Fliegen im Subspace

Lange Zeit habe ich mir dann gewünscht auch einmal zu fliegen, den Kopf völlig abschalten zu können und diesen rauschähnlichen Zustand zu erreichen. Und dabei gar nicht gemerkt, dass ich auf dem besten Weg dahin war und auch schon den ein oder anderen „kleinen“ Flug erreicht hatte. Aber eben auf meine Weise.....

How to … fly?

Wer jetzt eine Definition erwartet, was „man“ unter Fliegen oder Subspace versteht oder gar eine Anleitung, wie man den diesen Zustand erreicht, den muss ich leider enttäuschen. Denn eine Gemeinsamkeit haben alle „Flüge“, von denen ich gehört und die bisher erlebt habe: Sie kamen plötzlich und unerwartet und waren weder von Sub noch von Dom geplant.

Wer im Internet oder in der Fachliteratur sucht, findet einige Definitionen zum Thema Subspace oder Fliegen. Im SM-Handbuch1 wird der Subspace beschrieben als „Tranceartiger Zustand, der bei intensiven sadomasochistischen Sessions eintreten kann. Der Subspace, in den der passive Partner ‚abtaucht’ wird in seiner Entstehung begünstigt durch die starke Ausschüttung körpereigener Endorphine (was oft als Gefühl des Fliegens wahrgenommen wird) sowie durch eine extreme mentale Konzentration auf den aktiven Partner, die dem Vorgang der Hypnose nicht ganz unähnlich ist“.

Da kann ich erst mal nur nickend zustimmen und denke mir, ja passt irgendwie. Aber auch eben nur irgendwie. Denn wie das immer bei Begriffen ist, man kann sie noch so schön definieren, für jeden bedeuten sie etwas anderes. Und wenn es sich dann noch um Begriffe handelt, die Emotionen, Empfindungen und Gefühlswelten ausdrücken sollen, dann kann man eigentlich nur ein paar Rahmenbedingungen aufzeigen und erläutern was man selbst unter diesem Begriff versteht.

Für mich ist Fliegen eine Gefühl und der Subspace ein individueller Ort, der nur mir gehört. Diesen kann ich aber nur in Verbindung mit jemandem, dem ich die Kontrolle über mich überantworten kann, betreten. Auch für dessen Verlassen benötige ich Hilfe desjenigen, dem ich die Kontrolle über mich gegeben habe und der die Verantwortung und Fürsorge übernommen hat. Wer hoch fliegt, kann auch – wenn der Halt fehlt und kein Auffangen stattfindet - tief und vor allem hart fallen. Und das nicht nur in der Situation, sondern auch Tage später.

Vertrauen ist gut – Kontrolle abgeben noch besser

Ich kenne für mich verschiedene Formen des Fliegens, die in sich völlig unterschiedlich sind. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten, die zu einem Fliegen im Subspace führen können. Ich schreibe sehr bewusst können, denn auch wenn die Grundvoraussetzungen vorhanden sind: So ein Flug passiert nicht so oft. Er passiert plötzlich, er passiert unerwartet. Und auch dieses Nichtplanbare macht einen Teil des Kicks aus.

Um den Subspace zu erreichen muss zunächst einmal die Situation für mich und in mir total stimmig sein, die Atmosphäre muss passen. Ich muss meinem Gegenüber völlig vertrauen. Und zwar handelt es sich hierbei um ein sehr tiefes emotionales Vertrauen, das in der Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Authentizität der Person begründet liegt. Ich muss mich bei ihr sicher, geborgen, aufgehoben und gehalten fühlen, ist sie doch mein einziger Anker zur „normalen“ Welt und die Sicherheit, dass ich mich nicht in mir verliere. Bevor es dann wirklich passiert, ist mir selber gar nicht unbedingt bewusst, wie sehr ich diesem Menschen vertraue. Klar, es muss immer ein Grundvertrauen da sein, bevor man sich in die Hände einer Person begibt. Aber dieser Mensch ermöglicht mir die komplette Kontrolle über mich abgeben zu können.

Die Kontrolle abgeben ist in dieser Situation kein bewusster Akt. Es passiert in dem Moment einfach. In diesem Zusammenhang heißt Kontrolle abgeben nicht, dass ich körperlich gefesselt bin und der andere die Situation bestimmt. Beim Fliegen ist das Kontrolle abgeben umfassender, ganzheitlicher. Es sind keine Hilfsmittel oder Werkzeuge, die mich in diese Situation zwingen, sondern die Kontrolle abgeben kommt ganz allein aus mir heraus. Ein Zustand in dem mein Gegenüber die körperliche und auch geistige Macht über mich hat. Ich habe schon viele Flagellations-Session erlebt, an denen ich an einem Kreuz oder ähnlichem fixiert war. Die Kontrolle über mich, über mein Empfinden habe ich dennoch meistens nicht abgegeben.

