Der Rausch von Macht und Ohnmacht

Es ist kein seltenes Phänomen, welches gerade Subs - teilweise aber auch Doms - erleben, der Sog und die große Euphorie einer DS Beziehung. Besonders wenn die Neigung jahrelang unterdrückt wurde und es endlich zugelassen werden kann, überstürzen sich mitunter die Ereignisse und Wünsche. So viele neue Eindrücke, intensive Erfahrungen, die einen auf einer Wolke schweben lassen und ein Rausch, der auch sonst sehr vernünftige Menschen dazu bringt, immer mehr zu wollen. Das bisherige Leben wird von dieser Wolke aus als klein, unbedeutend und mitunter sogar als falsch wahrgenommen. Gerade Menschen, denen es wichtig ist, ihren Mann oder ihre Frau zu stehen und jene, die sonst nicht loslassen können, geraten schnell in diesen Sog. Eben da der in unserer Gesellschaft fast schon tabuisierte Wunsch, sich jemandem wirklich zu unterwerfen (versus Freiheitsdenken) dazu führte, dass sie es sich selbst gegenüber lange Zeit verleumdet haben und das Einreißen von Mauern immer mit einer Mischung aus Angst und vor allem viel Euphorie einhergeht.

Sind die Mauern überwunden wird bemerkt, dass diese Mauern auch das eigene Wesen gefangen hielten. Freiheit zu spüren ist immer etwas, das berauscht und in diesem Glückszustand kommt das Gefühl auf, endlich seine Bestimmung gefunden zu haben. Das Problem bei Bestimmungen ist aber, in der Regel hat der Mensch mehr als nur eine, dies wird aber durch den Rausch ausgeblendet und es erfolgt die Fokussierung genau auf diese eine und eben nur diese eine Bestimmung.

Um der vermeintlich einzigen wahren Bestimmung zu folgen, möchte man am liebsten ewiges Eigentum des oder der Dom werden und sich dem Willen des anderen möglichst weitgehend unterwerfen. Es werden Anweisungen befolgt, die man ohne diesen Rausch niemals befolgen würde, man akzeptiert Dinge, die einem bei nüchterner Betrachtung vollkommen absurd erscheinen würden. Es kommen Wünsche auf, den Partner durchgehend mit „Herr“ anzureden, sich mittels Zeichen, gemeinsamer Rituale und vielleicht auch einem Vertrag an ihn zu binden und natürlich das Zeichen der Verbundenheit, sei es nun eine Kette oder ein Halsband am liebsten immer zu tragen, um aller Welt die eigene Bestimmung zu zeigen.

Leider führt ein Rausch aber auch zu einem Tunnelblick, egal ob es sich um einen durch Alkohol oder Hormone erzeugten Rausch handelt und leider hält kein Rausch ewig. Natürlich kann durch eine Erhöhung der Dosis die Dauer gestreckt werden, aber irgendwann ist auch hier das Limit erreicht. Zumeist trifft dieser Rausch Neulinge im DS Bereich, also solche, die bisher keinen oder wenig oder eben nur recht oberflächliches DS betrieben haben.

Was aber kann gegen einen solchen Rausch unternommen werden?

Zuerst einmal muss man diesen Rausch überhaupt erkennen. Leider gibt es nicht das eine typische Merkmal, sondern eben eine Vielzahl von Faktoren, die unterschiedlich ausgeprägt sein können:

- BDSM bestimmt nunmehr einen sehr großen Teil des Denkens
- Das alte Leben wird infrage und negativ dargestellt
- Aus der Spielart BDSM wird rasch eine Art Lebenseinstellung
- Es wird immer mehr an DS Komponenten gewollt
- Eine erhöhte Risikobereitschaft oder überhöhtes Vertrauen in Bezug auf BDSM, bzw. den Partner
- Der Partner wird idealisiert und auf ein Podest gehoben
- Euphorie die nicht nur einen Moment wie sonst anhält, sondern eben weit länger und intensiv ist
- Große Worte, Schwüre und Versprechungen
- Das Gefühl, endlich man selbst zu sein
- Ein großes Mitteilungsbedürfnis über das persönliche Glück/BDSM
- Gefühle werden für jemanden entwickelt, für den man sonst keine Gefühle entwickeln würde

Nicht alle genannten Faktoren werden immer vorkommen und jeder Mensch ist unterschiedlich bei der Art seiner Bindungen, seinem Kommunikationsbedürfnis und auch seinen normalen Launen. Je mehr und je intensiver diese Anzeichen aber zutage treten, umso größere Vorsicht ist geboten.

In erster Linie kommt hierbei dem Partner die Verantwortung zu. Als Dom jemanden, der sich einem weitgehend unterwerfen will, zu zügeln und auszubremsen, ist kein leichtes Unterfangen. Immerhin profitiert der Dom selbst zuerst einmal sehr stark von diesem Rausch und diese schnelle und intensive Form der Unterwerfung schmeichelt mitunter auch dem eigenen Ego. Es werden einem in Windeseile Dinge ermöglicht, die einen selbst extrem kicken.

