Wie BDSM die eigene Persönlichkeit beeinflusst hat

Für mich ist die Grundlage jeder Persönlichkeitsentwicklung die Selbsterkenntnis. Ohne zu wissen, was ich bin, kann es kaum eine gelenkte Veränderung geben. Danach folgt die Selbstanalyse, welche daraus besteht, die gewonnene Erkenntnis zu bewerten und zu entscheiden, ob ich mit dem Status zufrieden bin oder diesen verändern will.

Gibt es den Wunsch nach einer Veränderung, welche eben auch partiell sein kann und nicht umfassend sein muss, dann ist der finale Schritt die Selbstveränderung. Alle Schritte sind dabei ineinander verzahnt, denn nur wenn ich die jeweilige Entwicklung im Auge habe und bewerte, ist eine optimale Veränderung möglich und ich glaube, es ist dabei wie mit dem Lernen: diese Prozesse dauern ein Leben lang an und werden nie abgeschlossen sein.

Viele BDSMler die ich kenne, haben durch BDSM ihre Persönlichkeit verändert, die einen in positiver Art und Weise, wobei häufig vor allem Lebenslust, Offenheit und Selbstvertrauen zu nennen sind, andere hingegen durch den Verlust von Selbstständigkeit, neuen Ängsten und Frustration. Unterm Strich dürfte aber der Anteil derer überwiegen, die mehr positive als negative Veränderungen erfahren durften.

Als ich BDSM mit 22 Jahren für mich entdeckt habe, war mein Charakter ganz sicher noch nicht ausgereift. Aber selbst in den Phasen, in denen es mir sehr, sehr wichtig war und ich nach möglichst vielen Erfahrungen gestrebt habe, gab es immer noch viele andere Faktoren in meinem Leben, die mich beeinflusst haben. BDSM war immer nur eine Facette und bis auf wenige Jahre gab es auch keine Zeit, in der ich nicht auch ganz gut ohne BDSM ausgekommen wäre oder auch bin.

Mein Selbstbewusstsein dürfte als Grundlage ein stabiles und liebevolles Elternhaus gehabt haben. Einen großen Schub erhielt ich als Leistungssportler, dort wurde ich von einem selbstbewussten, aber eher introvertierten Menschen zu einem extrovertierten Typen. Mit den Jahren merkte ich, dass es mir selbst zu viel war und daraus entwickelte sich mein aktuelles Selbstbewusstsein. Rampensau bin ich heute nur noch sehr selten, aber für ein gesundes Ego braucht es das nicht, es geht doch vielmehr darum, in sich zu ruhen, seine Stärken und Schwächen zu kennen und mit sich recht zufrieden zu sein.

Für meine Bindungsfähigkeit dürfte BDSM sogar negativ gewesen sein, in meiner Sturm- und Drangphase, die über einige Jahre ging (ich denke so zwischen dem 28-35 Lebensjahr), gab es immer mehrere Subs parallel und ich glaube, das wird auch dazu geführt haben, dass ich erst später als andere weniger nach dem Kick und mehr nach dem Menschen fürs Leben gesucht habe.

Inzwischen kann ich meine Prioritäten klar benennen und auch wenn mich der Kick immer noch reizt, ist es nicht das, was mich am stärksten umtreibt. Auf meine Art, andere zu führen, dürfte BDSM keinen Einfluss gehabt haben. Beim BDSM sind mir da klare Strukturen, Konsequenz und ein starker Führungsanspruch wichtig. Wenn ich aber Mitarbeiter führe oder meine Interessen in Gruppen durchsetzen will, habe ich einen stark kooperativen Führungsstil und regele Sachen gerne eher aus dem Hintergrund.

BDSM dürfte mich auch nicht ausgeglichener und in mir ruhender gemacht haben, diese Eigenschaften rühren von anderen Faktoren, aber wohl nicht von BDSM. Ob BDSM mich glücklicher gemacht hat, keine Ahnung, ich weiß nicht, wie mein Leben ohne diese Neigung verlaufen wäre. Klar ist man nach einem schönen und intensiven Wochenende zufrieden und grinst breit, das kann ich aber auch bei einem Wochenende haben, das mit anderen Aktivitäten gefüllt war. Für meine Neugier war BDSM gut, aber ich glaube, ich wäre dann in anderen Bereich neugieriger gewesen, hätte es BDSM nicht gegeben.