Wenn ich die Kontrolle sowohl auf geistiger als auch emotionaler Ebene aufgebe, kann ich mich komplett in die Situation und/oder mein Gegenüber fallen lassen. Ich kann mich selbst aufgeben, in dem Wissen gehalten zu werden. Mein Gegenüber gibt mir in dieser Situation Halt, ist mein Anker. Er ist der jenige, der mich davor bewahrt mich komplett in mir selbst zu verlieren. Er ist auch derjenige, der mich da wieder rausholen kann. Und die Gewissheit, dass er mich da auch wieder rausholt und danach für mich da ist, ist unglaublich wichtig. Im Subspace fliegen ist immer ein sehr intensives und tiefgehendes Erlebnis, das auch im Nachhinein immer wieder in mir hochkommt.

Auch wenn das Fliegen im Subspace für mich ein absolut positives Erlebnis ist, muss es gemeinsam mit dem Gegenüber bearbeitet werden. Denn ich bin in dieser Situation über meine Grenzen gegangen, habe meine Schutzmechanismen völlig runtergefahren und war dem Geschehen/ der Person hilflos ausgeliefert. Ein Safeword oder ähnliches wäre in diesen Situationen übrigens nicht umsetzbar, denn ich bin dann soweit weg, dass ich dieses weder aussprechen könnte bzw. selbst gar nicht spüre, dass ein Aussprechen des selben notwendig wäre.

Soweit zu den Gemeinsamkeiten: Auf welchem Weg und mit welchen Mitteln dieser Zustand erreicht wird und wie er erlebt wird, kann jedoch völlig unterschiedlich sein. Für mich habe ich zwei grobe Unterteilungen gefunden: Fliegen durch intensive körperliche Erfahrungen (z.B. Hineinfallen lassen in den Schmerz) und Fliegen durch intensive psychische Erfahrungen (z.B. Hineinfallenlassen in die Dominanz). Für beide Arten gilt: Ein Flug in den Subspace ist immer etwas Besonderes, ein Geschenk.

Im Rausch der Endorphine

Bereits vor meinen ersten SM-Erfahrungen bin ich geflogen. Ich hätte dies damals nie so bezeichnet, aber im Grunde wird auch durch „normalen“ Sex so etwas wie ein Fliegen ermöglich. Wenn der Sex sehr intensiv ist und mich emotional stark berührt hat, fängt mein Körper (normalerweise nach einem Orgasmus) unkontrolliert an zu zittern. Dieses Zittern betrifft manchmal nur ein Körperteil wie bspw. ein Bein, manchmal den kompletten Körper, manchmal ist es nur ein leichtes Zittern, manchmal ein sehr heftiges Beben. Ich konnte dieses Zittern kaum beeinflussen, fühlte mich ihm hilflos ausgesetzt.

Da meine Stino-Partner damit nicht umgehen konnten, das ganze eher merkwürdig fanden und sich auch irgendwie überfordert fühlten, habe ich damals versucht, soweit es ging, das Zittern zu unterdrücken.
Mittlerweile hat sich das glücklicherweise geändert. Denn dies sind unglaublich schöne Momente, wenn ich mich damit nicht allein gelassen fühle und mich gehalten weiß. Wenn ich dieses Zittern zulassen kann, hat es die Möglichkeit durch meinen ganzen Körper zu fließen. Ich lasse los und bin meinen Körperreaktionen völlig ausgeliefert. In einer sicheren Umgebung, in einer festen Umarmung, die mir signalisiert: du darfst, ich halte dich, ist dies sehr schön und befreiend.

Im SM-Kontext kann Fliegen durch das Hineinfallen in den Schmerz hervorgerufen werden. In einer eigentlich typischen Spankingsession verlor ich - ohne es zu merken - völlig die Kontrolle über mich. Ich nahm zwar die Stimmen im Hintergrund die meiste Zeit bewusst war, aber ich konnte mich gleichzeitig so in die Schläge hineinfallen lassen, dass ich gar nicht merkte, wie heftig die Session war. Als ich merkte, dass mein Gegenüber sich dem Ende näherte, dachte ich nur, och schon? Wir haben doch gerade erst angefangen. Tatsächlich war allerdings eine gute Stunde vergangen. Ich hatte völlig das Gefühl für Zeit und Raum verloren. Auch dachte ich, dass ich von den paar Schlägen unmöglich Spuren davongetragen haben könnte. Auch dem war nicht so.

