„Ich weiß, was du bist!“

Dies ist die wahre Geschichte, wie ich zu meinen ersten "Ring der O" kam.

Es war ein ganz normaler Schultag auf dem Gymnasium. Ich war noch (relativ) unverdorben, nur ein wenig mehr sexinteressiert als meine gleichaltrigen Mitschüler. So schlug ich mich an einem Mittwoch nach dem Sportunterricht zu den Schließfächern durch (Ja, ich weiß noch, was für ein Wochentag das war, denn ich hatte mein Hassfach!).
Hätte ich damals schon gewusst, dass dieser Tag mir indirekt zeigte, was meine Zukunft bringen würde, hätte ich laut gerufen: „Ich? Hää? Wieso denn ich? Ich bin doch nicht pervers und mag doch keinen SM oder solchen Kram!?“
Aber nein. Dieser Tag sollte mir erst später wieder in Erinnerung kommen. Und zwar als es schon zu spät war.
Erst Monate danach würde ich erkennen, dass sich an diesem Tag ganze drei (erste) Zeichen von BDSM in mein Leben drängelten.

Nachdem eine Scharr von Fünftklässlern wie eine Dampflok an mir vorbeigebraust war, traute ich mich endlich aus der Tür vom Umkleideraum der Mädchen und ging in Richtung der Schließfächer, um meine Sportsachen zu verstauen.
„Mann-oh-mann, der Boden sieht ja dreckig aus“, dachte ich mir, als ich den Flur entlangging. Es war kurz vorm Frühlingsanfang und es regnete draußen wie aus Gieskannen. Eben hatte es zur Hofpause geklingelt und ich hatte definitiv keinen Bock „I´m singing in the rain“ zu spielen.
Also ging ich noch ein bisschen langsamer und schaute mich nach meiner Freundin um. In einem Moment der Unaufmerksamkeit kam ein weiterer Fünftklässer in einem rasenden Tempo um die Ecke und rempelte mich an („Hey du Wanst, pass gefälligst auf!“).
Zu spät. Ich taumelte und dann rutschte ich dank des nassen Bodens aus und landete zu guter Letzt auf meinen Allerwertesten.
Au, das tat weh! Scheiß Wänste (= Kinder). Dabei war Rennen in den Fluren verboten!
Man müsste sie dafür strafen und foltern!
(Dieser Wunsch nach Folter wurde damit zum Zeichen Nummer eins)

Nachdem ich mich aufgerappelt hatte und mir meinen schmerzenden Steiß rieb (Der Schmerz war das zweite Zeichen – wusste der SM-Gott damals schon, dass ich masochistisch bin? *lach* Aber wenn ja, wusste er anscheinend auch, dass mein Steiß keine masochistische Neigung haben würde…), sah ich meine Freundin aus Richtung der Damentoilette kommen.
Sie schaute mich schief an und fragte mich: „Na was wolltest du denn da unten?“ und lachte dabei herzhaft.
Ich guckte sie nur böse an, was eher an meinem Schmerz, als an ihrem Humor lag.

Wir standen direkt vor den Schließfächern. Sie hob mein Sportzeug auf und gab es mir samt dem Eigenen. Ich sollte es wegschließen und machte gerade die Spindtür auf, als mir ein kleiner Briefumschlag entgegenfiel.
„Uhhhhhhh…“, machte meine Freundin und kicherte, „du hast einen Liebesbrief bekommen!“
Ich hob ihn auf und steckte ihn in meine Tasche. Diese eine Sache wollte ich nicht mit meiner Freundin teilen, denn im Gegensatz zu ihr war das mein erster Brief dieser Art.

Ich muss dazu noch sagen, dass die Schlitze zwischen den Türen und den Schränken der Schließfächer so groß waren, dass man ohne Probleme auch dickere Dinge (z.B. Briefe) durchschieben konnte, solange man durch Knicken dafür sorgte, dass sie nicht unten wieder herausfielen.
So war diese Art der Kommunikation zu einen beliebten Möglichkeit geworden, sich gegenseitig die Liebe zu gestehen oder Kettenbriefe zu verbreiten (die ich konsequent ignorierte und somit die Kette unterbrach).

Während ich darüber nachdachte, ob es wieder ein doofer Kettenbrief war oder ob ich meinen ersten Liebesbrief auf diese Art bekommen hatte, klingelte es aber und ich wurde aus den Gedanken gerissen.
Wir waren beide froh, dass wir die Pause in der Schule verbringen durften und eilten in den letzten Stock, wo wir uns vor den Kunstraum setzten. Ich freute mich auf den Kunstunterricht, den ich nicht zusammen mit ihr hatte, denn so war es die perfekte Stunde, um sich einem möglichen Liebesbrief zu widmen und darüber nachzudenken.

Als die Pause zu Ende war, ging ich in den Kunstraum und holte den Brief wieder heraus. Erst jetzt bemerkte ich, dass dieser Umschlag mehr enthielt als nur ein Blatt Papier. Da war auch etwas drin, was ich als Ring identifizierte.
Getrieben von meiner Neugier, riss ich den Umschlag auf und nahm den Brief heraus, in dem ein silberner Ring lag.
In der linken Hand hielt ich den Brief und in der rechten Hand den Ring, auf dem eine kleine Kugel angebracht war, durch die ein weiterer kleiner Ring ging (Das dritte und wichtigste Zeichen).
Kenner wissen, dass dies der „Ring der O“ ist, der Sklavenring: das Erkennungsmerkmal der SM-Szene. Aber ich kleines unschuldiges Wesen (*haha*) wusste davon noch nichts, sondern konnte nur immer wieder verwundert abwechselnd auf den Brief und den Ring schauen.
Denn die kleinen fünf Worte auf dem Blatt Papier hinterließen nur ein großes Fragezeichen in meinem Kopf. Da stand in schöner Schrift und dazu auch noch in meiner Lieblingsfarbe:
Ich weiß, was du bist.

Es stand kein Name, keine Unterschrift darunter und man kann sich gut vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man solche verwirrenden Worte liest.

„Ich weiß, was du bist…“ – was sollte das bedeuten? Was bin ich oder was meinte er oder sie damit? Wer war das, der mir so eigenartige Nachrichten schrieb?
Das war nun wirklich kein Brief, den ich in meinem Spind erwartet hätte.
Ich grübelte lange über die Fragen nach, die mir durch den Kopf sausten, bis ich am Wochenende darauf den Ring in meine Schmuckschatulle legte und für eine Weile vergaß.

Nur ein paar Monate später sollte ich erfahren, was dieser Ring für eine Bedeutung hat und zu dem Zeitpunkt war ich schon Feuer und Flamme für das Thema BDSM geworden (Allerdings faszinierten mich damals erstmal nur die Bondagekünste, was doch noch relativ harmlos war. Das sollte sich aber dann auch ändern.)

Sobald ich wusste, was für ein Ring das war, streifte ich ihn mir über: Überzeugt davon, dass mich das, was ich da gerade erst anfing zu entdecken, mich nicht so schnell loslassen würde.
Ich war eben doch ein neugieriges Mädchen.
In mir war ein neues Feuer entfacht und es wurde geschürt und brennt nun seit dem Lebensjahr lichterloh!

Heute ist mir bewusst, dass – wer auch immer mir diesen Brief mit dem Ring geschickt hat – wusste, wohin ich mich entwickeln würde. Und genau das fasziniert mich bis heute.

Verfasserin Kleines Andreaskreuz

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