Psychischen Trauma im Rahmen von BSDM

Dafür möchten wir zuerst erklären, was wir (hier) unter diesem Begriff verstehen – und hin und wieder auf ein Fallbeispiel zurückgreifen, das wir netterweise verwenden dürfen.

Der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet zunächst so was wie Verletzung oder Bruch. In der Medizin wird z.B. auch ein gebrochener Knochen als Trauma bezeichnet. Wir reden hier in unserem Kontext von einer „seelischen Verletzung“. Oft wird der Begriff gleichgesetzt mit der PTBS, der sog. Posttraumatischen Belastungsstörung. Dahinter verbirgt sich jedoch eine psychologische/ psychiatrische Diagnose (ICD-10, F43.1), der eine Traumatisierung zugrunde liegt, deren Auswirkung sich jedoch in erheblichen pathologischen Symptomen zeigt und in der Regel einer psychotherapeutischen/ psychiatrischen Behandlung bedarf. Um nur kurz darauf einzugehen, eine PTBS zeigt sich in aufdrängenden Erinnerungen (Flashbacks), Albträumen, Schlafstörungen, Übererregtheit und Schreckhaftigkeit, aber auch in Rückzug und Betäubtsein, um nur einige wichtige Merkmale zu nennen. Um Missverständnissen vorzubeugen, ein Trauma KANN eine PTBS auslösen, muss es aber nicht. Dennoch kann ein Trauma unschöne Folgen haben und zur Belastung werden. Wir werden im Weiteren – wie beim Thema Konditionierung – erklären, wie es zu einem Trauma kommen kann und dann beschreiben, was man dagegen tun oder mit umgehen kann.

Jedoch ist es mir zuvor noch ein Anliegen zu erklären, dass die von uns beschriebenen psychischen Schwierigkeiten und Gefahren nicht nur für die Submissiven unter uns gelten. Auch der dominante Partner ist gefährdet. Das gilt z.B. auch für die Konditionierung: Wenn ein Dom bspw. eine neue Spielart/ Technik ausprobiert oder wenn die Beziehung noch relativ frisch ist, dann kann eine extreme Reaktion des submissiven Partners (Weinen, Schreien, Zusammenbrechen, Verstummung, Aufdecken alter Wunden und Verletzungen etc.) auch zu einer negativen Konditionierung des Doms führen, d.h. dass er in Zukunft vielleicht Ängste hat erneut „zu spielen“ oder ein bestimmtes Gerät oder Technik anzuwenden! Wir hoffen, dass sich hier alle angesprochen fühlen, denn wir wollen um Gottes Willen keine einseitige Viktimisierung der Subs beschreiben und wir wollen nun nicht darüber streiten, für wen welche Wahrscheinlichkeit höher ist, einen Schaden davon zu tragen.

Nun aber zurück zum Thema: Also, was passiert eigentlich während einer Traumatisierung und weshalb bekommt sie einen besonderen Stellenwert neben anderen negativen Erfahrungen, die wir in unserem Leben so machen?! Generell ist es so, dass alles, was wir Bedeutungsvolles erleben, in der Regel „vernünftig“ von unserem Gehirn verarbeitet und im Langzeitgedächtnis abgespeichert wird. Da ruht es so lange, bis wir es wieder hervorholen und uns anschauen, vielleicht wie ein Fotoalbum des letzten Urlaubs, uns daran erinnern, wie das Frühstück geschmeckt hat, wie die See gerochen hat und welche Gespräche wir mit der Bardame geführt haben. Dabei kann vielleicht ein schönes Gefühl mithochkommen, aber vielleicht auch ein leichter Ekel, wenn wir an die Fischvergiftung denken, die wir uns im Urlaub zugezogen haben. Soweit alles ok. Wir können dann dieses Album irgendwann wieder zuklappen und zurück ins Regal - also ins Langzeitgedächtnis – stellen, wo es auf den nächsten Einsatz wartet.

