Stealthing, die neue Rechtslage

Sicherlich kennt nur ein Teil meiner Leser den Begriff Stealthing, also was ist das überhaupt? Beim Stealthing geht es darum, dass ein Kondom heimlich, während beide Sex zusammen haben, durch einen der beiden Teilnehmer abgestreift wird.

Es ist noch gar nicht so lange her, da war dieses Verhalten in Deutschland nicht strafbar, denn strafbar war eben nur, der nicht einvernehmliche Geschlechtsverkehr. Eine Ausnahme war nur gegeben, wenn man von eigenen Geschlechtskrankheiten wusste und damit absichtlich eine Ansteckung (=Körperverletzung) versuchte, oder eine erfolgte Infizierung zumindest billigend in Kauf nahm.

Im Dezember 2018 wurde das neue Gesetz zum ersten Mal von einem Gericht angewandt und ein Mann, der heimlich beim Stellungswechsel das Kondom abgestreift hatte, wurde, wegen eines sexuellen Missbrauchs, zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Warum war dies eigentlich keine Vergewaltigung? Da der Sex an sich einvernehmlich war, entschied das Gericht richtigerweise, dass es keine Vergewaltigung sein konnte, denn diese setzt eben die unfreiwillige Penetration voraus. Jedoch wollte die Frau eben nicht, dass der Mann ohne Kondom mit ihr schläft und das heimliche Abstreifen des Kondoms ist eben eine Täuschung und somit fällt dies unter sexuellen Missbrauch, da über die Voraussetzung für den einvernehmlichen Verkehr getäuscht wurde.

Ein weiteres Problem ist der Nachweis dafür, dass ein Mann heimlich das Kondom abgezogen hat. Immerhin war in der Regel niemand in dem Raum, in dem es passiert ist und kann hier als Zeuge aussagen. Wichtig ist es, deutlich und nachweisbar zu kommunizieren, dass man Sex (oder Arten davon, also oral/anal/vaginal) nur will, wenn ein Kondom genutzt wird. Die Nachweisbarkeit ist zumindest an der Stelle recht einfach, man kann am Abend vorher eine SMS/WhatsApp/etc. schicken in der steht: „Ich bin gerade voll heiß auf dich also denk bitte, bitte morgen an die Kondome, denn ohne Gummi, das geht mit mir absolut nicht.“ Absenden drücken und man hat es schriftlich, auch wenn man es hoffentlich niemals benötigt. Dies muss man sicher nicht vor jedem Treffen schreiben, aber es mit der Zeit immer mal wieder einfließen zu lassen schadet nicht und dies kann durchaus auch charmant oder auch sexy erfolgen

Ist die Auflage Kondom also nachweisbar, bleibt nur noch das Problem, wie weise ich nach, dass er es abgestreift hat und es nicht einfach abgegangen ist? Hier ist deutlich mehr Geschick gefragt und die meisten Doms, die so etwas machen, sind so von sich überzeugt, dass sie da zum Glück schnell in die aufgestellte Falle tappen. Wer betroffen ist und nicht drauf kommt wie man solche eine Falle leicht und schnell aufstellt, kann mir gerne eine Mail schicken. Ich halte es aber nicht für klug hier nun im Detail zu schreiben, wie solch eine Falle konkret gestellt wird. Wer ein wenig kreativ ist, sollte jedoch auch schnell selbst drauf kommen, wie es geht.

Immer wieder setzen sich Doms über das Tabu, Sex ohne Kondom, hinweg. Ob diese Fälle eine Vergewaltigung oder einen sexuellen Missbrauch darstellen ist eine Frage des Einzelfalls, sofern das Tabu nur mit Kondom kommuniziert wurde, ist es aber eins von beiden. Da die Verwendung von Kondomen keine Pflicht ist und leider auch nicht gesellschaftlich von allen praktiziert wird, muss dieses Tabu kommuniziert werden. Einvernehmlicher Sex ohne Kondom ist eben nicht grundsätzlich strafbar.

Womit wir recht einfach den Unterschied zu vielen BDSM Handlungen herausarbeiten können. Geht es um Erniedrigung, so sind wir schnell im strafbaren Bereich einer Beleidigung, geht es um das Zufügen von Schmerz und/oder Spuren bei einer Körperverletzung und bei den Fixierungen, bei einer Freiheitsberaubung. Weil all diese Handlungen also grundsätzlich strafbar sind, müssen sie explizit durch den erlaubt werden, der davon betroffen ist. Daher sind Tabulisten, im Gegensatz zu Positivlisten, rechtlich durchaus eine Gefahr für den Dom, denn sie regeln nur, was er sicher nicht darf. Sicher ist es möglich aus der geführten Kommunikation heraus auf eine konkludente Einwilligung zu schließen, zum Beispiel weil die Beteiligten über KV und NS Praktiken intensiv geschrieben haben, aber nur KV als Tabu definiert wurde, in dem Fall sollte (sofern das Gericht das Konzept BDSM versteht oder sich etwas in die Materie einarbeitet), NS in dem in der Kommunikation beschriebenen Umfang erlaubt sein. Aber wie gesagt, an der Stelle gibt es keine mir bekannte Rechtsprechung und nicht jeder Jurist wird meiner Auslegung einer konkludent erteilten Einwilligung folgen. Persönlich würde ich sogar so weit gehen, dass abgeschlossene Tabulisten dazu führen, dass eine konkludente Einwilligung in typische und nicht extreme BDSM Spielarten gegeben wurde, dies ist aber meine persönliche Einschätzung und auch sehr unpräzise, denn was sind schon „typische und nicht extreme“ Spielarten, das hängt sehr stark von der Erfahrung ab, die man mit der Zeit sammeln konnte.

Wem noch nicht klar ist, wie eine Einwilligung überhaupt rechtswirksam in Deutschland erteilt wird, dem lege ich den Artikel „Rechtswirksame Einwilligung“ ans Herz.

Wer als BDSMler auf der sicheren Seite sein will, der kann sich freuen, dass wir ein Land sind, in dem die BDSM Rechtslage weitestgehend geklärt ist und ein gesunder Ausgleich zwischen den Rechten von Dom und Sub besteht, das ist in vielen anderen Ländern durchaus nicht so gegeben. Mein persönliches Bild der Freiheit von BDSM sieht an der Stelle so aus: Meine Sub legt die Spielfeldbegrenzung fest, in der ich mich frei bewegen kann. Sie kann das Spielfeld erweitern, verengen (wobei das bei mir zu Problemen führt und es gut begründet sein muss, sonst verlasse ich das Spielfeld) und mittels des Safewords im Zweifel auch die Reißleine ziehen, wenn ich etwas übersehen sollte.

In diesem Sinne achtet gut auf euch und habt Spaß an den vielen schönen Spielarten, die der Bereich bietet.

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