Ich glaube auch nicht, dass mich meine Neigung bzw. das Ausleben derselben mehr open minded gemacht hat, dafür bin ich auch so zu interessiert auf neue Erfahrungen, Menschen, Kulturen und Genüsse. Natürlich wird BDSM dennoch direkt oder indirekt einen Einfluss auf meine Persönlichkeitsentwicklung genommen haben, allein schon dadurch, dass ich durch diese Spielart mit vielen Menschen in Kontakt gekommen bin, die ich sonst in meiner Bubble nicht kennengelernt hätte. Aber ich glaube, auch durch andere Aktivitäten kann man solche out oft he box Erlebnisse haben. Hier fallen mir immer wieder spannende Begegnungen ein, die ich mit Einheimischen hatte, wenn ich im Ausland war, oder wenn ich ganz andere Typen von Menschen kennenlerne, weil ich mich in einem offenen Umfeld bewege.

Bei der Empathie denke ich, man lernt diese ja nicht nur durch BDSM, aber sie hilft beim BDSM, gerade wenn man auf der Domseite aktiv ist. Wie wäre ich also ohne die BDSM-Neigung geworden? Vielleicht hätte ich mich früher etwas intensiver um die Familienplanung gekümmert, aber ich glaube, ansonsten wäre mein Leben nicht viel anders gelaufen. Aber das ist eben meine Entwicklung. Bei anderen Personen kann ich mir durchaus vorstellen, dass BDSM einen weitaus größeren Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung hatte, habe ich doch selbst in Beziehungen erlebt, wie ein eher zurückhaltender Charakter viel offener und selbstsicherer wurde. Dennoch stellt sich an diesem Punkt die Frage, ist das eine Entwicklung, die dauerhaft ist oder verliert sich dies wieder, wenn das Element BDSM/-Partner fehlt? Für mich ist eine Persönlichkeitsentwicklung nur dann abgeschlossen, wenn sie nachhaltig und stabilisiert ist.

Also dann, was sind eure Erfahrungen mit Persönlichkeitsveränderungen durch BDSM?


Kommentare:


Shana schrieb am 13.10.2022


Hallo Fee,
hallo Anke,
ich bin heute nach langer Zeit wieder auf die Gentle-Seiten "gekommen, weil ich mich seit gewisser Zeit die Frage stelle, ob BDSM für alle und immer gut ist und wie weit es für devote Partner die Frage des Glücks ist, einen dominanten Partner zu haben, der keinen Schaden "einrichtet", sei es gewollt oder ungewollt.

Die im Artikel von Gentle gestellte Frage - "ob die Persönlichkeitsentwicklung durch BDSM dauerhaft ist oder sich verliert, wenn das Element BDSM/-Partner fehlt" - ist eine Frage, die es wert ist, sich selbst öfter zu stellen.

Ich denke, dass BDSM (für die devoten Partnern) einen wunderbaren Rahmen geben kann, sich stark mit sich selbst auseinander zu setzen, sich zu spüren, in Emotionen und Empfidungen einzutauchen, zu reflektieren und dabei Parallelen zum eigenen Verhalten im Alltag aufzudecken und sich damit besser zu verstehen. Mir, einer Sub, verschafft BDSM richtige AHA-Momente und auch das liebe ich an BDSM. (... muss nicht jedermanns Sache sein.)
Jedoch ist die Gefahr gerade für devote Partner, die enge Bindung mit ihrem Dom eingehen (DS-Beziehungen) groß, dass sie Abhängigkeiten entwickeln, die irgendwann nicht mehr gut tun. In dieser Abhängigkeit ist es sehr schwierig den Cut zu machen. ... und spätestens hier sollte die Frage kommen, was macht BDSM mit meiner Persönlichkeit. Tut es mir noch gut? Richte ich nicht mein Leben nach BDSM, statt es mit Leichtigkeit zu genießen? Was brauche ich dazu, um BDSM als eine Bereicherung und mit Leichtigkeit leben zu können?

