Sind Tabulisten beim Kennenlernen wirklich sinnvoll?

Lernen sich Dom und Sub kennen, wird sehr oft vom dominanten Part eine Tabuliste angefragt. Damit kann der Dom dann sehen, ob sich so ein Kennenlernen lohnt oder ob die Art zu spielen eben nicht zusammenpassen würde.

Das ganze hat aber einige Haken. Zum einen gibt es Doms, die dies sehr unfair ausnutzen und Dinge, die nicht erwähnt wurden somit als erlaubt ansehen. Wobei dies nicht nur unfair, sondern auch illegal wäre, denn das deutsche Recht sieht eine aktive Einwilligung in die Handlungen vor. Zum anderen sagt eine Tabuliste nichts darüber aus, was Sub Spaß macht, sondern nur, was sie alles mit sich machen lassen würde, von gern ist bei einer Tabuliste eben nicht die Rede. Wer BDSM als gemeinsamen Spaß ansieht, sollte sich nicht nur für die Tabus, sondern eben auch für die Vorlieben des potentiellen Partners interessieren. Besonders Anfänger müssen sich wegen Tabulisten mit Dingen beschäftigen, die vielleicht niemals für sie relevant werden, was bei manchen Themen durchaus abschreckend oder zumindest unnötig zeitintensiv sein kann. Eine Positivliste gibt zudem mehr Sicherheit und Sub kann damit den Dom ein wenig besser kennenlernen und einschätzen.

Es gibt aber auch Punkte, die ganz wertneutral für das übliche Konzept der von Sub eingereichten Tabuliste sprechen. Sub erstellt sie einmal und kann sie leicht bei neuen Kontakten modifizieren. Es ist somit keine Arbeit, die man ständig machen müsste und man entdeckt vielleicht auch ganz neue Spielarten. Zudem erzeugt es womöglich etwas mehr Spannung, wenn Sub eben nicht weiß, was Dom alles vorhaben könnte.

Vergleiche ich die Vor- und Nachteile, spricht weitaus mehr für die Positivlisten. Warum es nicht über solche Positivlisten gemacht wird, hat (denke ich) verschiedene Gründe. Weil es fast alle so machen, macht man es eben auch über die Tabulisten. Viele Doms sind faul, und warum sollten sie sich selbst die Arbeit machen, wenn man ihnen das Ergebnis mundgerecht serviert. Wer bereits vor dem ersten gemeinsamen Spiel meint, dass Dom höherwertiger denn Sub sei, der wird es auch kaum einsehen sich die Mühe zu machen, selbst einmal ein wenig Arbeit und Zeit zu investieren. Viele Doms dürften zudem Angst haben, dass ihre Vorlieben womöglich die Subs verschrecken könnten, da geht man lieber auf Nummer sicher und wartet ab, was von Sub kommt (in meinen Augen zwar effektiv aber sehr undommig, wer nicht die Eier hat zu dem zu stehen, was ihm/ihr Spaß macht). Tja und dann haben wir eben noch die Arschlöcher unter den Doms die meinen, was nicht erwähnt wurde ist erlaubt, da hätte sich Sub eben mehr Mühe geben müssen.

Natürlich gibt es auch andere Wege, die ohne solche Positiv- oder auch Negativlisten auskommen. Persönlich gehöre ich zu denen, die diesen Weg meist bevorzugen. Eine Möglichkeit ist es, kleine Schritte zu gehen, nicht einfach immer mit allem zu planen und sofort alles umsetzen zu wollen was theoretisch möglich ist. In diesem Fall muss nur geschaut werden, was als erste Schritte gehen würde und darauf aufbauend entwickelt man das gemeinsame Spiel zusammen immer weiter. Die andere Option ist es, sich mit dem potentiellen Partner bereits vor dem Spiel intensiv über die jeweiligen Wünsche, Sehnsüchte, Ängste und Tabus auszutauschen. Da mein BDSM sehr partnerbezogen und recht flexibel ist (DS und SM), habe ich die für mich minimal ausreichende Vorliebenschnittmenge meist sehr rasch gefunden und wenn dies gegeben ist, interessieren mich zumeist andere Dinge weit mehr als die detaillierten BDSM Vorlieben und Abneigungen. BDSM ist eben nur eine Facette einer Person, und eine Person nur auf diese eine kleine Facette zu reduzieren, fände ich äußerst langweilig.

