Der normal-verrückte Tag einer „Teilzeit“-Orga

Nachdem mich nun einigen darum gebeten haben, kann ich nun nicht anders, als dieser Bitte zu folgen:

Wer den Posten der Orga eines Stammtisches übernimmt denkt sich zu Anfang, „kann ja nicht so schwer sein. Ich stell nen Termin rein. Die Leute melden sich an. Ich such ein Restaurant, reserviere einen Tisch und schicke eine PN mit der Adresse raus.“

Klar, klingt easy und unspektakulär. Aber als Orga sieht der Ablauf ganz anders aus. Man kümmert sich um „Neulinge“, um Gäste – zum Teil sogar um deren Unterbringung, Anfahrt und Wohl. Muss auf die einzelnen Wünsche eingehen (Veganer, Vegetarier und die blutrünstige Fleischfresser) und auch bei den Anmeldungen kommt es zu den Einen oder Anderen Rückfragen, Änderungen, Nachzüglern und Leuten, die sich gar nicht mehr melden.

Es ist nicht das erste Mal das ich einen Stammtisch mitorganisiere und aus Erfahrung weiß ich, dass immer alles anders kommt, als geplant. Man ist regelrecht darauf getrimmt, dass es einfach anders kommen muss.

Aber reden wir nicht um den heißen Brei... ich erzähle euch einfach von einem normal-verrückten Tag einer „Teilzeit“-Orga.

Der Wecker klingelt. 8 Uhr. Oh man und das an einem Samstag. Aufstehen und erst einmal kaffee machen. Ansonsten ist mit mir nichts anzufangen. 20 Minuten später
klingelt mein Handy. Eine SMS.

„Moin Süsse... ich würde dann gerne, wenn ich dürfte, heute Abend mit zum Stammtisch gehen. Ganz lieb schau.“


Ich musste grinsen und antwortete sofort. „klar, sehr gern!“ Hey, wenn schon jemand hunderte von Kilometern fährt und rein zufällig in der Nähe ist und dabei sein möchte, warum nicht?

Nachdem ich nun endlich wach geworden war, traute ich mich in die Dusche und dachte darüber nach, was ich denn am Abend anziehen könnte. Frauen hatten ja grundsätzlich nichts im Schrank, also musste ich doch noch einmal los.

Nach der Dusche organisierte ich dann den Tagesablauf. Erst musste ich einen heute anreisenden Gast einsammeln, mich mit meinem Patenkind treffen, meinen
Überraschungs-Special-Gast abholen und dann zum Stammtisch. Der vorher geplante Shopping-Wahnsinn im P-Handel würde für mich ausfallen. Zeitlich war das nicht drin. Zum Glück kümmerte sich der Mitorganisator um die Shopping-Truppe, sonst hätte ich ein arges Problem. Ein weiterer Vorteil, wenn zwei die Orga machen.

Nun denn. Zeit war knapp. Ich ging los um meine Abendgarderobe zu finden. Ich fuhr extra in ein Einkaufszentrum indem es nur so von Menschen wimmelte. Eine wahre Tortur für ein Menschenscheues Wesen, dass dazu noch Shoppen absolut nicht ausstehen konnte. Aber was sein muss, muss sein.
Nach ca. 2,5 Stunden fand ich alles, nur nichts zum Anziehen. Toastbrot, Mülltüten und Käse. Das war meine Ausbeute. Ob es wohl gegen die Stammtisch-Regeln verstieß, wenn man als Lebend-buffet auftauchte?

Schnell nach hause. Einkauf verstauen und die restlichen privaten und forumsfremden Verantwortlichkeiten erledigen. Man hat ja noch ein Leben. Und ich musste wieder duschen. Wieso musste es heute eigentlich so heiß sein?

Nun musste ich noch zu meine Mutti „etwas“ abliefern und dann fing der Spaß erst richtig an. Ich setzte mich also in die Sbahn und machte mich wieder auf dem Weg. Unterwegs musste ich dann an meinen Gast denken. Wir hatten zwar die Nummern ausgetauscht, aber bisher hatte weder ich mich bei ihr, noch sie sich bei mir gemeldet. Na hoffentlich hatte ich die richtige Nummer notiert. Ich sollte mich unbedingt mal bei ihr melden. Doch dann wurde ich von einer etwas älteren Dame abgelenkt. Sie verwickelte mich in ein Gespräch – Mensch war ich kommunikativ trotz Stress.

