Ulcus molle oder auch weicher Schanker

Was ist Ulcus molle?
Ulcus molle, auch „weicher Schanker“ (in Abgrenzung zum „harten Schanker“, der Syphilis) genannt, ist eine durch das Bakterium Haemophilus ducreyi verursachte, sexuell übertragbare Erkrankung.

Die Erkrankung ist vor allem in den Tropen („zwischen den Wendekreisen“) verbreitet. Sie kommt dort hauptsächlich in Afrika, Südostasien, Lateinamerika und in der Karibik vor. Genaue Daten zur Häufigkeit fehlen. Die WHO schätzt die Anzahl auf Neuerkrankungen weltweit auf ca. 7 Millionen pro Jahr, wobei es in den letzten Jahren einen Trend zu weniger Infektionen gibt. Die Erkrankung kommt dabei vor allem in ärmeren Bevölkerungsschichten vor. In Deutschland ist die Erkrankung selten und wird vor allem bei Reiserückkehrern aus oben genannten Gebieten diagnostiziert.

Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer (das Verhältnis wird bis 10:1 angegeben) und stellen, wenn sie keine Krankheitszeichen haben, das wichtigste Reservoir (Quelle) für die Infektion dar. Besonders häufig betroffen bzw. gefährdet sind Menschen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten oder in Anspruch nehmen, sowie Menschen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern.

Welche Symptome gibt es?
Das Ulcus molle ist in den meisten Fällen eine lokale Infektion der Schleimhäute der Genitalien und der angrenzenden Lymphknoten. Das heißt, das Infektionsgeschehen findet am Eintrittsort bzw. in räumlicher Nähe hierzu statt und breitet sich dann häufig auf die naheliegenden Lymphknoten aus. Beim Mann sind dies die Schleimhäute des Penis (Innenseite der Vorhaut, Eichel, seltener Schaft), bei der Frau die Vagina, der Gebärmutterhals und die Schamlippen. Neben der Genitalinfektion kann es bei Analverkehr auch zu einer Infektion des Enddarmes kommen.

Das typische Krankheitsbild findet sich vor allem bei Männern. Nach einer relativ kurzen Inkubationszeit (Zeit zwischen der Infektion und den ersten Krankheitszeichen) von 3 -7 Tagen (bis max. 14 Tagen) zeigen sich am Infektionsort zunächst Knötchen, welche nach einigen Tagen zunächst zu Pusteln und dann zu scharf abgegrenzten, tiefen und sehr schmerzhaften, weichen Geschwüren (Ulcus = Geschwür; molle = weich) werden. Oft sind die Geschwüre von einem schmierig-gräulichen, schlecht riechenden Sekret bedeckt. Durch Verschleppung des Sekrets können im Verlauf neue Geschwüre entstehen. Diese Geschwüre heilen unbehandelt meist innerhalb Wochen bis weniger Monate ab. Die Erreger erreichen jedoch in über 50% der Fälle über die Lymphbahnen die nahegelegenen Lymphknoten, meist in der Leiste. Dort kommt es dann nach Tagen bis wenigen Wochen zu einer schmerzhaften Schwellung und Rötung der Lymphknoten. Fieber oder allgemeines Krankheitsgefühl ist selten. Die Lymphknoten können sich zu Eiterhöhlen entwickeln (Abszess) und in etwa 25% der Fälle kommt es zu einem Aufbrechen dieser Abszesse und einer Geschwürbildung in der Leiste, welche über Monate abheilen. Als Komplikation kann in beiden Stadien eine zusätzliche bakterielle Infektion der Geschwüre auftreten.

Bei Frauen ist der Verlauf oft weit weniger charakteristisch und wird oftmals gar nicht von der infizierten Frau bemerkt, da die Pusteln und Geschwüre oft viel weniger schmerzhaft sind und die Geschwüre aufgrund ihrer Lage (vaginal) nicht sichtbar sind. Die häufigsten Krankheitszeichen sind vaginaler Ausfluss, Brennen beim Wasserlassen und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Bei einer analen Infektion sind Schmerzen beim Stuhlgang und auch Blutungen am oder aus dem After oder Blut im Stuhlgang mögliche Krankheitszeichen.

Als Folge der Erkrankung bleiben oft Vernarbungen im Bereich des ehemaligen Geschwüres.

Wie wird das Ulcus molle übertragen?
Infizierte Frauen ohne Krankheitszeichen sind dennoch ansteckend (infektiös) und das wichtigste Reservoir (Quelle) für die Erkrankung.

Die Übertragung erfolgt meist beim Geschlechtsverkehr durch direkten Kontakt zu den Geschwüren oder zu den Sekreten der Geschwüre. Der Eintritt in den Körper erfolgt durch kleinste Verletzungen der Schleimhäute der Geschlechtsorgane oder des Enddarmes, die beim Sex entstehen. Dabei ist die notwendige Infektionsdosis sehr klein, das Bakterium also hochinfektiös.

