Toleranz, Skepsis und was dazwischen liegt beim BDSM

Als ich folgende Mail erhielt kam mein Gedankenkarussell doch ganz schön in Schwung:

Hallo Gentledom, ich habe ein Problem bei dem Du mir hoffentlich weiterhelfen kannst. Mich reizt, schon seit ich in der Pubertät war, der Gedanke eine schwarze Frau zu quälen. Bitte verstehe das nicht falsch, mein Freundeskreis ist multiethnisch und ich bin alles andere als ein Rassist, dennoch lässt mich der Gedanke einfach nicht los eine schwarze Frau als absolut gehorsame Sklavin zu haben und dies auch beständig auszunutzen. Liebe Grüße X

Zuerst hinterfragte ich die Gesinnung, als ich mir halbwegs sicher war, dass das „ich bin kein Rassist und mein Freundeskreis ist multiethnisch“ nicht nur so daher gesagt war, gab ich folgende Antwort.

Lieber X,

ich bin jemand der Gleichberechtigung als sehr wichtiges Gut einer aufgeklärten Gesellschaft ansieht und hoffe, dass wir uns diesem Idealzustand noch weiter annähern als es bereits geschehen ist. Dennoch habe ich Freude daran eine Frau sexuell zu benutzen, sie mitunter auch zu bestrafen und mir meinen Spaß zu holen. Auf den ersten Blick ist das ein Machoverhalten aber schaut man genauer hin, sind die Unterschiede zu einem Macho sehr einfach und schnell zu finden. Ich mache so etwas nur mit jemanden der daran eben auch Freude hat, zudem mag ich es mit der Lust der Partnerin zu spielen und mir ist es durchaus ein Anliegen, dass auch sie unterm Strich auf ihre Kosten kommt.

Ich kann dein Problem nur zu gut verstehen, gerade wenn die eigene Neigung und das eigene Weltbild (und an der Stelle absolute Gleichheit der Menschen teile ich deins) damit im Konflikt zu stehen scheint. Natürlich kommt bei dir noch die Komponente Rasse neben dem Geschlecht hinzu aber es wird Gründe geben, warum dich gerade dieses Szenario so reizt und diese können sehr vielfältig sein. Vielleicht hast du als Kind Bücher gelesen oder einen Film gesehen oder es gab eine dunkelhäutige Freundin, die eben diesen Wunsch in dir geweckt hat. Solche Prägungen suchen wir uns nicht bewusst aus und wir können diese auch immer nur bis zu einem gewissen Grad selber beeinflussen. Vielleicht sprechen dich dunkelhäutige Frauen eben ganz unabhängig von der BDSM Komponente besonders an, dann würde ich mir da mal so gar keinen Kopf drum machen, jeder hat eben seine Vorlieben. Ich fühle mich sexuell zu schlanken/sportlichen Frauen hingezogen, das ist ebenso eine Vorliebe wie eben ein Hauttyp, die Körper-/Körbchen- oder was auch immer an Größe und ich empfinde keinen Hass gegenüber meinen favorisierten Frauentyp, es ist schlichtweg eine Frage der körperlichen Anziehung verbunden mit meiner sexuellen Neigung.

Die sexuelle Veranlagung für Dominanz und Devotion gibt es in jeder Bevölkerung, ganz unabhängig von Ethnie, Bildung, Geschlecht oder anderen Faktoren, sie mögen nicht immer gleich verbreitet sein aber das hat weniger etwas mit den Genen sondern in meinen Augen mehr mit dem jeweiligen Umfeld zu tun in dem man aufgewachsen ist und aktuell lebt.

Daher kann ich dir nur ans Herz leben dich nach einer Frau umzuschauen, die devot und dunkelhäutig ist, damit du dir deinen Wunsch erfüllen kannst. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass nicht nur du sondern auch sie mit dir viel Spaß haben wird.

Liebe Grüße

Gentle

Warum ich das hier veröffentliche und andere Fragen nicht, einfach weil es spannend war meine eigenen Gedanken zu sehen und diese entwickeln sich zum Teil am klarsten, wenn ich sie für Dritte in Worte fasse. Wenn mich eine Domse fragt, dann hinterfrage ich dies auch nicht spontan und vermute Männerhass hinter ihrer Neigung. Dennoch war es mir wichtig in dem Fall die Gesinnung zu hinterfragen, was mir zeigt, dass ich durchaus unterschiedlich gewichte.

