Nähe und Distanz

Was sollen Distanz und Nähe eigentlich bedeuten? Die Distanz ist der Abstand zwischen zwei Personen und kann, muss aber nicht immer emotionaler Natur sein. Ebenso mag sie für eine räumliche Distanz stehen, bei der trotz allem an den Partner gedacht wird.
Ähnlich ist dies mit dem Begriff der Nähe. Die einen brauchen die Nähe, um eine innige BDSM-Beziehung zu führen, andere hingegen halten zu viel Nähe zumindest seitens der dominanten Person für schädlich.

In den ersten Jahren, in denen ich aktiver BDSMler war, konnte ich es mir auch nicht vorstellen jemanden zu schlagen oder zu erniedrigen, den ich liebe. Inzwischen halte ich es zwar immer noch nicht für zwingend notwendig, eine devote Partnerin zu lieben oder von dieser geliebt zu werden, es ist aber für mich zum Ideal geworden.

Wie ist es demnach möglich, eine Person, die man liebt, in einer konkreten Situation wie ein Objekt zu behandeln? Ganz einfach: Weil man die Freude und die Verbundenheit spürt, die diese besondere Beziehung zwischen zwei Menschen hervorzurufen vermag. Wenn beide Partner Lust an diesem Spiel um Macht und Unterwerfung finden, wie kann es schlecht sein und warum soll ich so etwas schönes nicht gerade mit der Person erleben wollen, die ich auch liebe?

Nähe wie auch Distanz sind die Extreme, zwischen denen sich jede soziale Beziehung bewegt. Sei es der Chef, der im Idealfall fordert, aber auch fördert oder Freunde, mit denen man sehr gerne seine Zeit verbringt, es aber auch noch andere soziale Kontakte gibt, so dass es eben Zeiten geben muss, in denen man sie nicht einbinden will.

In jeder „normalen“ Liebesbeziehung gibt es die Sehnsucht danach, den anderen zu spüren, aber eben auch einen gewissen Grad an Freiheit bewahren zu wollen, denn diese gehört zu einem Individuum einfach dazu. Beide Wünsche wohnen in jedem Menschen inne und sind in jede ihrer sozialen Beziehungen manifestiert. Natürlich verändern sich die Bedürfnisse je nach konkreter Situation (Stimmung, andere soziale Interaktionen etc.).

Auf das Verhältnis Mann und Frau will ich hier nicht weiter eingehen, denn diese Erfahrungen dürfte bereits jeder gemacht haben, der eine Beziehung geführt hat. Der Balanceakt zwischen Nähe und Distanz auf der Ebene BDSM ist hingegen nochmals viel komplexer.

Wenn ich selber eine Liebesbeziehung führe, liebe und begehre ich die Frau gleichermaßen, die Sklavin hingegen begehre ich primär. Ich will sie besitzen, mich an ihr erfreuen, stolz auf sie sein (und ich gebe es zu, auch auf meinen Anteil an diesem Werk) und sie bei ihrer Entwicklung schützen, fordern und fördern.

Aus den Beziehungen, die ich geführt habe, aber auch aus vielen Gesprächen weiß ich eines: Eine Sklavin liebt häufig ihren Herrn, oftmals entflammt diese Liebe sogar viel früher als die auf der ganz normalen Ebene. Dies mag verständlich sein, wenn man bedenkt, wie viel eine Sklavin ihrem Herrn schenkt, aber macht mich selber auch vorsichtig, denn mir ist die normale Ebene im Gesamtkontext einfach wichtiger als der Bereich BDSM.

Immer wieder bemängeln Subs, dass sich die Doms entweder nicht bei ihnen melden und sie sich nur noch als Objekt fühlen oder aber, dass der Herr oder die Herrin einfach zu nett und nicht konsequent ist. Jeder Mensch hat seine Bedürfnisse. Grundlegend ist eines aber immer gleich: Zu viel Nähe kann die erotische Spannung töten, zu viel Distanz bewerkstelligt dies jedoch mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit.