Der Unterschied zu einer traumatisch abgespeicherten Erinnerung ist, dass dieses Erlebnis nicht schön verpackt in einem bestimmten Ort im LZT ruht, sondern defragmentiert/ zerpflückt/ in Stücke gerissen in unserer Amygdala herumliegt. Die Amygdala ist eine hirnorganische Struktur, die dafür da ist, uns in Alarmbereitschaft zu versetzen. Sie ist ein wichtiger Bestandteil, es um Gefühle und Emotionen geht, hat aber wenig Zugang zu unserem bewussten Denken, dem Cortex.
Ein traumatisches Erleben zeichnet sich dadurch aus, dass es so schlimm ist, dass wir es eben nicht wunderbar einfach verdauen und ins LZT schieben können. Unser Hirn zersplittert dieses Erleben in einzelne Fetzen: das Geräusch des Aufpralls beim Autounfall, der heranrasende Baum als visueller Reiz, der Geruch von heißen Bremsen… diese Fetzen „taumeln“ jedoch verwirrt in unserer Amygdala herum und sind jederzeit durch ähnliche Reize in der Umgebung dazu in der Lage, einen Alarmzustand/ Panik auszulösen, der sich anfühlt, wie die damalige Situation. Wir sind dann nicht mehr „Herr der Lage“, sondern in höchster Not. Diesen Vorgang nennt man „getriggert werden“. Manche Menschen dissoziieren dann sogar, d.h. sie wirken wie nicht ganz da, wie weggetreten. Dies ist ein Zustand, in dem wir auch während des Traumas sind. Es ist ein Schutzmechanismus der Psyche, der uns davor schützt, den ganzen Umfang des Geschehens bewusst zu erleben. Er ist jedoch eher hinderlich, wenn wir uns gar nicht mehr im verunfallten Auto aufhalten, sondern vielleicht Wochen später auf dem Sofa sitzen und die Nachrichten schauen. Ähnlich erging es auch der Sub aus unserem Fallbeispiel:

Dann kam der Tag, an dem ich ein Date mit einem Dom hatte... Wobei es in meinem Fall wohl völlig belanglos war, ob da ein BDSM-Kontext war oder nicht. Jedenfalls ergab sich eine Situation, die für Außenstehende völlig harmlos erscheinen mag, wohl alles in allem aber sehr ähnlich zu der damaligen Missbrauchssituation war... War mir aber nicht bewusst. Ich habe mich nur irgendwie nicht richtig wohl gefühlt, ohne erklären zu können, warum. Die Situation selbst hätte bei jedem x-beliebigen Date auch genauso passieren können. Stunden später - ich mittlerweile allein daheim - kamen dann die verdrängten Gefühle aus der damaligen Missbrauchssituation hochgekocht und ich war erst mal nur noch heulendes Elend, anfangs ohne überhaupt zu verstehen, was mit mir los ist.

An diesem Bericht kann man gut sehen, wie einfach es ist, ein vorhandenes Trauma zu triggern. Dies ist eine Situation, die vielleicht schon der/die eine von euch kennt. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass wir im Laufe unseres Erwachsenenalters auf Menschen treffen, die bereits das eine oder andere Trauma erlebt und „in den Knochen“ haben. Die Wahrscheinlichkeit, ein Trauma zu triggern, ist auch von den oben genannten Faktoren abhängig, v.a. davon, wie gut und lange man sich und mögliche Trigger kennt. Es kann jedoch auch sein, dass jemand ein tief vergrabenes Trauma hat und es selbst gar nicht bewusst hat, deshalb den anderen Partner also gar nicht informieren kann, es aber plötzlich hochkommt. Zum Beispiel probiert ein Paar eine neue Technik aus, verwendet strenge Worte und Blicke, Ohrfeigen, Atemreduktion oder ein neues Schlaginstrument. Durch irgendetwas in der Situation (ein Geräusch, eine Bewegung, ein Geruch, ein Gefühl, ein visueller Reiz…) werden plötzlich Fragmente aus einer früher traumatisch erlebten Situation getriggert und Panikgefühle kommen hoch. Sub (in der Regel) verliert in diesem Moment die Kontrolle über die Situation, dissoziiert evtl. Wenn hier nicht sofort ein Abbruch geschieht, Sub aufgefangen wird oder ähnliches, sondern vielleicht weiter gemacht wird – weil Sub ja nicht das Safeword gesagt hat – kann eine Retraumatisierung stattfinden, was das Ganze verschlimmert. Es besteht durchaus eine gewisse (sehr winzig kleine bis größere) Wahrscheinlichkeit, dass sich Dom und Sub gegenseitig in einer Situation traumatisieren, also ein traumatisches Erlebnis im Spiel/ im Rahmen der Partnerschaft erzeugen. Es gibt Konstellationen, in denen es „gefährlicher“ werden kann, z.B. wenn sich Sub und Dom noch nicht gut kennen, Grenzen und bisher Erlebtes unbekannt ist, Sub und Dom sich vielleicht selbst gerade erst ihrer Neigung bewusst geworden sind und unerfahren sind, oder aber auch bei erfahrenen Partnern beim Ausprobieren einer neuen Spielart oder bei der Unfähigkeit das safeword zu verwenden. Ich glaube, ich muss nicht weiter betonen, dass die Gefahr besonders groß ist, falls sich eine sehr unsichere Sub in die Hände eines wenig empathischen bis soziopathischen Partners begibt.
Ein Trauma kann vor allem dann entstehen, wenn die betroffene Person keine Lust mehr empfindet, sondern sich im Gegenteil bedroht fühlt (körperlich und/ oder seelisch), ihre Grenzen übergangen werden und sie unter Ohnmacht leidet, sich hilflos und große Angst fühlt. Um diese Situation zu überstehen, zersplittert unsere Psyche gewissermaßen das aktuell Erlebte, wir dissoziieren, sind irgendwie nicht mehr so ganz da. Das ist ein Schutzmechanismus, der aber auch ein Zeichen dafür ist, das hier gerade etwas erlebt und verarbeitet wird, das Zuviel war. Es besteht die Chance, dass das Erlebte wie oben beschrieben nur fragmentiert in der Amygdala verbleibt und nicht ordentlich verarbeitet und erinnert werden kann. In Zukunft kann es sein, dass einfache Elemente aus der Situation das Trauma – und die damit verbundene Aufregung und Panik – triggern.