Ich schreibe selber in den Fällen „Sklavin“, in denen es um ein extremes Machtgefälle geht und siehe da ich ertappe mich selbst dabei, dass ich bei weißem Herrn und schwarzer Sklavin direkt weitaus kritischer bin als in anderen Fällen, einfach weil im Hinterkopf die Geschichte mitschwingt.

Für mich war es spannend zu sehen, wie ich selber reflexartig reagiert habe und dieses weitaus kritischer hinterfragen wollte als bei einer anderen Person die eben nicht eine schwarze Frau als Sklavin haben will. Ob ich trotz dieser Einsicht beim nächsten Mal anders reagieren werde kann ich nicht sagen, auf jeden Fall aber hat es mir die Frage eröffnet, wie neutral ich sein kann, wenn es um historisch/moralisch/kulturell belastete Kinks geht. So viele gibt es für mich dahingehend zum Glück nicht aber, dass es sie gibt ist mir nun durchaus klar und wurde mir durch diese Anfrage vor Augen geführt.

Und eine weitere Frage kam in mir auf, wenn es liebevolle Sadisten gibt, kann es nicht auch ebensolche Rassisten/Maskulinisten/Steinzeitmachos geben und wäre eine solche Beziehung dann verwerflich, wenn trotz der für mich absolut falschen Gesinnung niemandem geschadet würde und der andere Part evtl genau so etwas will? Aber das würde hier wohl zu weit führen und war mehr eine Frage, die ich mir selbst gestellt habe.

Dem Rassismus wohnt meist der Gedanke inne, besser zu sein als andere und dies ist dann mitunter durch die rassische Herkunft begründet. Auch mir liegt ein elitäres Denken nicht ganz fern, wobei ich dieses rein an Leistungen messe und die Herkunft oder Hautfarben für mich eben keine Eigenleistung ist. Wenn ich dann noch lese, dass viele Subs sich öfters wünschen, dass Dom größer, stärker, gebildeter, usw sein soll. spiegelt auch dies den Wunsch wider jemandem zu dienen der überlegen ist. Dennoch habe ich nicht das Gefühl, dass rechtes Gedankengut in der Szene überrepräsentiert ist, ganz im Gegenteil wird hier im Forum oder auch Veranstaltungen einiges an Gegenwind kommen, wenn extrem rechte Positionen vertreten werden.

Daher mag es eine Schnittmengen an Wörtern, Accessoires und auch anderem (hier: Historie) geben, was aber vor allem zählt sind unsere Einstellung und unser Handeln und sofern man niemandem schadet dürfte es wohl keinen Kink geben der komplett tabu sein sollte und dies sollte für unseren eigenen Kink ebenso zählen wie eben den Kink von anderen. So wie mich ein Rapegame reizt und dies für eines der schlimmsten Verbrechen steht, die ein Mensch begehen kann, mögen andere eben einen Kink haben, der auf anderen nachgestellten Verbrechen beruht. Aber im Gegensatz zu einem echten Verbrechen finden sich beim BDSM zwei oder auch mehr Menschen zusammen, die freiwillig und gemeinsam ihre Wünsche ausleben. Sofern die Beteiligten erwachsen, zurechnungsfähig, aufgeklärt sind und es keine unfairen Druckmittel gibt warum also nicht, sofern sie niemanden belästigen oder der Gesellschaft schaden.

Im englischsprachigen Raum sagt man gerne "Your Kink Is Not My Kink But Your Kink Is Okay." (kurz YKINMKBYKIO) aber auch wenn ich gerade offensichtlich dazu neige zu sagen, ja man soll mehr den Kink anderer akzeptieren, kommt im gleichen Moment ein zweiter Gedanke auf. Allzu blinde Akzeptanz von Kinks kann eben auch dazu führen, dass wir auf einem Auge blind werden und denken, hey das sind BDSMler sie werden schon einvernehmlich spielen und vielleicht denken es sogar die Beteiligten selbst. Es kommt aber eben auch immer wieder vor, dass Personen in missbräuchlichen Beziehungen stecken, aber wir wegen dem Label BDSM davon ausgehen (wollen), dass genau das beide so wollen. Wenn es dann so weit ist, dass es offensichtlich nicht mehr einvernehmlich ist, dann ist es meist zu spät, dann sind viele Schäden eingetreten, die bei einer gesunden Skepsis eben vielleicht frühzeitiger hätten verhindert werden können. Toleranz zu üben ist ebenso eine Tugend wie eine gesunde Skepsis zu behalten, die Schwierigkeit liegt darin den passenden Mittelweg zu finden.