Eine indirekte Übertragung über mit infektiösen Sekreten / Körperflüssigkeiten kontaminierte (behaftete) Gegenstände, vor allem Sexspielzeuge wie Dildos oder die Hände („Fingern“), ist möglich, aber viel seltener als die direkte Übertragung, da das Bakterium empfindlich ist gegenüber Austrocknung und Kälte. Außerhalb des Körpers ist das Bakterium schon nach wenigen Stunden in aller Regel nicht mehr ansteckend. Eine mögliche indirekte Übertragung ist somit auf die aktuelle Situation (Session, Party o. ä.) beschränkt, während bei eingetrockneten Sekreten (z. B. am nächsten Tag) eine Ansteckung höchst unwahrscheinlich ist. Auch eine Übertragung durch Schlaginstrumente ist sehr unwahrscheinlich und wenn, dann überhaupt nur denkbar, wenn auf den Intimbereich (Penis, Schamlippen, Anus) verschiedener Personen direkt hintereinander geschlagen wird.

Wichtig ist, dass die bei der Erkrankung entstehenden Geschwüre eine sehr gute Eintrittspforte für HI-Viren darstellen. Dies bedeutet, dass das Vorliegen einer Ulcus molle Infektion die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit HIV deutlich erhöht.

Wie wird die Infektion festgestellt?
Da die Erkrankung in Deutschland selten ist und meist aus tropischen Ländern „mitgebracht“ wird, ist es wichtig, den untersuchenden Arzt/Ärztin auf eine Auslandsreise hinzuweisen, da für die Labordiagnose gezielte Untersuchungen notwendig sind und insbesondere die anfängliche Krankheitszeichen der anderer sexuell übertragbarer Erkrankungen (insbesondere dem viel häufigerem Herpes genitalis oder der Syphilis) ähnelt.

Zur Feststellung der Erkrankung macht der Arzt einen schmerzfreien Abstrich vom Geschwür (oder vom Enddarm), in seltenen Fällen auch vom Eiter. Im Labor wird dann der Abstrich untersucht und das Erbgut des Erregers nachgewiesen. Für spezielle Fragestellungen (z.B. Antibiotikaresistenz) kann der Erreger angezüchtet werden.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Das Ulcus molle lässt sich meist sehr gut behandeln. Die Standardtherapie besteht in einer einmaligen Verabreichung eines Antibiotikums. Resistenzen sind selten. Eine Laborkontrolle ist deshalb in aller Regel nicht notwendig. Bis die Geschwüre verheilt sind, kann es einige Wochen dauern.

Eitrige Lymphknoten werden eröffnet und entleert.

Es wird empfohlen, alle Sexualpartner der letzten sechs Wochen zu untersuchen und die Sexualpartner der letzten 10 Tage (Inkubationszeit) unabhängig vom Vorliegen von Krankheitszeichen mitzubehandeln.

Gibt es eine Impfung?
Eine Impfung gibt es nicht.

Wichtig ist, dass nach einer ausgeheilten oder erfolgreich behandelten Infektion kein Immunschutz besteht. Das heißt, man kann sich immer wieder neu mit dem Bakterium anstecken.

Wie kann ich mich und andere schützen?
Durch die Anwendung von Kondomen lässt sich die Ansteckungswahrscheinlichkeit für ein Ulcus molle deutlich senken. Einen 100%-igen Schutz geben sie aber nicht.

Eine indirekte Übertragung lässt sich durch die personenbezogene Anwendung von Sextoys und anderen BDSM-Utensilien oder durch deren Desinfektion (siehe Desinfektionsleitfaden) verhindern.

Bei Diagnosestellung ist die Information ehemaliger Sexualpartner wichtig. Auf Geschlechtsverkehr sollte bis zur vollständigen Abheilung der Geschwüre verzichtet werden.

Anmerkung: Durch die Beschneidung der Vorhaut beim Mann (Zirkumzision) verringert sich das Infektionsrisiko nicht.

Wie verläuft die Erkrankung mit/ ohne Behandlung?
Der Verlauf ist meist selbstlimitierend (selbstbegrenzend): Wird ein Ulcus molle nicht behandelt, wird es vom Immunsystem normalerweise spätestens im Stadium der Lymphknotenentzündung gestoppt. Dies kann jedoch auch erst nach Monaten der Erkrankung sein.

Insbesondere bei gleichzeitiger HIV-Infektion sind aber langandauernde Verläufe bekannt.

In die Geschwüre können zusätzlich andere Bakterien eindringen, was weitere Komplikationen verursachen kann.

Je nach Stadium der Infektion verbleiben nach dem Abheilen Narben, die negativen Folgen haben können, wie z.B. eine narbige Verengung der Harnröhre oder die narbige Verengung der Vorhaut des Penis (kein oder nur schwieriges Zurückziehen der Vorhaut möglich).

Hinweis:
Die hier zur Verfügung gestellten Texte dienen der Information. Sie sollen damit einen Beitrag zur Aufklärung und auch zur Prävention sexuell übertragener Erkrankungen leisten.

Es wird eindringlich darauf hingewiesen, dass die hier jeweils dargestellten Informationen dem interessierten Leser nur eine Orientierung geben können und keinesfalls (!) den individuellen direkten Arztkontakt ersetzen können! Bei Erkrankung oder Verdacht auf eine Erkrankung sollte daher unbedingt der individuelle Arztkontakt erfolgen.

Quellenangaben

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