Am Meer

Müde, doch voller Vorfreude ist sie heute auf der Insel angekommen. Die letzte Zeit hatte A. mächtig Stress im Büro und ist jetzt mehr als urlaubsreif. Die Unterkunft ist ganz nach ihrem Geschmack … einer dieser kleinen, weissen Bungalows, inmitten eines Palmenhains, nicht weit vom Hauptgebäude des Hotels entfernt, trotzdem in angemessener Entfernung, um sich nicht durch die Geräusche der täglichen Parties gestört zu fühlen.

Den Inhalt ihrer beiden Taschen hatte sie schon im Schrank verstaut, jeden Winkel des Häuschens erforscht … jetzt lümmelt sie träge in der Hängematte vor der Hütte.
Es ist ein herrlicher Blick aufs Meer, … die tiefstehende, sich rötlich verfärbende Sonne spiegelt sich auf der Wasseroberfläche. Der blütenweise Sandstrand lädt geradezu ein seine Fussspuren zu hinterlassen. Der Termin ist gut gewählt, denkt sich A. … kaum Touristen auf der Insel … ideal zum Relaxen.
Die Abendstimmung ist spürbar … melancholisch … eine leichte Brise weht vom Meer zu ihr herauf und lässt den Meeresspiegel glitzern wie Silber. Das Buch, welches sie lesen wollte, ruht unbeachtet auf dem kleinen Tischchen hinter ihr … zu sehr geniesst sie das Gefühl der salzigen Luft auf ihrem Körper.

Eine altbekannte Sehnsucht erwacht in A. … wird er kommen, wie er versprach? A. würde ihn niemals drängen … er muss von sich aus und freiwillig entscheiden … weiss er doch, wie sehr sie es sich wünscht, ihn hier zu haben. Glück ist erst wundervoll, wenn man es teilen kann.

Während sie in Tagträumen schwelgt wandern ihre Hände über ihren nackten Leib … die Haut fühlt sich bisschen rauh und feucht an … die salzige Meeresluft. Sie stellt sich vor, es wären seine Hände und seufzt leise. Unter ihren Fingern spürt sie ihr eigenes Beben und lässt frustriert ihre Arme sinken.
„Hör nicht auf“, hört sie eine leise, tiefe Stimme hinter ihr. Vor freudigem Erschrecken fällt sie beinahe von der Matte … D. ist gekommen!

Kein anderer Gruss ist nötig, denn schon springt sie ihm an den Hals und umschlingt D. mit ihren Armen.
„Wann kam dein Flug an?“, „Möchtest du was essen?“, „Bist du müde?“…… bricht es aus A. heraus … mit einem „Schhhhtttttt“ verschliesst er ihren Mund mit seinen Lippen, legt seine Hände auf ihren Po, hebt sie mit beiden Armen hoch und dringt mit einem Stoss in sie ein.
A. umschlingt ihn mit Armen und Beinen, als wolle sie ihn niemals mehr loslassen. So verharren beide … Hitze breitet sich in A. aus … sie will Bewegung, doch D. lässt es nicht zu … welche Pein!
Mit höchster Konzentration zwingt A. ihre inneren Muskeln zu Kontraktionen … die Wirkung lässt nicht auf sich warten … sie spürt, wie D. in ihr noch weiter wächst … „Wer hat nun die Macht?“ grinst A. in sich hinein.
D. gleitet aus ihr heraus und stellt sie auf die Beine ... mit dieser Antwort hat A. nicht gerechnet … keine Sekunde verzichtet er auf die Kontrolle … es scheint wie ein kleiner Machtkampf zwischen den beiden zu sein.
„Wie kann sich jemand nur dermaßen beherrschen?“ schiesst es A. durch den Kopf und würde zu gerne vor Frust mit dem Fuss aufstampfen … unterlässt es aber in weiser Voraussicht, denn das Grinsen um D´s Mundwinkel hat sie doch bemerkt.

