Wahrheit oder Pflicht

Ffffhhh... Die letzte Karte fiel auf den Tisch. Einsam blieb sie auf dem zuvor gefallenen Stapel liegen. S seufzte.
„Gib mir die Steine.“
Ich hielt ihm die beiden Fäuste hin, in jeder ein Stein. S wählte: Rot - Pflicht.
„Oh... nein. Nicht Pflicht.“
S zog die Stirn in Falten. Mein Herz hüpfte. Schon vorher hatte ich mir für Wahrheit oder Pflicht je eine schlimme Aufgabe überlegt, eine böser als die andere. Ich setzte mein Überlegenheitsgrinsen auf.
„Du hast doch sicher auch eine Kiste, einen Koffer oder ähnliches, wo du deine Sachen aufbewahrst.“
Ein leichter Schimmer von Rot legte sich über sein Gesicht, sein Blick ging demütig zu Boden.
„Ja, Herrin.“
„Den wirst du jetzt holen.“
„Ja, Herrin. Sofort.“

„Das ist sie, Herrin.“
„Und nun zeigst du mir das, wovor du am meisten Angst hast, dass es jemand benutzen könnte. An dir.“
Seine Hände zitterten unmerklich, als er begann, die Kiste zu öffnen und ihren Inhalt auf dem Parkett zu verteilen.

„Was ist das? Sag mir zu jedem Teil, was es ist.“
„Das hier sind Hefte. Ähm… böse Heftchen. Handschellen… Seile…“
Nach und nach leerte sich die Kiste, bis er bedächtig langsam, beinahe ehrfurchtsvoll, eine Gerte hervorholte.
„Das, Herrin, ist sie.“
„Wer, sie?“
„Das ist die Gerte, und sie macht mir am meisten Angst.“
„Warum?“
Er schluckte schwer, einmal, zweimal.
„Ich habe große Angst, den Schmerz nicht mehr aushalten zu können.“
Ich feixte.
„So wenig hältst du aus? Das wollen wir gleich mal nachprüfen.“
Flehen lag in seinem Blick, als er meine Augen suchte. Nein, schien er mir sagen zu wollen, bitte nicht. Das halte ich nicht aus.
„Das solltest du aushalten. Ich mach' nicht viel. Los – vor die Couch. Hinknien. Hände auf den Rücken, Kopf auf den Boden. Und keine Regung – nirgendwo!“

Bewegungslos kniete er auf dem harten Parkett, und ich war mir längst nicht mehr sicher, ob das Parkett damit alleine so beschaffen war. Schon den ganzen Abend hatte sein Blick auf mir geruht. Der Alkohol hatte sein Übriges getan und unsere Zungen gelöst.
Seit Stunden spielten wir, doch nun wurde es ernster. Dass wir nur noch zu zweit waren, da die anderen alle schon schliefen, machte die Sache nicht leichter. Ich wusste, wie weit ich gehen durfte, und betete, dass er das auch wusste – wenn ich verlor.

„Fünfmal werde ich dich schlagen.“
Furchtsames Schweigen war die Antwort. Achtsam stellte ich mich in Position. Die Gerte lag gut in der Hand. Ich beschloss, ihn etwas zu ärgern und seine Grenzen auszutesten.
So weit ich konnte holte ich aus, zog durch und landete laut auf dem Ziel. Hörbar zog er durch zusammengebissene Zähne die Luft ein, jedoch verließ kein Ton seine Lippen. Ein zweiter Hieb folgte, ein dritter. Seine Hände krampften sich bei jedem Schlag auf dem Rücken zusammen, allein vom Willen gehalten. Seile waren nicht nötig, wenn der Stolz stark genug war. Diese Barriere wollte ich durchschreiten.

