Abschied

Leise rauscht der Verkehr im Hintergrund an dem Parkplatz am Ebersberger Forst vorbei. Weit entfernt – so weit, dass ich ihn kaum wahrnehme.
Die Sonne steht schon tief am Horizont und färbt die Wolken am Himmel in allen Pastell Rot, Rosa und Orangetönen, wie sie sonst nur auf der Palette eines Kunstmalers zu finden sind. In den Tannen, Fichten, Buchen und anderen Bäumen des Waldes stimmen die Vögel ihr frühsommerliches Gutenachtlied an und verabschieden einen wunderschönen, sonnigen Tag.
Bodennebel wabert zwischen den Stämmen, beginnt langsam aufzusteigen… es wird kühl.

Ich spüre es nicht. Ich sehe auch die Schönheit der Natur um mich herum nicht. Einsam und irgendwie verloren lehne ich an der Motorhaube meines BMWs, die Arme eng um mich geschlungen und leise vor mich hin schluchzend.
Schon seit Stunden bin ich hier, in Gedanken versunken… und noch immer habe ich es nicht geschafft, dem Schmerz in mir drin Herr zu werden. Dem Schmerz, der durch eine einfache, kurze Mail ausgelöst wurde.

„Meine liebe Sklavin… ich sende Dir einen liebevollen Gruß aus Las Vegas. Ich weiß, ich hätte mich längst bei Dir melden sollen – aber die Umstände waren etwas dagegen. Auch jetzt ist mir nicht wohl, Dir die Gründe auf diese Art und Weise mitzuteilen – aber ich bedarf Deiner Dienste als Sklavin nicht mehr. Ich gebe Dich frei. Du hast mir gut gedient und ich war stets sehr stolz auf Dich – aber meine Situation hat sich heute grundlegend geändert.
Sie war meine Kollegin, für Jahre – es war nie etwas zwischen uns. Und doch hat sich auf dieser Geschäftsreise alles verändert, wir haben uns ineinander verliebt und heute Morgen haben wir hier in Las Vegas geheiratet. Ich bin mir sicher, Du wirst verstehen was das bedeutet und mir nichts nachtragen.
Ich wünsche Dir alles Glück für Deinen weiteren Weg, meine kleine tapfere Sisa und bin mir sicher, dass Du sehr schnell wieder jemand finden wirst, der Dich in seine formenden Hände nimmt und Dein hervorragendes Material weiter in seinem Sinne modellieren wird… Martin“

Ich bin also wieder frei. Ich habe es nicht gewollt. Und auch sicherlich nicht damit gerechnet. Es ist… einfach passiert.
Liebe!
Ich seufze und ziehe verächtlich die Schultern hoch.
Wer braucht schon Liebe? Liebe kompliziert alles, und Liebe macht alles kaputt!
Schon lange empfinde ich keine Liebe mehr für meinen Ehemann – allenfalls Freundschaft… und gehe eigene Wege, was die Befriedigung meiner Lust – und meiner Neigung betrifft.

Ich habe auch nie Liebe in außerehelichen Beziehungen gesucht… und mich mächtig über meine Freundinnen amüsiert, die Liebe verherrlichten und meinten, ich würde wie der Blinde von der Farbe reden – ich wäre in meinem bisherigen Leben immer nur verliebt gewesen… aber ich hätte nie wirklich… geliebt.
Ok, damit mögen sie sogar recht haben – aber trotzdem, ich bleibe bei meiner Meinung. Liebe – kompliziert alles nur – und mitunter zerstört sie recht praktische Arrangements. Wie im Fall des Earl und mir.
Es war so schön gewesen, seine Sklavin zu sein. Er hatte nicht alles so bierernst genommen und doch nie Zweifel daran gelassen, dass er der Herr war. Mein Herr!

Wieder seufze ich. Verlier mich in wehmütigen, traurigen Gedanken.
Denke zurück, an jenes erste Spiel, wo er mich stundenlang ausgetestet hatte und geprüft hatte, ob ich als seine Sklavin geeignet war. Und obwohl einige Pannen passiert waren hatte ich seine Zustimmung gefunden und er mich in Besitz genommen…

Jene Spazierfahrt in dem offenen Cabrio von ihm, wo er mich nackt und aufgespreizt jedem Brummifahrer präsentierte, der uns auf der Autobahn begegnete – und wo er mich sogar auf einem Parkplatz präsentierte und anbot, um mich daran zu erinnern, was alles in seiner Macht läge wenn er es denn wollte… würde ich nie vergessen können!
Ich amüsiere mich lächelnd über jenes makabres Strafmenü, das er mir ganz am Anfang gestellt hat, als ich es das erste Mal schon schaffte, ihn zu verärgern – und die mir unverständlich und sehr schockierende Auswahl bekam, einen Liter Wasser zu trinken den zuvor er getrunken hatte… zulassen sollte dass er mich unten zunähte – oder eine bestimmte Anzahl voll durchgezogener Schläge mit seinem Lieblingsinstrument, dem Rohrstock einzustecken… und wie ich, voller Angst vor dem Unbekannten – dann das kleinere Übel wählte, den Stock…