Auch wenn ich es nie detailliert gemacht habe, gehe ich nunmehr mal mit einem gutem Beispiel voran und schreibe auf, was mich reizt und auch tabu ist. Wobei, durch die Partnerbezogenheit meines BDSM und der Einstellung, dass Lust Lust erzeugt, spiele ich mit jemandem, der eine masochistische Ader hat ganz anders als mit jemandem, der sie eben nicht aufweist. Ich denke, bis auf die Punkte Blowjob könnte ich auf jeden Punkt in dieser Liste problemlos verzichten. Natürlich würde es nicht klappen, wenn ich auf fast alles verzichten müsste, denn dann würde die gemeinsame Basis fehlen, Zum Glück ist BDSM aber sehr bunt und facettenreich und somit finden sich eigentlich immer ausreichend Gemeinsamkeiten, um zusammen Spaß haben zu können :D

Wenn ich also als recht bekannter Dom offen und hier gerade auch öffentlich zu meinen Vorlieben stehen kann, dann sollte das ein anonymer Dom in einer privaten Konversation wohl erst recht können.

DS (Schwerpunkt):
Immer gerne: Sexuelles Benutzen, Erniedrigung, Erziehung, mit der Lust der Frau spielen, Spermaspiele, überwältigen, Aufgaben erteilen, kleine Rituale, Nackengriff, Sinnesentzug, Nackthaltung, Tunnelspiele, Mindgames, Spuren erzeugen und sehen, nicht sichtbare Spiele in der Öffentlichkeit
Immer gerne wenn beide es wollen: Atemreduktion, anspucken, Dominuskuss, Ohrfeigen, filmen/fotografieren, Anilingus, Kontrolle über die Sexualität (über die Session hinaus), Zuschauer

SM (Mittel zum Zweck oder Spaß):
Immer gerne: Kratzen, Beißen, Rohrstock
Zur Luststeigerung mit einer Masochistin: Diverse Schlaginstrumente als Luststeigerung für beide (am liebsten Peitschen, Rohrstöcke, Tawse, aber auch Gerten, Paddle, usw.)

Bondage (Nebenbereich):
Fixieren des anderen durch die eigene Körperkraft manchmal auch mittels Lederfesseln

Sex:
Blowjobs, ungewöhnliche Orte, Dreier (FFM), Sexspielzeug, Fisting

Einmalige Spielarten:
Rapegame

Neben dieser Positivliste ist es aber sicher dennoch sinnvoll, das zu erwähnen, womit man nichts anfangen kann, was aber ebenfalls sehr schnell gemacht ist:

Abneigung (mache ich nicht): Kompliziertes Seilbondage, Abbinden von Brüsten, Klinik- und Fetischsachen, extremste Formen von SM, Blutspiele, KV, Ageplay, Rollenspiele, Spiele mit Borderlinern oder Personen die anderweitig psychisch nicht gesund sind, Kauf/Verkauf und Ver-/Mietung, Spielarten, die in meinen Augen zu gefährlich sind, unsafer Geschlechts- oder Analverkehr ohne Test beider und Exklusivität, grundlose oder unangemessene Strafen, Tiersex, Strom (bis auf Reizstrom), Sex mit Männern

Tabus (lehne ich auch bei Dritten in vergleichbarer Situation ab): Illegales, BDSM mit Minderjährigem, Hypnose, CIS/Debris und ähnliche Konstellationen, Metakonsens, Sex an Kult- und Gedenkstätten

Der aufmerksame Leser wird schnell feststellen, dass da eine Menge fehlt. Dies hängt damit zusammen, dass es Spielarten gibt, die für mich sehr partnerschaftsabhängig sind. Ein einfaches Beispiel dazu: Mir persönlich bringt es nichts, eine Partnerin zu verleihen. Bei einer Frau, an die ich mich emotional gebunden habe, wäre es für mich sogar ein Tabu. Dennoch hatte ich eine intensive Spielbeziehung, in der dies schon vorgekommen ist. Sie stand total darauf und ich durfte sehr weitgehend und auch exklusiv über sie verfügen. Als Belohnung kam es vor, dass ich sie verliehen habe. Somit ist es zwar kein grundsätzliches Tabu und nicht mal eine Spielart, die mir persönlich etwas bringt, aber es wäre in gewissen Konstellationen möglich. BDSM ist etwas, das für alle Beteiligten einen Mehrwert haben sollte, und da ich gerne belohne und kein wirklicher Sadist bin, ist jenes Ziel für mich meist nicht schwer zu erreichen.