Irgendwann schaute ich auf und dachte mir so: „Häh? Den kennst du doch.“ Und trat aus – da stand doch glatt der Mitorganisator mit zweien der Shopping-Queens
vor mir. Welch Zufall. Es war mir schon peinlich, dass man mich in meinem „Hey-ich-hatte-es-eilig-und-es-war-dunkel-Outfit“ antraf, aber naja, ich konnte es nicht mehr ändern. Die drei waren auf dem Weg zum Treffpunkt für den Shopping-Wahnsinn. Kurz drei Sätze ausgetauscht und jeder machte sich wieder seiner Wege.

Zwischendurch bekam ich die ersten Nachrichten: „Wo war der Stammi nochmal?“ , „wann war der Stammi?“ - „Treffen wir uns am Bahnhof?“, „Ist es auch die Richtige Straße?“ usw. Das übliche Chaos, aber es beruhigt mich. Das zeigt, dass die Leute genauso aufgeregt und vllt. Sogar etwas nervös waren, wie ich.

Bei meiner Mum gab es dann einen Beruhigungs-und-Entspannungskaffee, aber wie Mütter so sind: erzählen sie und erzählen und du hörst zu und hörst zu – bis du dann merkst, verdammt! Du musst los! Als ich an der Straße stand merkte ich dann zufällig, dass mein Handy vibrierte – Anruf – ich ging ran. Es war mein Gast. Sie wollte sichergehen, dass ihre SMS angekommen war. Verdammt, welche SMS? Sie würde 30 Minuten später kommen. Puh! Gott sei dank! Ich hätte es
eh nicht rechtzeitig geschafft. Ich versicherte ihr, dass alles ok war und war wieder tiefen-entspannt. Auf der Fahrt zum Abholort schrieb ich dann Patenkind und Überraschungs-Special-Gast, dass sich der komplette Zeitplan um ca. 30 Minuten nach hinten verschob. Überraschungs-Special-Gast war sogar sehr froh darüber und konnte sich so noch einmal ausruhen – ja, das hätte ich auch gern.. ein Nickerchen wäre toll. Aber NIX DA! Weiter gehts. Die Zeit läuft.

Dann wieder: Anruf. Der Mitorganisator. Zwei seiner Shopping-Leute waren noch nicht erschienen. Es handelte sich um den zukünftigen Fetisch-Dom und seiner besseren Hälfte. Da ich die Nummer von ihm hatte rief ich ihn an. Erreichte ihn nicht. Notlösung her. Rückruf kam und während der Fahrt zum Abholgast begann die Umkoordination. Es endete damit, dass ich dem einen die Nummer des anderen zusteckte. Das war einfacher. Wieso mussten Männer es immer so schwierig machen?

ca. 15 Minuten nach Ankunft am Abholort kam auch schon mein Gast entgegen. Schnell wieder zum S-Bahnhof und zu mir. Umziehen, frisch machen, Gesicht richten –
man wollte ja niemanden erschrecken. Dann ging es weiter. Wollte ich nicht eigentlich die einzelnen Routen ausdrucken? Naja, musste so klappen. Einfach zielstrebig und wissend auftreten, das funktioniert immer. (Ja, ich oute mich: Ich hatte keine Ahnung wo wir hinsollten ;) )

Endlich kamen wir an. Ich schrieb meinem Patenkind und dem Überraschungs-Special-Gast unseren Standpunkt. Erst kam mein Patenkind, flüchtete aber noch schnell zu Starbucks – brauchte er wirklich einen Kaffee oder suchte er einen Hinterausgang, um sich dann von der Hausfassade herunter zu hangeln,
nur um der Gruppe perverser entkommen zu können? (Danke an meinen Gast für dieses ausgesprochen amüsantes Kopfkino!)

Dann kam mein Überraschungs-Special-Gast. Wir warteten also zu dritt auf das Patenkind. Ich schaute schon zur Häuserfassade hoch, weil ich jeden Moment damit rechnete ihn dort zu erblicken – aber nein! Scheinbar waren wir doch recht normal, denn er kam mit freudestrahlend mit einem Becher zurück.

Nun machten wir uns endlich auf den Weg zum Stammtisch. Kurze Fahrzeit und als wir ausstiegen sah es auf meinem Navi eigentlich gar nicht so weit aus. Trotzdem hatten wir das Gefühl, wir würden ewig laufen. Mein Überraschungs-Special-Gast fragte auch gefühlte 100mal „Sind wir schon da?“ und dann fing mein Patenkind: „Ist das der richtige Weg? Bist du dir sicher?“

Verdammt! Nein! Woher soll ich das denn wissen?, dachte ich mir. Aber nach außen hin charmant, wie eh und je: Vertraust du mir nicht? (also wenn ich ehrlich bin: ich würde es nicht!)

