Niemals

„Frag mich niemals, ob ich dich liebe.“ Ich habe deine Worte noch deutlich in den Ohren. Gleich nachdem du mir zum ersten Mal ein Halsband umgelegt hattest, wurde ich mit deinem heiligsten Grundsatz konfrontiert und ich hatte wenig entgegenzusetzen, wenn du – gestützt auf die Erfahrung von vier Jahrzehnten Leben – davon sprachst, dass ein ‚Ich liebe dich’ keinen Platz hat in deiner Welt, dass Sadomasochismus und Liebe einfach nicht zusammenpassen, dass diese drei kleinen Worte alles kaputtmachen.

Dabei war unsere Beziehung vom ersten Tag an intensiver als alles, was ich zuvor jemals mit einem Mann erlebt hatte. Wir konnten und wollten nicht voneinander lassen, waren oft mehrere Tage und Nächte ohne Unterbrechung zusammen, dann wieder sahen wir uns eine Woche lang nicht, um danach völlig ausgehungert übereinander her zu fallen.
Du hattest mich zu deiner Sklavin gemacht, wir lebten in getrennten Wohnungen, aber du verfügtest über mich wie ein Herr über sein Eigentum verfügt, bestelltest mich zu dir, wann es dir gefiel, benutztest mich, wie es dir gefiel und gabst mit dennoch nie das Gefühl, unsere Beziehung zueinander sei beliebig, meine Abhängigkeit von dir sei unwürdig oder meine Hingabe sei billig.

Natürlich vermied ich es, von Liebe zu sprechen, denn ich war davon überzeugt, dass du konsequent genug warst, mich in diesem Falle sofort und unwiderruflich wegzuschicken. Aber ich unternahm doch den einen oder anderen kleinen Versuch in diese Richtung, sprach davon, wie gut wir doch zusammenpassten und wie glücklich ich mit dir war. Und wenn es dann nur noch ein klitzekleiner Schritt zur Frage nach deinem Glück und deiner Liebe war, sahst du mich ernst, fast traurig an.

Du sprachst mit leiser Stimme, erinnertest mich daran, dass ich so etwas nicht sagen sollte oder du legtest einfach nur deine Hand auf meinen vorlauten Mund. In diesen Momenten war ich glücklich darüber, dass du mich gefunden und genommen hattest, aber ich war auch enttäuscht, weil ich spürte, dass ich nicht nur deine Sklavin sein wollte, sondern auch deine Geliebte, deine Vertraute und Verbündete. Und weil ich spürte, dass ich all das längst war – und dennoch nicht sein durfte.

Du hättest es nur ein einziges Mal aussprechen müssen und es wäre besiegelt gewesen: Ich, deine Sklavin und Frau, und du, mein Meister und Mann. Du wusstest das und als wolltest du mir meine Enttäuschung austreiben, bestraftest du mich noch unnachgiebiger für meine Unachtsamkeit als sonst.
Du knebeltest mich, als wolltest du verhindern, dass ich jemals wieder etwas so Dummes sage, du schlugst mich, mein Jammern und meine Tränen ignorierend, als wolltest du mir, nein, als wolltest du uns beiden zeigen, dass es keine Chance gab für uns als Liebespaar. Dass wir keine Ausnahme darstellten.

Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es eher Einsicht war oder ob ich schlicht aufgab, aber irgendwann erkannte ich, dass du Recht hattest und meine Hoffnung auf ein ‚normales Leben’ mit dir hörte auf zu existieren.
Ich wusste nun, dass ich nicht weniger, sondern mehr hatte als die Anderen, die trotz SM zusammenlebten, miteinander am Frühstückstisch saßen und sich von irgendwelchen Alltagserlebnissen erzählten, die zusammen in Urlaub fuhren, ihr gemeinsames Leben planten und davon sprachen, miteinander alt werden zu wollen...
Ich beneidete sie nicht mehr, sondern bedauerte sie, weil ihre Liebe die totale Unterwerfung unterwanderte, sie unmöglich machte. Aber ich wollte mich dir doch unterwerfen, willenlos und rechtlos. Mein Glück lag in deinen Händen und du konntest mit ihm machen, was du wolltest.

Du hast es zerstört. Mit einem einzigen Satz. Heute Morgen hast du mir gesagt, dass du mich brauchst, dass du möchtest, dass ich ganz zu dir ziehe, dass wir zusammenleben. Du sprachst von einem Wunder, an das du nicht mehr geglaubt hattest, davon, dass ich die Frau sei, mit der du alles teilen wolltest.
Als ich dir sagte, dass es aus sei und ich dich verlassen würde, hast du mich völlig verständnislos angesehen. Und als ich aufstand und langsam zur Wohnungstür ging, hast du versucht, mich zurückzuhalten, hast angefangen zu weinen und gebettelt, ich solle bleiben. Aber es gibt kein Zurück. Du hättest mir niemals sagen dürfen, dass du mich liebst.

Der Text stammt aus dem Buch "Audienz beim Sonnenkönig", näheres dazu bei den Buchempfehlungen

Verfasser passionale

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