Als Kind war ich Opfer und jemand hat quasi genau die "Werkzeuge" genutzt, um mir zu schaden, die jetzt evtl. etwas positives auslösen, weil ich irgendwie doch das Verlangen danach habe. Das Hirn kann das schon trennen, bei den Gefühlen bin ich mir nicht sicher.

Traumatisierend ist insbesondere der Punkt, an dem wir aus einer Situation nicht mehr rauskommen, ohnmächtig sind! Studien haben gezeigt, dass „Opfer“ weniger wahrscheinlich traumatisiert werden, wenn sie etwas tun, aktiv sind! Auch, wenn das nicht immer zum gewünschten Erfolg führt, aber der Glaube daran, selbst irgendetwas bewirken zu können und zu kämpfen ist sehr gesund und schützend. Wenn z.B. Bergwerkarbeiter in einem Tunnel verschüttet werden, ist die Psyche derjenigen am Ende „gesünder“, die irgendwie weitergraben, um rauszukommen anstelle derer, die aufgeben und in der Ecke sitzen bleiben. In einer „gesunden“ DS-Beziehung gibt es zwar ein Machtgefälle, aber dieses ist gewollte und es gibt einen vereinbarten Konsens, zudem ist Sub grundsätzlich „frei“ und könnte jederzeit gehen. Sollte dieser Zustand/ dieses Gefühl irgendwann schwinden, sollten die Alarmglocken klingeln!

Vermutlich ist das Risiko einer Traumatisierung für den Sub-Partner generell höher als für den dominanten Part, aber wir haben durchaus auch von Doms gehört, die aufgrund einer heftigen Reaktion der Sub zutiefst geschockt und hilflos sein können, sie nicht auffangen können und ebenfalls ohnmächtig fühlen. Dies kann durchaus auch zu einer gewissen Traumatisierung – oder zumindest heftigen negativen Konditionierung führen.

Hier nun ein paar Ideen, wie man die oben beschriebenen Situationen verhindern oder damit umgehen kann:

Das Ganze hat mich ein paar Tage so richtig aus der Spur geworfen. Ich habe mit dem Dom auch viel darüber geredet, zum 1. Mal überhaupt mit irgendwem. Da ich zum Glück ein eher anpackender Typ bin, habe ich dann angefangen, mich damit auseinander zu setzen. Auch, weil ich gemerkt habe, das "unter den Teppich kehren" nicht klappen wird. Letztendlich hat das dazu geführt, dass ich bei einer angeleiteten Trauma-Gesprächsgruppe gelandet bin, was mir sehr weiter geholfen hat, um die Mechanismen dahinter zu verstehen.

Am besten arbeitet ihr natürlich präventiv: also, lernt euch kennen und besprecht VORHER die Umstände, in die ihr euch begeben wollt und nehmt euch Zeit darüber nachzudenken, ob dabei irgendwas schlimm Unangenehmes mit im Leben verknüpft wurde. Erarbeitet einen Konsens! Besprecht ein Safeword bzw. eine „Geste“, die Sub ausführen kann, falls sie nicht reden kann (z.B. bei Atemreduktion oder Knebeleinsatz einen Gegenstand in die Hand nehmen - und fallen lassen, wenn ein Abbruch erwünscht ist). Und tastet euch vielleicht erstmal an Techniken heran, die weniger mit der damaligen Situation zu tun haben.

Sobald ich einen Dom kennenlerne (via Chat etc) und ich denke, dass da vielleicht Potential für mehr ist, spreche ich das Thema an. Zum einen, damit er die Vorgeschichte weiß, zum anderen für den Notfall... Sollte tatsächlich noch eine Leiche im Keller liegen, die durch irgendwas im BDSM-Kontext angetriggert wird... Dann ist man wenigstens etwas vorbereitet.

Und Bondage klappt komischerweise wunderbar. Auch totale Abgabe von Kontrolle, ohne irgendwelche Sorgen. Ich nehme an, weil Bondage einfach komplett anders ist, als der Missbrauch damals und da die Psycho-Komponente fehlt (und ausreichend Vertrauen dafür da ist).