Ich erinnerte mich liebevoll an jenen amüsanten Brunch bei meiner Freundin Carla, wo ich ihn das erste Mal tatsächlich sah – denn bis dahin hatte er mich bei jedem Treffen eine Augenbinde tragen lassen – und noch immer musste ich bei dem Gedanken an die Show, die ich damals abgezogen hatte, hellauf lachen…
Auf jeden Fall war die Szene in jenem Zimmer damals, wo ich mit seiner Lust spielte und die Kondome aus meinem Strumpfband zog – so ganz wie in Pretty Woman – bühnenreif gewesen…
Die Nacht, als er mich auf jene SM-Party von Steve Woodman mitnahm und ich sozusagen als „Blind Lady“ in die Szene eingeführt wurde… wo er mit meinen Ängsten und Sehnsüchten spielte – und dies alles unter Carlas und Franks Augen – es war das erste Mal gewesen dass Freunden von mir, die Sklavin gezeigt wurde!
Der gemeinsame Besuch in jenem Swingerklub, wo er mich empfindlich bestrafte – in dem er mich dem übelsten und widerlichsten Typen im ganzen Klub auslieferte – sehr zu Carlas Entsetzen – und doch so stolz war, als ich einfach gehorchte…

Vorbei… alles vorbei.
Die Kühle der beginnenden Nacht kroch in meine Glieder. Ich seufzte und erschauderte leise. Fröstelte.
Die Kälte kam nicht nur aus meinem Inneren. Sie kam nicht nur aus meinem Herzen.

Ich blinzelte und schaute mich dann um. Eben versank die Sonne hinter den Wipfeln der Bäume, es wurde dunkel.
Hier, auf diesem speziellen Parkplatz hatten wir uns öfters getroffen – nicht immer im guten, manchmal auch zu einer nächtlichen Strafaktion.
Hier war – so schien es mir – der richtige Ort, um von ihm Abschied zu nehmen. Ihn loszulassen, meinen Herrn, den Earl.

Wieder flattert ein trauriges Lächeln um meine bebenden Lippen und wieder kullern ein paar Tränen über die Wangen.
Du hast mir soviel gegeben. Du hast mich an der Hand genommen und mich auf diesen Weg geführt, mir die Sub gezeigt die ich sein kann. Immer wieder hast du mich an meine Grenzen gebracht und über meine Grenzen gejagt… und doch warst du immer an meiner Seite, hast mich behütet und geleitet…
Ich werde dich nie vergessen… wisperte ich leise.

Ohne hinzusehen, fasse ich nach den beiden Gegenständen, die auf der Motorhaube meines Wagens liegen. Das Halsband klirrt leise und die Augenbinde flattert… gerade so, als wolle sie mich daran erinnern, wie abenteuerlich die erste Zeit war, als ich sie jedes Mal in seiner Gegenwart trug und ihn nicht sehen durfte.
Irgendwann hat er sie mir überlassen, zusammen mit dem Halsband das ich immer für ihn tragen durfte, wenn ich bei ihm war.

Ein tränenblinder Blick hängt an beiden… dann seufzte ich und ein Ruck geht durch meine Gestalt. Ich überquere den Parkplatz. Im Schatten der großen Tannen ist ein kleines Wegkreuz… dort lege ich beides ab. Halsband und Augenbinde. Streichle noch mal über das schwarze Leder. Und über die Seide des Stoffes.
Lächle.
Adieu, mein Herr. Leb wohl, Earl. Alles Glück für die Zukunft, Martin!

Manche Abschiede sind für immer. Gewollt oder ungewollt. Manche fallen leicht, manche schwer.
Und manche… sind der Abschied in ein neues Leben…

Ich weiß nicht, was mir die Zukunft bringen wird. Welchen neuen Herrn… und wohin diese Zukunft die Sklavin führen wird.
Aber der erste Schritt ist gemacht. Und die Voraussetzung dafür, hast Du ermöglicht… Du hast eine Sklavin aus mir gemacht… den Anfang gemacht… und jetzt kann es weitergehen. Mit einem neuen Herrn. In einem neuen Leben…

Ich habe Abschied genommen… leb wohl, mein Herr… mein Earl… leb wohl! Und danke für alles…

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