Durch Zufall sah ich dann, dass ich mehrere anrufe in Abwesenheit hatte. Unser Grashüpfer hatte angerufen und ich rief zurück. Sie meinte, sie wäre dort, aber die anderen nicht. Panik. Oh gott, nicht das ich sie zum falschen Restaurant geschickt hatte. Mitorganisator anrufen – klären. Er ging nicht ran. Puls geriet ausser Kontrolle. Dann ein Rückruf vom zukünftigen Fetisch-Dom, alles war gut. Grashüpfer war gelandet.

Wir kämpfen uns derweil zu viert durch die Biermeile zum Restaurant, gingen hinein und gott sei dank, wir waren richtig. (ja es tut mir leid – ich habe mir den verdammten Namen nicht gemerkt!)

Endlich da – allen hallo sagen, viele Umarmungen, Vorstellungen – denn nicht alle kannte ich persönlich. Nach einer halbstündigen
Knuddel-Drück-und-wie-schön-ihr-seid-da-Session und der Übergabe von zwei Milchmädchen-Tuben an mr. Pervers (Sry!), setzten wir uns und bestellten Essen und Getränke.

Es war ein buntgemischter Haufen und jeder Sprach mit jedem. Die Plätze wurden getauscht, Angestossen und gelacht. Einige der Highlights möchte euch nicht vorenthalten.

Neben den göttlichen „Sandalen“ der Schuh-Königin, lernte ich auch einige Menschen kennen, mit denen ich zwar schon länger schrieb, aber noch nie vorher gesehen habe. So war es zum Beispiel die Ankunft der Hübschen und von meiner fast-Patentochter. Beide Ankünfte haben mich persönlich wahnsinnig gefreut. Bei der Hübschen, weil ich sie nun endlich mal live und in Farbe zum Anfassen da hatte. Ein wahnsinnig süßer und lieber Mensch. Einfach zum Gern haben. Bei meiner fast-Patentochter, weil sie sich getraut hat und den Schritt zum Stammtisch mit der Lady gewagt hat. Ein großes Danke meinerseits an die Lady. Ich hoffe, du weißt, dass ich dich damit meine. Die Lady hatte ich zwar vorher schon getroffen, aber natürlich war ein wiedersehen immer eine schöne Sache. Erst Recht, wenn die Person einem vom ersten Moment an Sympathisch war. Doch an diesem Abend wurde sie mir noch sympathischer. Oh wie ich es genossen habe, in ihrem Namen die Hübsche hinein zu zitieren. Das Funkeln ihrer Augen wird mir noch eine Weile in Erinnerung bleiben.

Aber nicht nur schöne Momente gibt es auf einem Stammtisch. Zumindest musste ich auch diese Erfahrung machen.

Nachdem ich vom Essen gestärkt war, wagte ich es mich Mr. Pervers entgegen zu stellen. Beim letzten Stammtisch hatte er uns von seiner Vorliebe für Milchmädchen-Tubenerzählt und ich hatte versprochen, ihm zwei Tuben mitzubringen. Dieses Versprechen hatte ich eingelöst und nun wollte ich es wissen. Ich wollte sehen, dass er diese Tube auslutschte. Er strahlte über beide Ohren und ich war gebannt von dem was ich da sah. Die Tube wurde aufgedreht. Sicherheitsfolie entfernt und dann schwupst in den Mund damit und ich sah ihm an, wie sehr es ihm gefiel und schmeckte. Alle um mich herum lachten. Nicht über ihn, eher über die Verkrampfungen in meinem Gesicht. Eine Mischung aus Faszination und abgrundtiefen Ekel. Kennt ihr das? Wenn etwas so eklig ist, dass ihr würgen möchtet, aber anstatt euch wegzudrehen starrt ihr hin? So ging es mir.

Er zeigte mir sogar, wie der Inhalt dieser ominösen Tube aussah und ich musste an Sperma denken. Irgendwie überzeugte er mich auch davon, es mal zu probieren, also bekam ich etwas auf dem Finger. Also die Konsistenz erinnerte ebenfalls an Sperma. Augen zu und durch! Ich probierte. Erst süß und dann irks.. Oh gott – NIE WIEDER! Das war soooo eklig. Sorry, manch einer mag das ja. So Mr. Pervers und die Liebe Neue, die neben ihm saß.

Also bei mir wird die Milchmädchen-Tube definitiv einen Platz auf der Tabuliste erhalten. Kein schönes Erlebnis, aber ein Bleibendes.

