nicht in allen TPE-Beziehungen vorhanden, ich habe selbst zumindest eine vor Jahren geführt und bin recht zuversichtlich, bei aller Härte und auch eigenem Nutzen, meine Sklavin nicht nur gefordert, sondern auch gefördert zu haben. Weiterhin kenne ich zumindest einen Dom, dem ich eine konstruktive TPE Beziehung zutraue und es gibt auf dieser Seite auch das ein oder andere Essay über TPE, welches ich in großen Teilen unterstützen würde, auch wenn ich sicher nicht alle Ansichten teile. Neigungen sind vielschichtig und das Verlangen, jemanden besitzen zu wollen, ist sicher nicht unnatürlich, gerade im Kontext des Begehrens. Ich denke, sehr viele Subs hören die Worte „Du bist meins“ sehr gerne, wie weit das meins und der damit verbundene Besitz geht, bleibt den Beteiligten überlassen. Aus dem Text ergeben sich für mich zudem interessante Folgefragen: Wenn ein „Herr“ also normale Liebe empfinden würde, würde dies doch dieser Logik nach bedeuten, dass er auch sich seiner Partnerin unterwirft, denn die normale Liebe ist gleichberechtigt und besteht damit aus einem Geben und Nehmen. Kann ein Herr in einer TPE-Beziehung also überhaupt die klassische, romantische Liebe erfahren oder ist ihm dies verwehrt? Weiterhin würde die Logik des Textes bedeuten, dass die Sklavin intensiver (selbstloser) lieben kann als eine „normale Frau“, der Herr im Umkehrschluss dafür nicht so selbstlos lieben kann und seine Liebe somit weniger intensiv wäre, als bei einem „normalen Mann“. Damit gibt der Herr etwas auf (Intensität der Liebe) und opfert diese seiner Sklavin (welche intensivere Liebe dafür erfahren kann) als Geschenk. Aber kann eine Sklavin glücklich sein, wenn nur ein Teil ihrer Liebe erwidert wird, oder gehört dieses mehr an Liebe zum gewählten Leid der Sklavin? Zugegeben die letzten beiden Gedanken sind etwas konstruiert, lassen sich aber durchaus aus dem Text herleiten. Beenden will ich meinen Beitrag mit dem Zitat einer Frau, die bzw. deren Geschichten sicher jeder kennt und die etwas Vortreffliches zur Macht und dem Umgang damit gesagt hat:

"Wenn Pippi (Langstrumpf) jemals eine Funktion gehabt hat, außer zu unterhalten, dann war es die, zu zeigen, dass man Macht haben kann und sie nicht missbraucht. Und das ist wohl das Schwerste, was es im Leben gibt." Astrid Lindgren 1907-2002

Nachtrag Ich denke, Beziehungsformen an sich zu vergleichen ist wie ein Vergleich von Äpfel mit Birnen... Beides ist ein Kernobstgewächs, aber Größe, Form, Geschmack usw. sind eben anders... Beispiel: Sub geht ihrer Sonntagsroutine nach, erst bläst sie ihrem Dom einen, danach macht sie ein leckeres Frühstück und während er genüsslich isst, massiert sie ihm die Füße. Man könnte sagen, sie opfert sich für das Wohlergehen des Partners auf. Jedoch ist es Routine und würde sie es nicht machen, gäbe es eine unangenehme Sanktion. Lieschen Müller und Hans Peter wachen auch am Sonntag auf, das Lieschen freut sich über das Gedicht, welches Hans ihr vor ein paar Tagen geschrieben hat. Weil der Hans noch schläft, steht das Lieschen ganz leise auf, huscht in die Küche und macht im Pancakes (nicht Paincakes!). Sie stellt alles auf einen Teller und pflückt noch schnell eine Rose aus dem Vorgarten, welche mit aufs Tablett kommt. Nun weckt sie ihn sanft und beide genießen gemeinsam das Frühstück. Auch wenn die Sklavin mehr gibt, ist dies in meinen Augen kein Ausdruck von mehr Liebe. Ich denke, je nach Beziehung wird Liebe einfach sehr unterschiedlich gezeigt und auch gespürt und das macht eben den Unterschied aus. Was man fühlt und wie man es ausdrückt. Der Partnerin eine Ohrfeige zu geben, wird in 99% der Fälle ein Ausdruck von Geringschätzung sein, sehen beide darin aber etwas sehr Persönliches, kann diese Geste auch etwas sehr intimes ausdrücken.


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