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mich darüber mit anderen Subs austauschen kann.

Danke dafür, dass diese Frage hier gestellt wurde.

Liebe Grüße
Shana



Antwort auf diesen Kommentar

Wir haben in der Community und im Forum Subgruppen, wo man sich untereinander und im geschützten Rahmen austauschen kann :)

Traurige schrieb am 10.10.2022


Fasziniert hat mich BDSM schon sehr früh in meinem Leben, wobei ich damals noch nicht wusste, dass diese Sehnsüchte einen Namen haben. Mir kam es damals falsch vor, und ich war überzeugt, dass mit mir etwas nicht stimmen kann, weil diese Sehnsüchte so gar nicht in die gesellschaftlich anerkannten Regeln vom Kontakt mit dem anderen Geschlecht passen wollten.

Den Mut, mich eingehender mit der Thematik zu befassen, habe ich erst aufgebracht, als ich an einem Punkt in meinem Leben gestanden habe, an dem ich erkannt hatte, dass es Zeit ist, mich um meine eigenen Bedürfnisse zu kümmern und nicht nur stets zu versuchen, die Erwartungen meines Umfelds an mich um jeden Preis zu erfüllen.

Für mich tat sich da eine ganz neue Welt auf, nicht nur sexuell. Plötzlich öffnete ich mich, traute mich so zu zeigen, wie ich wirklich bin, kam mit Menschen ins Gespräch, die ich sonst wohl nie kennengelernt hätte. Es war sehr bereichernd, so viele verschiedene Menschen kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen.

Ja, es war eine Befreiung und auch meine langjährige Beziehung bekam frischen Wind. Wir redeten wieder mehr miteinander und auch auf eine andere Weise. Das wirkte sich nicht nur auf unsere Sexualität aus, sondern auch auf unsere Beziehung allgemein und auch auf unsere freundschaftlichen Beziehungen. Seine bis dahin extreme Eifersucht besserte sich enorm. Auch er wurde offener und experimentierfreudiger.

Wir haben viele glückliche Jahre dadurch erleben dürfen.

Doch irgendwann geriet diese Entwicklung ins Stocken, zumindest aus meiner Sicht. Vermutlich liegt es daran, dass sein Hunger nach BDSM nicht so groß ist wie meiner.
Rückblickend ist es faszinierend für mich, wie sehr ich mich früher vor BDSM in meiner Beziehung meinem Mann untergeordnet habe, von Anfang an. Ich hatte mich total auf ihn und seine Wünsche fixiert. All mein Streben war darauf ausgerichtet, ihn glücklich zu machen.

Allerdings war die Erkenntnis, wie sehr mich das von anderen Menschen isoliert und wie klein und hilflos mich das gemacht hatte, bitter.

Meine langjährige Beziehung begann ich daraufhin mit immer kritischeren Augen zu sehen. Man könnte auch sagen, ich habe im Laufe der Zeit endlich meine rosarote Brille abgesetzt und habe die Dinge realistisch eingeordnet und hinterfragt. Dabei habe ich einige äußerst unschöne Dinge entdeckt.

Ich lernte einen Dom kennen, zu dem ich von der ersten Sekunde an sofort einen besonderen Draht hatte. Auch er schien das zu spüren. Aber ich war ja gebunden.
Also Schreiben mit angezogener Handbremse. Frustration auf beiden Seiten. Schließlich ein Streit, dann Funkstille. Noch nie im Leben hat mir ein Streit mit einem Menschen und die anschließende Funkstille solchen Schmerz zugefügt. Ich knabbere immer noch daran, es tut scheußlich weh.
Im Moment versuche ich, mit diesem Schmerz klarzukommen.

Meine langjährige Beziehung steht auf dem Prüfstand und ich weiß nicht, was das Ergebnis dieser Prüfung sein wird. Es ist so viel passiert.

Leider merke ich zurzeit, wie meine Persönlichkeitsentwicklung, die durch die Beschäftigung mit BDSM angestoßen wurde, rückwärtsläuft. Ich ziehe mich zurück, meide den Kontakt mit Menschen, ganz gleich, ob es BDSMler sind oder nicht.

