Die Geschichte der O

Dann mache ich mich nun mal bei einigen Leuten unbeliebt. Die Geschichte der O ist scheinbar die Bibel für eine nicht gerade kleine Gruppe BDSMler. Mir liegt es fern etwas über den Inhalt zu schreiben, dies überlasse ich einer Bekannten, die das Buch denn auch gelesen hat:

 

„Die O ist eine submissive Frau, welche von ihrem Geliebten Rene auf ein Schloss namens Roissy gebracht wird. Dort lernt sie, sich dem Willen der dortigen Herrn zu unterwerfen. Aus Liebe zu Rene lässt sie sich daher zu einer „perfekten“ Sklavin ausbilden. Eine der wichtigsten Regeln ist es, jederzeit für jeden Herrn sexuell verfügbar zu sein.
Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung wird sie an einen neuen Herrn, Sir Stephen übergeben, was eine Art finale Aufgabe der Ausbildung darstellt und ihre Liebe zu Rene beweisen soll. Sir Stephen ist noch dominanter als ihr Freund und so entwickelt die O immer stärkere Gefühle für ihn, bis sie ihm ganz verfällt. Dieser legt aber viel Wert auf eine noch perfektere Ausbildung und so unterzieht sich die O auf dem Anwesen Samois einer noch viel heftigeren Erziehung.
Als Abschluss und Beweis ihrer endgültigen Unterwerfung erhält sie ein Branding und wird beringt. Die Erziehungsmethoden werden sehr detailliert beschrieben und das jeweils geltende Regelwerk wird geschickt innerhalb der jeweiligen Geschichte eingewoben.
Es gibt dann noch ein alternatives Ende, in dem sie nach der Ausbildung zu Sir Stephan zurückkehrt und dieser sie verlässt. Voller Trauer und da sie sich als sein Eigentum ansieht, bittet sie um Erlaubnis zum Suizid, was ihr von Sir Stephan dann auch gewährt wird.“


Von dem Buch und seinem Inhalt mag man literarisch halten, was man will. Mir erscheint das, was ich von dem Buch weiß, recht suspekt. Kurz, jemand wird gänzlich auf die Rolle Sklavin reduziert und findet darin die Erfüllung. Nett mögen manche Abschnitte ja für das Kopfkino geschrieben sein, aber in der Realität dürften sich dies weniger als 1% der BDSMler wirklich wünschen. Nach den Regeln der O ausgebildet zu werden oder gar zu leben, ist dennoch das offenkundige Bestreben vieler Subs und auch Doms. Ich glaube, in mehr als 95% der Fälle würden diese Subs aber, wenn sie wirklich in der Haut der O stecken würden (und nicht nur für eine Session), schnell unglücklich werden. Reduziert auf die reine Funktionalität Lustobjekt wird jeder Mensch schnell verkümmern. Unabhängig davon frage ich mich, ob wir wirklich BDSM reglementieren wollen. Was ich so schön daran finde, ist unter anderem eben keinen aufoktroyierten Regeln folgen zu müssen. Die individuelle Freiheit ist gerade hier besonders spürbar, ich kann mich so ausleben wie ich und meine Partnerin es wollen, abseits von sonst üblichen Regeln und Zwängen, die einem im Alltag allgegenwärtig sind. Sich inspirieren zu lassen, kann ich sehr gut nachvollziehen und hätte ich das Buch gelesen, hätte ich vielleicht den einen oder anderen Gedanken aufgenommen. Will ich meine eigenen Fantasien und Wünsche ausleben, dann werde ich mich aber davor hüten, einfach Fantasien zu kopieren, denn fremde können nie so passgenau sein, wie meine eigenen. Brauche ich ein Drehbuch werde ich es selbst erstellen, denn so kann ich dafür sorgen, dass es genau auf die zu erwartenden Umstände angepasst ist und selbst dann, behalte ich mir die Freiheit der Improvisation vor. Teile einer guten Geschichte zu übernehmen, kann ich sehr gut nachvollziehen. Warum auch nicht, stimmt die Darstellung mit den eigenen Bedürfnissen wirklich überein, ist das sicher nicht zu beanstanden. Was sich mir aber nicht erschließt, ist das Streben danach, nach den Regeln der O leben zu wollen. Vielleicht ist es schön, einer Gruppe anzugehören und bequem, sich nicht eigene Gedanken um Regeln machen zu müssen. Oder es ist auch nur die Vorstellung und ein tolles Kopfkino, welches sich beim Lesen erzeugt, auch umzusetzen. Vielleicht ist es evtl. aber einfach nur ein cooler Trend. Wer O oder Sir Stephan sein will, imitiert fiktive Persönlichkeiten und schlüpft damit in eine Rolle hinein. Beide Romanfiguren scheinen BDSM gelebt zu haben, für sie war es kein Spiel. Ein Leben kann man nicht nachleben, dafür ist es zu einzigartig, man kann es nur nachspielen und somit kann Sir XY nie ein wirklicher Sir Stephan sein, solange er dem Zwang unterliegt, alles so zu machen, wie es sein Vorbild tat. Jenes Vorbild war frei von solchen Zwängen, es lebte seine eigene Bestimmung aus. Für mich geht es bei BDSM darum, mein eigenes Selbst auszuleben und um das zu erreichen sind die einzigen Vorgaben für mich die Tabus meiner Partnerin, Gesetze (mit Ausnahme vielleicht des § 118 OWiG bei Sex an öffentlichen Orten) und meine eigene Moral.


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