„Komm, wir machen einen Spaziergang“, sagt D., hebt einen Beutel hoch, den er vorhin achtlos zur Seite geworfen hat, wirft ihn sich über die Schulter und reicht A. die Hand. Als A. sich um ihr übergroßes T-Shirt bücken möchte, kommt nur ein knappes „Nein“.
Nackt wie sie sind wenden sie sich dem Strand zu. Im weichen, feuchten Sand versinken ihre Füsse, das Wasser schwappt ihnen bis an die Knie … so gehen sie am Ufer entlang.

„Was hat D. vor?“, fragt sich A. Schon tauchen die ersten Klippen auf … schwarzer Stein, von stetem Wellengang zu bizarren Ornamenten geformt. In einer kleinen Bucht hält D. an und blickt sich um. Die Umgebung hat sich verändert. Wie im Gebirge sieht es hier aus. Keine Palme, kein Gewächs … nur blanker Stein.

D. steuert einen Stein an, der einsam in der Bucht etwa einen Meter aus dem Sand ragt … umrundet ihn … scheint ihn für irgendein Vorhaben als geeignet zu empfinden, denn er lässt seinen Beutel fallen, kramt darin herum und zieht ein Seil hervor. Er bedeutet A. zu ihm zu kommen und gespannt nähert sie sich.
Ein schwarzes Tuch wird sorgsam zu einem breiten Streifen zusammengelegt, A. über die Augen gelegt und am Hinterkopf zusammen gebunden. Leichtes Unwohlsein breitet sich in ihr aus … ein bekanntes Gefühl … doch diesmal anders. Heute kann sie es nicht mit >dahinter verstecken< unterdrücken, denn zu unbekannt ist die Umgebung, die Geräusche, der Geruch, die Stimmung.

Sie fühlt die Nähe von D. und ihr Puls wird schlagartig ruhiger … A. vertraut ihm grenzenlos. Schon spürt sie seine warmen Hände an ihren Armen, wie sie sanft an ihnen entlang streifen. Er streichelt und tastet sich Millimeter um Millimeter an ihrem Körper entlang, als wolle er ihn sich einprägen. Seine Finger hinterlassen glühende Spuren, jede Stelle lechzt nach Berührung.
Aus Angst diese zauberhafte Stimmung zu zerstören, getraut A. kaum zu atmen. Erregung hat sie gepackt. Wie ein Bildhauer sein Objekt formt, streicht D. fast ehrfürchtig über jede Wölbung und Vertiefung.
A` s Beine fühlen sich bereits wie Gummi an, zu gerne will sie sich fallen lassen … alle störenden Gedanken los lassen … nur in diesem Gefühl des Augenblicks leben. Ein wohliger Schauder überkommt sie, als er viel zu sanft über ihre Schamlippen streift.
„Ich will mehr!“ schreit es in ihr und aus ihr heraus … ihr gesamter Körper fleht um mehr, viel mehr … eine Berührung nur, ganz kurz und sie würde fliegen. Doch diese Erlösung bekommt sie nicht … noch nicht.

A. fühlt sich hochgehoben und nach wenigen Schritten im weichen Sand abgesetzt. D. drückt sie etwas zurück und jetzt kann sie den kühlen Stein im Rücken spüren. An ihren Handgelenken verspürt sie, wie ihr Manschetten angelegt … dann die Arme nach rückwärts um den Stein gebunden werden.
Noch keines klaren Gedankens fähig, da mit sich kämpfend ihrer unterdrückten Erregung Herr zu werden, sitzt sie beinahe bewegungslos festgebunden an dem Stein. Eine Feldflasche mit klarem Wasser berührt ihre Lippen und gierig begrüsst sie die Flüssigkeit ... ungeschickt versucht sie zu trinken, doch das meiste davon rinnt an ihrem Hals hinab auf ihre Brüste, ihren Bauch und versickert zwischen ihren Beinen im Sand.

„Keine Angst …hab Vertrauen … bin immer für dich da“, diese Worte und entfernende Schritte erzeugen in A. ein Gefühl der Ratlosigkeit. Wann kommt er wieder? Wo ist er hin? Ist er noch da und raucht in unmittelbarer Nähe genüsslich eine Zigarette? Was soll das jetzt? Fragen über Fragen schiessen A. durch den Kopf.