Im Nachgang zur Veröffentlichung dieser Gedanken bekam ich eine spannende Folgefrage, wenn ich eine attraktive junge und schwarze Frau sehen, was sehe ich da zuerst, die Hautfarbe oder die Attraktivität? Für mich ist dies nicht pauschal zu beantworten. in der Regel werde ich wohl die attraktive Frau sehen und nur sehr selten die "Schwarze", wenn sie sich aber einem Neonaziaufmarsch in den Weg stellt werde ich die "schwarze" Symbolik sehen und nicht die attraktive Frau. Ähnlich dürfte es mir ergehen, wenn ich sehr viel Haut aber keine echten Konturen sehen würde, aber dann erkenne ich auch nicht die Attraktivität und daher wäre die Situation eine andere. Kurzum es ist auch immer vom Kontext abhängig, in meinem Fall meine ich aber mehr die Attraktivität denn die Hautfarbe zu sehen. (Erstveröffentlichung des Urprungstextes im Gentledom Forum)


Kommentare:


Ella schrieb am 01.10.2019


Danke für den Beitrag.
Er hat mir gezeigt, dass ich trotz großem Bemühen nicht in Schubladen zu denken, dann im Relfex doch immer wieder darauf zurückgreife. Denn eigentlich geht es ja darum, eine Situation vorzuverurteilen.
Je nach Erziehung und Erfahrung wird man den Kontext, in welchen man ein Bild setzt, wählen, und somit automatisch auch eine Schublade. So wird das DOM SUB Dasein von den meisten STINOS doch auch als Unterdrückung der Frau interpretiert, sowie DOMSE und SUB-er(????) wohl in vielen Augen eher was mit "Halbmännern" zu tun hat. Wenn man sich näher heran wagt und die Schubladen mal zu läßt, so wird das Bild sich auch anders darstellen.
Die Herausforderung kommt tatsächlich in dem Moment, in dem man in "blinder Toleranz" Missstände nicht mehr wahrnimmt ...
Danke für den Gedankenanstoss
Ella


Antwort auf diesen Kommentar

Immer gerne, wobei ich den Begriff Stino skeptisch sehe, alles was nicht BDSM ist als stinknormal abzutun ist in meinen Augen nicht wirklich tolerant. Aber ich glaube auch, dass viele die den Begriff benutzen dieses Problem nicht unbedingt auf dem Schirm haben.

Sundance schrieb am 20.09.2019


Es ist so schön deinen Blog zu lesen! Nachdem du ja erst mal eine Watsche für deine Rückkehr bekommen hast, dachte ich mir, okay dann meldest du dich nun doch wieder an.

Ich werde jetzt auch auf unbestimmte Zeit meine Vorlieben und Neigungen nicht ausleben können und merkte (mittlerweile könnte ich es auch besser wissen) wie unruhig und unsortiert mich das macht. Hier habe ich wieder einen Anker gefunden. Die Gentldom Seite, das Forum, aber besonders wie du deine Sicht der Dinge zu Papier bringst, dich dabei selbst reflektierst und weitere Denkanstöße zu den Themen wie oben ausführst, bereichert mein Dasein ungemein.
Für mich kommt es mal wieder genau zum richtigen Zeitpunkt, vielen Dank! ;-) Lilly


Antwort auf diesen Kommentar

Hallo Sundance,

eine Watsche die mich sehr amüsiert hat :) schön zu lesen, dass scheinbar vielen der Blog wirklich so viel bringt wie es mich die Zugriffszahlen immer schon vermuten ließen. Nach der Community ist der Blog der Bereich mit den meisten Zugriffen, obwohl hier nun lange nicht wirklich etwas los war. Scheinbar eröffnet die persönliche Note mehr Zugänge zu den Menschen als eben reine Fachartikel.

Hab hier viel Spaß und beste Grüße

Gentle

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