Meist bin ich traurig und niedergeschlagen, denn ich weiß, dass mit meinem langjährigen Partner niemals ein Ausleben meiner Neigung möglich sein wird, wie ich es mir wünschen und wie ich es brauchen würde. Es gab viele falsche Versprechungen und Enttäuschungen.

Was die Zukunft bringt? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eins:
Ich will nicht mehr einfach nur abwarten, wie es sich entwickeln wird. Ich möchte meinem langjährigen Partner nicht mehr die Führung überlassen und darüber unglücklich werden.
Ich habe nur dieses eine Leben und das möchte ich gerne glücklich leben.


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Ich drücke dir ganz fest die Daumen und kann mich hier nur für die EInblicke bedanken!

Steffi schrieb am 15.08.2022


Interessanter Blickwinkel, die Persönlichkeitsentwicklung mit BDSM zu verknüpfen. Danke schonmal dafür :-) Bei mir hat BDSM keinen Einfluss gehabt, da ich nie die Möglichkeit hatte, es wirklich kennenzulernen. Im Nachhinein denke ich aber, dass das auch gut so war, denn ich wäre früher von meiner Persönlichkeitsstruktur her wahrscheinlich schnell in eine Abhängigkeit gerutscht, die von manch einem ausgenutzt worden wäre. Und jetzt, wo ich in mir gefestigt bin, habe ich kein großes Interesse mehr, BDSM zu leben. Somit hat, wenn überhaupt, das Fehlen von BDSM meine Persönlichkeit beeinflusst. Da ich ein optimistischer Mensch bin, gehe ich davon aus, dass es mich im Guten geprägt hat ;-)


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Und Optimismus ist fast immer eine gute Eigenschaft :)

Anke schrieb am 12.08.2022


Bei mir sind die Erfahrungen recht gemischt. Zu Anfang hat sich mein Selbstwertgefühl gesteigert und ich bin viel ausgelichener und offener geworden. Meine ersten beiden Doms waren tolle Menschen und einer hat mich sogar in meinem Studium extrem motiviert. Leider kam danach einer der mich missbraucht hat, er hat mich in eine Abhängigkeit geführt und mich kleingemacht, hat mich isoliert von Freunden und hat sich nach einiger Zeit über meine Tabus hinweggesetzt. Ich bin in seine Falle getappt.

Das ist inzwischen viele Jahre her und aktuell überlege ich wieder es mit BDSM zu versuchen. Ich bin aber sehr misstrauisch geworden und bei Bezugspersonen habe ich, außerhalb der Familie, durch diese Erfahrungen, ein großes Vertrauensproblem entwickelt. Vielleicht kann ein neuer Dom meine Wunden heilen.


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Vielen Dank für diesen sehr persönlichen Einblick!

Fee schrieb am 11.08.2022


BDSM auszuleben hat definitiv einen großen Einfluss auf meine Persönlichkeit gehabt. Da ich aufgrund meines extrem konservativen Umfelds sehr lange dafür kämpfen musste, mich im BDSM-Bereich, der mich schon immer interessiert hat, endlich auszuprobieren, war das für mich wie ein Befreiungsschlag. Das Gefühl, nicht mehr Teile meiner Persönlichkeit unterdrücken zu müssen, hat mich deutlich selbstbewusster und zufriedener gemacht.
Im Gegenzug haben mich diverse negative Erfahrungen, die ich mit BDSM-Partnern gemacht habe, leider auch sehr beeinflusst. Ich war früher ein Mensch, der sehr leicht anderen sein Vertrauen schenkt, das tue ich nun nicht mehr, was ich eigentlich schade finde.


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Hallo Fee,

vielen Dank für deinen Kommentar. Es ist spannend zu sehen, dass es hier andere Arten von Kommentaren als in der Community gibt, wo nur die positiven Seiten dargestellt werden. Vielleicht liegt es daran, dass in der Community die Leute auf der Suche sind und daher tendenziell eher die Freuden im Auge haben oder auch potentielle neue Partner nicht abschrecken wollen.

Was du schreibst habe ich im Bekanntenkreis schon öfters gehört. Ich denke damit bist du (leider) nicht allein.

Liebe Grüße

Gentle

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