Jedoch kann ich an dieser Stelle nur an Vernunft und auch Moral appellieren. Moralisch ist es nicht fair, jemandem, dessen getrübten Blick man kennt oder zumindest vermutet, nicht zu helfen wieder klar zu sehen. Außerdem sagt mir meine Erfahrung, dass solche Beziehungen oft nicht lange halten, denn irgendwann klärt sich der Blick und es kommt zum Rollenkonflikt zwischen dem alten und dem neuen Leben. Und dieser Konflikt belastet dann die Beziehung sehr.

Den oder die Sub zu zügeln, neue Perspektiven aufzuzeigen, nicht jede Offerte zu nutzen oder gar jede Veranlagung zu schnell zu fördern, das ist wirkliches Verantwortungsbewusstsein. Was Bestand haben soll, wuchert nicht, es wächst mit Bedacht aber eben ständig. Wenn der Schwerpunkt der Beziehung sich immer mehr auf das reine DS verringert und kaum noch etwas anderes zählt, wenn nach wenigen Wochen schon Verträge geschlossen werden sollen, die Sub nicht selbst kündigen kann, wenn Sub ihr/sein Glück so offensiv vor sich herträgt, dann spätestens sollte jedem klar sein, dass sie/er sich in einem Rauschzustand befindet. Hier schadet es nicht, die Augen zu öffnen, sei es als Partner oder auch nur Freund oder Bekannter. Natürlich wird dies meist nicht gern gehört, jedoch kann es dazu führen, den Rausch zu verkürzen und damit die Folgen zu minimieren.

Gerät hingegen der Dom in einen solchen Rausch, dann sollte Sub gut auf sich aufpassen. Wobei die Abgrenzung zwischen einen Domrausch, einem rücksichtlosen und einem DummDom, recht schwer ist. Einen solchen Dom zu zügeln ist nochmals schwerer und das Risiko zu weit zu gehen, steigt damit ungemein. Fordert Dom, aus welchem der drei Gründe auch immer, innerhalb kürzester Zeit eine sehr weitgehende Unterwerfung oder objektiv gesehen unzumutbare Dinge (daher ist immer ein Austausch mit anderen BDSMlern wichtig, wenn man noch nicht beurteilen kann, was angemessen wäre und was nicht) und dreht sich plötzlich fast die ganze Kommunikation nur noch um BDSM, sollte Sub sich in diesem Fall nicht mitreißen lassen, sondern ein Gespräch auf Augenhöhe suchen, um klare Grenzen zu setzen und zu raschen oder zu extremen Forderungen entgegenzutreten. Wenn ein Dom eine Sub mehrfach oder gar dauerhaft mit seinen (An-)Forderungen überlastet sollte Sub von diesem Abstand nehmen.

Egal ob ein Dom- oder Subrausch vorliegt, in beiden Fällen ist es auf jeden Fall hilfreich, neben dem BDSM auch ausreichend andere Dinge in die Beziehung einzubinden, wie normale Freizeitaktivitäten sowie normale Gespräche über Themen, die nichts mit BDSM zu tun haben. Wichtig ist auch, nicht zu schnell immer neue DS Felder gemeinsam zu erschließen. Je früher einer rauschhaften Entwicklung gegengesteuert wird, umso mehr Chancen hat man, dass die Beziehung eben nicht im DS-Rausch nach und nach verglüht.

Natürlich können auch Außenstehende helfen, hier sind die Maßnahmen ähnlich. Die Themen und Unternehmungen weg von BDSM lenken, damit der Blick auf die normale Welt eben nicht verloren geht und es ist vollkommen legitim und eben auch angebracht, das Thema direkt anzusprechen, wenn der richtige Zugang zu dieser Person vorhanden ist. Hat man hingegen keinen wirklichen Zugang, kann es leider schnell dazu kommen, dass dieser Hinweis als Einmischung und vor allem so verstanden wird, dass einem das aktuelle Glück einfach nicht gegönnt wird. Dies führt dann noch mehr zu einer Abschottung und die Flucht in die Dom-Sub Blase in welcher alles perfekt ist und die einem keiner gönnt oder zumindest, dass niemand ohne diese Gefühle in der Lage ist, einen zu verstehen. Die damit verbundene weitere Fokussierung auf das persönliche DS führt dazu, dass die Person immer unerreichbarer wird. Wenn der Versuch der Hilfe scheitert, sollte abschließend die Option aufgezeigt werden, dass sich die Person jederzeit bei einem melden kann, wenn sie Hilfe braucht. In der Regel geschieht dies dann einige Monate später und man kann zumindest helfen, die Nachwirkungen des Rauschs zu minimieren.

Im Forum finden sich zu dieser Thematik mehrere Erfahrungsberichte.

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