Falls es dennoch einmal „zu viel“ war : Auch im Nachhinein drüber reden hilft, einfach Gefühle rauslassen, egal ob Wut oder Trauer oder Angst, fangt euch (gegenseitig) auf. Macht es euch gemütlich oder schaut, was gerade passt. Manche Menschen verarbeiten auch besser, wenn sie erstmal ihre Ruhe haben, das ist alles ok. Aber bleibt im Kontakt.

Weiterhin folgen ein paar Ideen, die ich u.a. mit traumatisierten Klienten bespreche, um mit Symptomen einer Traumatisierung umzugehen. Diese Techniken können übrigens auch helfen, wenn man sich in einem tiefen submodus befindet und „raus“ möchte, oder falls das after-submodus-Gefühl sich eher einsam und verletzlich anfühlt (dieser submodus ist tatsächlich nichts anderes ein dissoziativer Zustand):
Z.B. kann es hilfreich sein, sich an einen visualisierten „sicheren Ort“ zu begeben. Diesen kann man sich selbst ganz individuell gestalten, fragt euch, wo fühle ich mich wohl und geborgen? Wie sieht der Ort aus, wie riecht er, was höre ich dort? Stellt ihn euch möglichst genau und konkret vor und begebt euch im Geiste dorthin, falls fiese Gefühle hochkommen.

Im Falle von Albträumen oder Nachhallerinnerungen/Flashbacks kann man gut mit einer positiven Visualisierung arbeiten: „Wie hätte das Erlebte im guten Fall geendet?“ Lasst eurer Phantasie freien Lauf und stellt euch möglichst bildhaft und genau vor, was man sich gewünscht hätte („ich wäre einfach aufgestanden und aus dem Raum gegangen“, „ich hätte seinem Blick standgehalten“, „Superman wäre gekommen und hätte mich befreit“, „ich hätte ihn gerne zurückgeschlagen“…). Das darf alles sein, wichtig ist, dass am Ende ein starkes, aktives Gefühl bewirkt wird. Es kann helfen, sich vor der Visualisierung zu überlegen, wann man sich zuletzt stark und aktiv gefühlt hat und dieses Gefühl in die letzte Erinnerung „mitnehmen“. Diese Technik nennt man imagery rescripting, weil sie zuletzt Erlebtes zumindest emotional „überschreibt“.

Um sich zurück in die Realität und ins hier-und-jetzt zu holen, helfen weiterhin Achtsamkeitsübungen, z.B. indem man seine fünf Sinne abarbeitet und sich auf seine Wahrnehmung konzentriert: Was sehe ich jetzt gerade? Was höre ich? Was schmecke ich? Was rieche ich? Was fühle ich auf der Haut? Das gelingt noch besser, wenn man sich vor die Tür begibt. Menschen mit Haustieren können sich wunderbar erden, indem sie dieses streicheln. Sollte jemand höchst angespannt und schwer ansprechbar erscheinen, hilft es, starke Reize zu setzen, also bspw. die Verwendung von starken Gerüchen (Riechsalz), Eis auf die Haut zu legen, etwas Scharfes zu kauen, kalt duschen, laute Musik hören… Das Gegenüber kann zu solchen Aktivitäten animieren bzw. somit helfen, „zurückzukommen“. Manchmal tut Körperkontakt gut, manchmal gar nicht, das ist leider höchst individuell.

Wie schon im vorherigen Beitrag (Konditionierung) diskutiert wurde, sollte mit Konfrontationsübungen im Rahmen der Beziehung oder gar eines Spiels sehr achtsam umgegangen werden. Im Zweifelsfall gilt die Bitte, einen Fachmann/frau aufzusuchen. Es ist nämlich durchaus wünschenswert, die traumatisch abgespeicherten Informationen irgendwie zusammenzusuchen und als besser reflektiertes Paket ins LZT zu schieben. Dies kann in einer Psychotherapie geschehen, aber der/ die Betroffene und der/die PartnerIn kann durchaus unterstützend zur Seite stehen.

Im Bereich BDSM hat das bei mir dazu geführt, dass ich die Sache noch vorsichtiger angehe und speziell vor dem Bereich D/s gewaltigen Respekt habe. Ich für mich habe das Gefühl, dass gerade bei D/s viel mehr/intensiver mit der Psyche "gespielt" wird und dort für mich gerade im Hinblick auf die Trauma-Geschichte die größten Gefahren lauern. Das ist meine ganz persönliche Zwickmühle. .. Zum einen reizt mich D/s, zum anderen traue ich mich noch nicht, mich wirklich darauf einzulassen.

© Maria131 und Gegengift 2016 

Du bist nicht angemeldet.
 Einloggen / Registrieren