Mir ging es danach unglaublich gut. Mein Kopf war völlig frei. Ich war lange in einer Art Schwebezustand. Und ich war froh, dass mein Gegenpart – mit dem mich ein langjähriges sehr intensives Vertrauensverhältnis verbindet - meine Grenzen erkannt hat. Ich hätte noch unendlich weiterspielen können, mein Körper aber sicher nicht. Klarerweise kommen dann auch Gedanken hoch, die Angst machen: Wie maso bist du eigentlich? Wie weit hätte er gehen können? Ich hätte mich nicht mehr schützen können, denn ich war mir meiner Grenzen nicht mehr bewusst. Auf diese Art und Weise und mit diesem Schutz war es ein sehr besonderes, intensives und tiefgehendes Erlebnis.

Im Sog der Hingabe

Ganz plötzlich und unerwartet kann es auch passieren, dass ich mich in die Dominanz eines Mannes fallen lassen kann. Manchmal reicht der Blick oder die Stimme des Doms, um mich ins Subspace zu befördern.

Ausführlich habe ich dieses Phänomen in meinem Text D/s und Sprachlosigkeit beschrieben. Es ist wie ein Sog, ich bin nur noch auf ihn, auf seine Stimme und/oder seinen Blick konzentriert. Die Welt um mich herum ist nicht mehr existent. Ich tauche ein in mein Innerstes.
Sein Blick, seine Stimme hält mich. Ich kann dann weder reden noch sprechen. Ich bin völlig weg, völlig versungen und der Strudel zieht mich immer tiefer. Manchmal kann ich noch völlig klar denken, aber mein Körper gehorcht mir gar nicht mehr. Manchmal ist auch mein Kopf völlig leergefegt, nur noch auf Ihn und auf mein innerstes ausgerichtet.

Das ist ein Moment der völligen Unterwerfung. Einerseits bin ich völlig in meinem Körper gefangen und erlebe diese völlige Bewegungslosigkeit als absolutes gefesselt sein. Diese mentalen Fesseln sind um ein vielfaches stärker als es materielle Fesseln sein könnten. Ich bin völlig an Ihn gefesselt, stehe nur noch in Seinem Bann. Ich bin völlig ausgeliefert, schutzlos, gefangen in mir selbst.

Andererseits bin ich gleichzeitig völlig frei, völlig auf mich und mein Innerstes gerichtet. Ich werde durch Ihn auf mich selbst zurückgeworfen. Durch Seinen Halt kann ich es mir erlauben mich von dem Sog, der mich tief in mein Innerstes führt, mitreißen lassen. Kann die Fesseln und Schutzmechanismen sprengen, die mich sonst davor bewahren zu tief mit mir, meiner Seele in Kontakt zu kommen. Ich bin völlig auf mich zurückgeworfen und doch bei Ihm. Es gibt keine Grenze für mich mehr, nur noch den Halt durch Ihn.

Auch hier kann dieses Gefühl des absoluten Kontrollverlustes beängstigend sein. Vor allem wenn man zu ersten Mal diese Lähmung des Körper spürt und sich eigentlich dagegen wehren möchte. Wenn man das Gefühl aber annehmen kann, sind das Momente tiefster Hingabe und Unterwerfung und in mir ist eine große Dankbarkeit dies so intensiv erleben zu dürfen

Landen mit doppeltem Netz

Damit das Erlebnis ein wirklich rein positives Erlebnis bleibt und Sub sich nicht in der emotionalen Aufgewühltheit und den beängstigenden Fragen rund um den eigenen Kontrollverlust verfängt, muss das Vertrauen, dass sie in ihren Dom gesetzt hat bestätigt werden. Direkt nach dem Fliegen brauche ich generell viel (körperliche) Nähe und das Gefühl, gut aufgehoben und gehalten zu sein. Ich muss mich darauf verlassen können, dass er für mich da ist. Wenn ich mich beim Herausgleiten aus dem Subspace komplett wohlfühle, dann stellt sich oft auch ein Moment völliger innerer Ruhe ein. Ich fühle mich dann gehalten und ruhe in mir selbst wie sonst nie.

Auch späteres Aufarbeiten des Geschehens ist enorm wichtig. Das Signal ich bin für dich da, eingeleitet mit der kleinen Frage: Wie geht es dir? Wichtig ist, dass nicht ich von mir aus aktiv werden muss und sagen muss, du ich würde gerne mit dir darüber reden, sondern das der andere dies von sich aus anbietet. Den nur so wird mein Vertrauen auch im Nachhinein noch mal bestätigt, fühle ich mich und meine Unterwerfung ernstgenommen.

Denn im Fliegen habe ich Ihm das kostbarste Geschenk gemacht, das ich geben kann …mich.

Ob es auch einen Domspace gibt? Ich weiß es nicht, aber wer weiß, vielleicht werde ich es herausfinden…

Du bist nicht angemeldet.
 Einloggen / Registrieren