Die schlimmste Strafe, die ich für eine Sklavin habe, ist Nichtbeachtung, also die temporäre maximale Distanz. Was mir am schwersten fällt, ist die Konsequenz in jeder Situation, wenn ich liebe, denn auch wenn es in dem Moment meine Sklavin ist, vieles, vielleicht sogar sehr viel erinnert mich eben auch an die Frau, die ich liebe.
Mit der Nichtbeachtung gehe ich äußerst vorsichtig um und zur Konsequenz muss ich mich, zumindest wenn ich liebe, ab und an selber zwingen. Führen bedeutet eben auch Verantwortung zu übernehmen und dazu gehört es ebenfalls Opfer zu bringen und nicht nur konsequent der Sklavin, sondern auch gegenüber sich selbst zu sein.

Nähe und Distanz sind demnach keine Extreme, die sich ausschließen, sondern solche, die sich ergänzen. Wird nur das eine gespürt, entsteht über kurz oder lang der Wunsch auch einmal wieder das andere zu spüren. Für jeden Bereich gibt es daher seine Zeit und im Idealfall schaffen es die Partner ihre Bedürfnisse relativ synchron zu halten und sich gegenseitig auch die Freiräume zu geben, wenn diese eben nicht deckungsgleich sind. Jeder Teil einer Beziehung hat seinen Wert, entscheidend ist daher, dass die Wertvorstellungen übereinstimmen, beide sozusagen auf einer Wellenlänge schwingen.

Oft wird das „Problem Nähe und Distanz“ als BDSM-typisch hingestellt, ich sehe in den unterschiedlichen Rollenverteilungen hingegen auch eine große Chance. Ein temporäreres Ungleichgewicht von Nähe und Distanz führt in „normalen“ Beziehungen häufig zu einer Täter-Opfer-Konstellation. Der eine wünscht oder fordert ein, der andere verweigert sich.
Hier kann das switchen von der einen in die andere Rolle helfen, einen Ausgleich zu schaffen. Besonders der devote Part kann sowohl Nähe (emotionale Bindung an den Dom) als auch Distanz (Objektivierung) in einer Session erfahren und das in einer unterwürfigen Rolle, die in normalen Beziehungen aus der Person ein Opfer machen würde. Hier aber profitieren beide und somit gibt es kein Opfer.

Natürlich ist dies nicht nur im großen Rahmen einer Beziehung, sondern ebenfalls ein essentieller Bestandteil einer einzelnen Session. Jeder spielt anders, fast alle haben mit dem Ende einer solchen Session ein Bedürfnis: das der Nähe. Eine devote Person nach einem intensiven Spiel allein zurückzulassen, wird ihm oder ihr fast zwangsläufig das Gefühl geben, ausgenutzt und nichts wert zu sein.

Innerhalb des Spiels eine für viele durchaus erotisierende Vorstellung, außerhalb dessen jedoch oftmals ein Erlebnis mit Schockwirkung. Für mich selber startet das Spiel meist mit dem Faktor Distanz, die Person wird erst einmal zum reinen Objekt meiner Begierde. Innerhalb des Spiels gibt es zumeist beide Phasen, ich genieße es eine Ohrfeige zu geben und in dem Moment danach sanft über die Wange zu streicheln oder sie zu küssen.
Die Abwechslung von Distanz (Schlag) und Nähe (Zärtlichkeit) macht für mich einen großen Teil der Spannung aus. Neigt sich alles langsam dem Ende zu, will ich Nähe geben, dem Partner zeigen, dass ich ihn behüte und für ihn da bin.

Eine dominante Person, welche versucht, immer die Distanz zu wahren und damit eine tiefe Kluft zwischen sich und seinem Partner zu schaffen, will die Nähe vermeiden. Manchmal, weil er oder sie mit dieser nicht umgehen kann, oftmals jedoch aus Angst. Wer kein Widerwort und nicht mal eine Kommunikation in zwei Richtungen akzeptiert, versucht doch nur Kontrolle und damit Sicherheit zu erlangen, weil ihm oder ihr Souveränität fehlt.

Häufig werden sehr viele Regeln aufgestellt, um das Ganze in ein möglichst einfach kalkulierbares Korsett zu schnüren. Es gibt selbstverständlich auch devote Personen, die genau eine solche dominante Person suchen. Mag es bei den dominanten ein Komplex sein, ist es bei den Devoten vielleicht der Wunsch nach einer Sicherheit, die ihnen sonst verwehrt wird oder auch wurde.

Interviewantworten: Wie gehst Du mit dem Thema Nähe und Distanz um?

Blogartikel von Frekkja: Nähe und Distanz

Du bist nicht angemeldet.
 Einloggen / Registrieren