BDSM mit der Erkrankung Glasknochen?

Natürlich würde fast jeder dazu sagen „Um Gottes Willen, das ist viel zu gefährlich, das kann auf gar keinen Fall funktionieren!“
Und ja, es IST gefährlich, wie viele Dinge im Leben auf die man sich blind und ohne Vertrauen einlässt.
Was bedeutet es mit dieser Erkrankung zu leben? Nun ja, es bedeutet, dass meine Knochen extrem brüchig sind, ich als Kind an die 250 Frakturen hatte, 12 Operationen hinter mir habe und die Folgeerscheinungen daraus Kleinwuchs und eine Abhängigkeit von einem Rollstuhl sind. So viel zu den medizinischen Fakten die mir zwar bewusst sind, die aber noch nie mein Denken bestimmt haben und somit auch nicht mein Bewusstsein als Frau und den Bezug zu meiner Sexualität.
Schon immer habe ich mein Bedürfnis nach sexuellen Wünschen ganz normal ausgelebt, natürlich mit entsprechenden Einschränkungen. Für mich war es immer ganz normal und selbstverständlich wie für jede junge Frau auch. Seltsamerweise hatte ich wenig Selbstzweifel, auch wenn ich natürlich wusste, dass mein Körper alles andere als perfekt ist. Aber ich glaube, gerade diese Selbstverständlichkeit, mit der ich mit diesem Thema umgegangen bin, hat die Männerwelt sich ebenso selbstverständlich mir und meiner Krankheit gegenüber verhalten lassen.

Irgendwann habe ich dann aber gemerkt, dass mir normaler Sex und alles was man in diesem Bereich herausfinden und ausprobieren konnte nicht ausreichte. Ich wollte etwas Intensiveres, vielleicht auch etwas Düsteres, etwas, das wieder meine Neugier weckt und wo es Abgründe und Höhenflüge zu entdecken gibt. Anfangs kam ich mir total gestört vor. Psychisch krank, Warum um alles in der Welt wollte ich Schmerzen ertragen, die ich doch schon so oft in meinem Leben habe und zu einem gewissen Teil auch immer haben werde? Warum wollte ich gefesselt werden, obwohl man mir als Kind im Krankenhaus die Hände am Bett fest gebunden hat, damit ich die Verbände nicht löse? Warum wollte ich auf einmal benutzt werden obwohl ich so vieles über mich habe ergehen lassen müssen? Vielleicht gerade deswegen. Ich weiß es nicht. Es mag eine Form der Therapie sein, es mag aber auch einfach nur meine Neigung sein die ich auch ohne meine Erkrankung hätte.

Und dann bin ich langsam diesen Weg gegangen. Vertrauen ist für jeden an oberster Stelle der BDSM ausleben möchte, doch der Mann der es mit mir auslebt, muss meinen Körper, die Beweglichkeit, die Belastbarkeit und vor allem auch die Grenzen meiner Seele mehr als in und auswendig kennen. Denn körperliche Verletzungen hallen auch immer in der Seele wieder.
Aber er muss auch mutig sein und ihm muss klar sein, dass es auch kleine Unfälle geben kann. Was heute noch machbar ist, kann beim nächsten mal schon zu viel sein. Dafür ist wirklich Geduld und eine ganz ehrliche Konversation absolute Grundvoraussetzung! Er muss sehr konzentriert sein und meinen Körper absolut lesen können und darf sich auch nicht mal plötzlich doch zu einem harten Schlag verleiten lassen.
Vor vielen Jahren habe ich mir ein einziges mal den linken Oberschenkel bei einer Session gebrochen. Natürlich war es für meinen damaligen Spielpartner und mich ein Schreck,aber das kann eben leider doch mal passieren. Und noch einige Jahre vorher gingen beim ganz normalen Sex mal zwei Rippen kaputt.Aus eigenem Übermut. Mit meinem jetzigen Partner ist noch nie etwas passiert.
Aber im Verhältnis zu meinen Frakturen als Kind ist das eigentlich nichts. Manchmal muss man eben Risiken eingehen und dieses Risiko in diesem Bereich gehe ich sehr gern ein!:) Würde man immer aus Angst, dass etwas passiert im Leben auf Dinge verzichten die einen aber lebendig machen, nach denen man sich sehnt und die einen befriedigen, würde man irgendwann feststellen, dass man gar nicht wirklich intensiv gelebt hat. Und das Risiko dies eines Tages festzustellen, ist für mich schlimmer als ein gebrochenes Bein in 10 Jahren.;)

Ich will auch gar nicht all zu sehr ins Detail gehen was nun für mich und mit mir möglich ist und was nicht. Das reicht wenn mein Partner diese Dinge weiß und es soll ja hier auch keine neue Neigungsliste oder eine Anleitung zu meinem Sexleben entstehen. Vielmehr soll es zeigen, dass mit fast jeder Einschränkung das Ausleben der eigenen Wünsche und Fantasien möglich ist solange man den Willen hat einen Weg zu finden und sich nicht von kleinen Schwierigkeiten sofort abschrecken und entmutigen lässt. Empfindungen finden im Inneren statt, dazu Bedarf es weder einem perfekt eingerichteten BDSM Keller, noch einem ausgedehnten Szenario über 10 Stunden. Dazu Bedarf es einfach nur Lust und Mut.

Denjenigen dominanten Männern denen es in erster Linie auf möglichst hart, brutal und extrem ankommt, die können mit mir nichts anfangen. Man kann mich weder grün und blau prügeln noch kopfüber an die Decke hängen. Logischerweise ist der Härtegrad der körperlichen Belastbarkeit bei mir um einiges herunter gesetzt. Diejenigen, die aber eher subtil an die ganze Sache heran gehen und nicht nur auf prügeln aus sind oder ihr Standardprogramm durchziehen müssen, diejenigen die kreativ sind, die sich auf Neues und vielleicht auch Ungewöhnliches einlassen können, denen gegenseitige Erregung und das Experimentieren wichtiger sind als Routine, denen kann ich mich hingeben. Vieles ist nicht möglich und wird auch nie möglich sein, aber eben genauso vieles ist eben möglich, vielleicht sogar manches davon noch intensiver.
Es ist ein gemeinsames Herausfinden, ein Voranschreiten oder auch mal wieder Zurückgehen, ein Kompromiss aus Rücksicht und Forderungen, eine Gratwanderung zwischen Sicherheit und Grenzen ausweiten, ein hohes Gefühl für Sensibilität und dem Bewusstsein, dass das meiste sowieso im Kopf abläuft als in einem Abarbeiten von 10 Schlaginstrumenten und 50 Fesseltechniken.:)

Autorin Nachtblut

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