Mein Resümee
Über das was in einer Session möglich ist, sollte immer vorab kommuniziert worden sein. Wer es schnell und effizient haben will, der sollte besser mit Positivlisten arbeiten, für Sub und auch Dom ist es so weitaus sicherer und was bei beiden dann auf der Positivliste steht, dass kann eben sicher umgesetzt werden. Wer sich ein wenig mehr Zeit nimmt und wem es nicht nur um ein schnelles Spiel geht, der kann aber auch ganz ohne solche (Auf-)List(-ungen) auskommen und der schreitet gemeinsam mit seinem Partner in den abgesprochenen Grenzen voran. Dies erfordert mehr Kommunikation und Arbeit, denn weiterhin braucht es die Einwilligung und einwilligen kann nur wer weiß worin er/sie einwilligt. Dies kann sicher aber lohnen denn BDSM gemeinsam zu entdecken ist grundsätzlich schon sehr spannend und zudem ein Bereich in welchem sich die persönlichen Grenzen, durch Lust, Mut, Vertrauen und Neugier durchaus auch verschieben können :)


Kommentare:


Groschen schrieb am 14.02.2022


Naja... Also wegen den Gegenteiligen Meinungen gegen Listen... Mir fällt da ein etwas komisch anmutender, aber doch schöner Vergleich ein. Kann sich jemand vorstellen eine Enzyklopädie von vorne bis hinten zu lesen? Nicht wirklich, oder? Die Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, von Christian Rätsch, ist aber definitiv so ein Buch... Natürlich will ich nicht alles davon ausprobieren... Aber irgendwie erweitert das den Horizont zu einem spannenden Thema phänomenal, sogar Weltbild verändernd...
Ich hätte gerne eine Enzyklopädie der sadistischen Techniken...


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Besten Dank für deinen Kommentar

Vollmond schrieb am 15.09.2016


Vielen Dank für diesen Artikel Gentledom.
Ich kann diesen ganzen Listen/Aufstellungen nicht wirklich etwas abgewinnen. Für mich sind diese ganzen Listen zu statisch und die Gefühlsebene bleibt auf der Strecke. Ich möchte mit meinem (Spiel-)Partner unser gemeinsames BDSM entdecken, indem wir seine/meine/unsere Grenzen gemeinsam definieren und uns von unseren Gefühlen und nicht durch Auflistungen leiten lassen.


Antwort auf diesen Kommentar

Gern geschehen :)

Corina schrieb am 08.09.2016


Hallo Urlaubaer, ;)

wie schön, dass du uns vor deinem Urlaub noch mit einen deiner Gedankengänge verwöhnst.

Ich muss sagen, mir gefällt die Idee mit den positiven Punkten. Da mein Fokus eh auf eine Liebesbeziehung mit BDSM Aspekten liegt, würde es aber nicht als Liste sehen, die stupide abgearbeitet wird, sondern als Ansatzpunkte zum gegenseitigen Kennenlernen. Ich bin ehrlich, als Anfängerin kann ich allerdings nicht sagen, wo meine Vorlieben liegen, da ich es noch nicht erlebt habe. Warum nicht auch die Vorlieben seines Partners Gehör schenken? Schließlich ist es ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Ich kann eh nur sagen, was ich mir vorstellen kann und die Vorlieben zeigen und verändern sich ja auch Schritt für Schritt genauso wie das Vertrauen, dass während der Partnerschaft Schritt für Schritt wächst.

Ich sehe es nicht als ein schnelles Abarbeiten einer Auflistung an, so nach dem Motto, man schreibt gegenseitig seine Punkte auf und tauscht sie dann aus um zu sehen, wo die Schnittmenge seines Gegenübers liegt. Nein, auch hier finde ich es wichtig darüber zu reden, wieso, weshalb, warum..Gemeinsamkeiten im Gespräch zu entdecken. Ich muss aber auch gestehen, ich könnte mir auch vorstellen, durch Ausprobieren von den Vorlieben meines Partners vorstellen, die Grenzen und Vorlieben Schritt für Schritt gemeinsam zu ertasten und später zu erweitern.

Was gibt es Schöneres als gemeinsam neue Bereiche zu entdecken und nach ihrem Geschmack entsprechend zu würzen. Es gibt halt viele Möglichkeiten ohne das sie Kreativität in der Partnerschaft “beschneiden“. ;))

So ich hoffe, ich hab meine Gedankengänge einigermaßen verständlich rübergebracht. ;)

Liebe Grüße und einen schönen und erholsamen Urlaub. :))

Corina


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Danke für deine Gedanken und der Urlaub war sehr schön :)

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