Das war das einzige „negative“ Erlebnis an diesem Abend, dafür gab es Unmengen an schönen. Worte, die mir die Tränen in die Augen trieben und Worte, die mich innerlich schmunzeln ließen. Immer wieder saß ich da und beobachtete die Anwesenden. Die Reisende, eine Frau mit einer unglaublich warmen Ausstrahlung, die Hübsche, die nur am Strahlen war. Der Große, der immer einen Spruch parat hatte, der Mitorganisator, der wir ein riesiger Knuddelbär da saß und sich mit den anderen unterhielt. Die liebe Neue, die vorher soviel Panik hatte und sich scheinbar wohl fühlte, den Gesprächen lauschte und ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen hatte. Ich genoss diese Momente still für mich.

Doch irgendwann war es auch Zeit zu gehen. Einige wenige waren bereits aufgebrochen und wir waren nur noch 16 Leute. Nachdem wir gezahlt hatten und einen Ouzo auf Ex (ja, auch ich habs geschafft :D ), war für uns klar – wir ziehen weiter. Eigentlich war der Plan gewesen, die Biermeile noch unsicher zu machen. Aber da hätten wir nur noch 10 Minuten für gehabt –
wer kam eigentlich auf diese bescheuerte Idee, so eine Meile um 12 Uhr zu schließen? Naja, war vielleicht auch gut so.

Wir machten uns also auf den Weg. Ich betätigte mich als Schülerlotse und versuchte die Gruppe gemeinsam mit Mitorganisator geschlossen über die Hauptstraße zu bringen. Fast hätten wir es geschafft. Wäre ich nicht so langsam und feige gewesen. Aber man wartete ja gern auf mich. Wieder kämpfte ich mich an die Spitze unsere Zuges. Immer wieder ein prüfender Blick nach hinten - „Sind wirklich alle da? Kurz durchzählen.Nicht das wer verloren geht.“

Hinter mir lief eine Reihe von 4 (?) Leuten händchen haltend. Aus Spaß meinte ich: „Zeit für eine Laola-WElle“ und tatsache – sie machten es! Wow! Gut, jetzt von vorne. Ich an der Spitze und bis zum letzten Mann. Sie machten wirklich mit. Die Stimmung war gut und ich fühlte mich mehr als aufgehoben in dieser Gruppe „Verrückter“. Dann hörten wir schon von weitem einen Dudelsack und der Große rief: „Da will ich hin!“ - Klar! Wieso eigentlich nicht?

An der Ecke war bereits ein Menschenauflauf und wir stellten uns einfach dazu. In der Mitte waren wir Musiker, zwei mit Trommeln (einer größeren und einer kleinen) und zwei mit Dudelsäcken. Es war toll. Nicht nur Musikalisch, auch der Anblick war lecker. Ähm, ich meine gut. Räusper

Die Musikanten trugen Lederoutfits und der eine sogar ein recht knappes. Wir fragten uns wirklich, ob er etwas drunter trug. Schade, wir werden es nie erfahren. Mein Gast und ich hatten ernst überlegt, mal hinzugehen und nach zu fragen. Aber getraut hat sich dann doch keiner. Wir sind ja schüchtern.

Nach einer viertelstündigen Show machten wir uns aber weiter auf den Weg. Es war eine gefühlte Ewigkeit und bei insgesamt 4 Bars standen wir kurz und überlegten, ob wir uns hier niederlassen sollten. Wir wollten ja draußen sitzen – für drinnen war es einfach zu warm.

Am Ende unserer Reise saßen wir dann doch drinnen. Manche genoßen einen Höhepunkt, einen Happy Days oder ein einfaches Bier.

Ich führte ein interessantes Gespräch mit meinem Patenkind und er fragte mich: „Was meinst du wo die Gesellschaft heute bezüglich Sexualität steht?“ und ich antwortete eiskalt: „Ganz ehrlich, mich interessiert die Gesellschaft nicht.“ Heute möchte ich das gern ändern. Denn ich selbst entscheide darüber, wer zu meiner Gesellschaft gehört und die Stammtisch Gesellschaft steht zumindest für mich zwischenmenschlich sehr weit oben. Es sind für mich nicht nur einfach Menschen mit denen ich etwas teile. Sondern es sind mittlerweile viele Freunde mit denen ich Lachen und Weinen kann. Mit denen ich über das Wetter, Gott, die Welt und die Lust reden kann. Menschen, die mich manchmal besser kennen, als ich mich und diese Menschen können mir gar nicht egal sein.

 

Es berichtete Teilzeitorga May

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