„Ist ja schön langweilig“, meckert sie in sich hinein „… toller Urlaubsbeginn“, dann weiter.
Erst Frust, dann beginnende Panik. Sie hört das Rauschen des Meeres … spürt das Wasser an ihren Waden „Ist der Wasserspiegel gestiegen?!?! Die Flut!!!
Nein, nein, nein, ich lasse jetzt keine Panik aufkommen“, denkt sie, „er sagte, ich soll vertrauen und das mache ich auch … es kann mir nichts geschehen, er liebt mich und würde mir niemals etwas zu leide tun. Also werde ich ihm und mir beweisen, dass ich stark bin und vertraue.“

Das Wasser steigt stetig und steht A. bereits bis zur Brust. Sie hat kein Zeitgefühl mehr … sitzt sie schon Stunden hier? Alle möglichen Arten von Emotionen hat sie mittlerweile durch. Von bebendem Zorn, wo sie, wenn wieder freigelassen ihm die Augen auskratzen würde, bis hin zu tiefstem Selbstmitleid. Heisse Tränen versickern in ihrer Augenbinde und verschaffen ihr einen Juckreiz, den sie nicht lindern kann. Auch hier ist sie zur Beherrschung gezwungen.
Viele Erinnerungen gehen ihr durch den Kopf, werden seziert und manches scheinbar Wichtige als Abfall behandelt und aussortiert. Das Meer umspült den Stein und lässt A. erkennen, wie klein und unscheinbar sie in seiner Grösse eigentlich ist. Sie ist sich noch niemals ihres eigenen Seins derart bewusst geworden, als in diesem Moment … gefesselt und ausgeliefert.
Mit einem Schlag überkommt A. eine innerliche Ruhe … sie ist mit sich ins Reine gekommen …
Hatte sie je daran gezweifelt, dass D. sie alleine lässt? Schwere Tränen rinnen ihre Wangen hinab, nicht nur wegen ihrer ursprünglichen Zweifel und der damit verbunden Selbstverachtung, sondern auch ob des tiefen Gefühls der Liebe zu D. … eine Dankbarkeit wärmt sie, dass sie von diesem wundervollen Mann geliebt wird.

In diesem Augenblick fühlt sie, wie sie losgebunden wird, als hätte D. den exakten Zeitpunkt gespürt. Ihre Arme fühlen sich taub an und sie bewegt ihre Finger und die Hände um die Blutzirkulation wieder anzuregen. Dankbar lässt A. sich auf die Arme nehmen und hoch tragen. Noch immer kann sie nicht sehen, wohin er sie bringt … doch das stört sie nicht im Geringsten.

An den Geräuschen um sich herum erkennt A. dass sie sich der Hotelanlage nähern … und tatsächlich … D. hat sie in ihren Bungalow gebracht, im Bad wieder auf ihre Beine gestellt und die Augenbinde gelöst.
Blinzelnd, ob des plötzlich grellen Lichtes erkennt sie, wie er an der Duscharmatur hantiert und schon prasselt heisses Wasser wohltuend und belebend auf sie herab. Doch was noch schöner ist … D. kommt zu ihr und schrubbt ihren Körper.
Sie haben noch kein einziges Wort miteinander gesprochen, es wäre fehl am Platze, wo Gefühle weit mehr aussagen.

Keine Sekunde vergeht, wo sie sich nicht berühren … als wäre es die letzte Minute ihres Lebens. A. fühlt in sich eine neue, unbekannte Flamme brennen … belastet sich aber in diesem Moment nicht damit, sie zu ergründen … das hat Zeit … sie ist ja in Urlaub.
Doch diese Flamme ist grösser, wärmer, intensiver und will gar nicht gelöscht werden, sondern eher noch geschürt …

Verfasserin Britta

Webseite der Verfasserin: www.brittavienna.de

Du bist nicht angemeldet.
 Einloggen / Registrieren