„Was ist los? Tut das etwa weh?“
„Ja, Herrin!“
„Wie sehr?“
„Sehr!“
„Wie viele waren das?“
„…erst drei…“
Nur leise war er zu vernehmen, wie er auf Aufforderung den vierten Schlag mitzählte. Für den finalen Fünften stellte ich mich auf die andere Seite, um nicht beim Ausholen seinen Kronleuchter von der Decke zu holen.
Diese fünf Schläge sollten ihm eine Lehre sein und lange in Erinnerung bleiben. Deswegen legte ich nun all mein Können und all meine Kraft in meine rechte Hand.

Ssssst.

Hochrot im Gesicht setzte er sich mir wieder gegenüber.
„War das etwa schlimm?“
Noch leicht demütig schaute er zu mir herüber.
„Die waren ziemlich… heftig.“
„Dann lass uns weiterspielen. Aber pass auf beim Pusten. Nicht, dass du wieder wählen musst.“
Stück für Stück schmolz der Stapel auf dem Flaschenhals. Am Ende erwartete mich eine einzelne Karte. S grinste.
„Willst du es nicht mal versuchen?“
Höhnisch hielt er mir die Fäuste hin. Ich wählte die Rechte – rot. Mist. Jetzt kam die Rache.

Der rapide Wechsel seines Ausdrucks verursachte mir eine Gänsehaut.
Befehlsgewohnt, herrisch und nachdrücklich wies er mir meine Position an. Ich, die ich keine Spur devot war, fand mich nun meinerseits kniend, den Blick gesenkt, die Handflächen nach oben gerichtet auf den Schenkeln liegend.
Die vertauschten Rollen hatten etwas Bizarres an sich. Wie der ganze Abend an sich. Wo war ich da hinein geraten?

Die Gerte suchte sich ihren Weg zwischen meine Beine und rieb am Stoff meiner Jeans an empfindlicher Stelle. Ein leises Stöhnen entfuhr mir –

Ssssst!

Ein Griff in meinen Nacken, unbarmherzig wie eine knöcherne Leichenhand, zog meinen Kopf nach oben.
„Wer hat dir erlaubt zu stöhnen!?“
Die Antwort gepresst, leise, flüsternd, ergeben.
„Niemand.“
„Dann pass auf, dass das so bleibt!“

Derb drückte er meinen Kopf nach unten zurück auf's Parkett. Ein Gewicht verursachte einen unbekannten Druck in meinem Nacken: Er hatte seinen Fuß darauf gestellt. Nun war ich ein niederes Etwas ohne Willen, der Willkür meines neuen Herrn ausgeliefert. Der Gedanke machte mich an. Innerlich musste ich über meine intimsten Enthüllungen grinsen, wusste ich ja bis dato selbst nichts von meiner devoten Veranlagung.

Ein gut gesetzter Schlag auf eine sehr empfindliche Stelle holte mich in die Gegenwart zurück. Heiße Schauer breiteten sich in meinem Inneren aus, angeheizt durch einen weiteren und noch einen nachfolgenden Schlag. Wenn ich doch nur geknebelt gewesen wäre! Erneut zog mich sein eisenharter Griff nach oben.
„Du Biest! Ich habe dir befohlen, still zu sein! Ich muss mir wohl etwas anderes ausdenken für dich?!“
Seine letzten Worte gingen in einem qualvollen Wimmern unter, als er unter mein Shirt langte und kräftig in meine steifen Nippel kniff. Die Ohrfeige, die darauf folgte, saß. Mein Gesicht brannte, als ich die nächste kommen sah. Wegdrehen war unmöglich, denn noch immer befand ich mich im Schraubstock seines Willens und seiner Hände – klatsch – noch eine, klatsch – noch eine – Tränen sammelten sich in meinen Augen, klatsch – das saß…
„Hast du mich nun verstanden?“
Feuchte Spuren zogen sich nun aus meinen Augenwinkeln nach unten zu meinen Lippen, die zitterten. Mehr als wimmernd flüstern konnte ich nicht mehr.
„Ja, Herr.“
Er lachte und zog mich nach oben.

„Lass uns weiterspielen. Du musst pusten.“


Autorin Wolke Safini

Du bist nicht angemeldet.
 Einloggen / Registrieren