Tagesform und Kontext

Eine schöne Session zu gestalten, bedeutet für den aktiven Part das Erleben auf Subseite zu gestalten, sowohl physisch, als auch psychisch (manche würden sagen sogar seelisch). Dem gerecht zu werden ist nicht immer einfach, denn es reicht dauerhaft eben nicht, einfach nur einige Praktiken aneinanderzureihen, um das nötige Gefühl zu kreieren.

Neben der Chemie, die natürlich erst einmal grundsätzlich zwischen den Beteiligten stimmen muss, kommt es eben auch auf den Gesamtzusammenhang an. Einfach ist es dabei noch, Tabus und Vorlieben zu ergründen. Wobei Vorlieben, da sind wir bereits an einem wichtigen Punkt. Nach einem stressigen Tag im Büro, Ärger mit Freunden oder auch Migräne, will Sub vielleicht einfach nur ins Bett oder in den Arm genommen werden. Nur weil etwas gestern und vorgestern geil war, muss es das heute nicht sein. Jeder kennt das, manchmal ist man einfach mit dem falschen Bein aufgestanden oder hat Bedürfnisse, die man sonst eher nicht hat. Es gilt also immer ein Auge auf die Tagesform des Partners (ja durchaus auch des/der Doms/e) zu haben.

Ebenfalls spielt der Kontext, also die Gesamtsituation, eine wichtige Rolle. Auf einer Party kann zurückhaltender, offensiver oder eben wie immer agiert werden. Aber nicht nur Einflüsse Dritter spielen mit hinein. Viele Subs ertragen durchaus gerne etwas, wenn sie sehen, dass es ihrem dominanten Partner Freude bereitet oder wenn sie dafür gelobt werden. Neben der aktuellen Gesamtsituation gibt es weitere Faktoren, die schwieriger zu handhaben sind. Da wären die Vorerfahrungen, durch fehlende und vor allem auch frühere Erfahrungen können sich Vorlieben, Ängste und Abneigungen entwickelt haben. Nur wenige dieser Entwicklungen sind wirklich unumkehrbar, das Ersetzen von negativen Erfahrungen durch positive Erfahrungen ist aber nicht leicht. Hier gilt es nicht zu schnell zu sein, sondern kleine Schritte zu gehen und sehr genau auf das Feedback des Partners zu achten. Bei einer dauerhaften Beziehung, in welcher BDSM eine größere Rolle spielt, kann es sich aber für beide Seiten lohnen.

Körper und Geist sind Abenteuerspielplätze, auf denen verschiedenste Reize empfunden werden können, aber keine Session, nicht mal ein Schlag oder eine Geste, wird immer auf die exakt gleiche Art empfunden.

BDSM findet dabei weitaus mehr im Kopf statt, als man gemeinhin denken mag. Wer Schmerz in Lust umwandeln kann, der macht dies nicht zwischen seinen Beinen, sondern im Kopf. Wäre das anders, so würde ein Masochist auch bei Treppensturz Freude empfinden. Viele Masochisten beschreiben diesen Schritt als „Loslassen und Reinfallen“, dies geht aber meist nicht auf Knopfdruck, sondern braucht einen Auslöser und ein Setting welches den Kopf befreit.

Womit wir wieder bei dem Tagesgeschehen sind. Egal was wir machen, wir machen verschiedene Dinge, wir konzentrieren uns so gut wie nie zu 100% nur auf eine Sache, das wäre auch gefährlich und würde zu Unfällen führen. Je mehr alle Gedanken und Gefühle auf die Session gelenkt und positiv besetzt werden können, umso intensiver ist diese für den Subpart. Aber was am Tag erlebt wurde, eine schmerzende kleine Verletzung, Müdigkeit, diverse Gedankenfetzen, all das lenkt ab und wird zu einem Großteil eben von der Tagesform beeinflusst. An dieser Stelle sei ein kleiner praktischer Tipp erlaubt. Sub wird sich kaum auf eine Sache oder ein Gefühl fokussieren können, wenn Dom ständig seinen Führungsstil, die Werkzeuge, usw. wechselt. „Viel hilft viel“, wenn es darum geht möglichst viel zu erleben, birgt aber auch die Gefahr einer Zerstreuung und Überreizung. Wer in die Tiefe gehen will, was ein sehr schönes und befriedigendes Erlebnis sein kann, setzt vor allem einzelne Akzente und dabei gilt zumeist „weniger ist mehr“.

Kurz gesagt, was einer anderen Sub oder einem anderen Dom Freude bereitet, muss auf keinen Fall auch einem anderen BDSMler Freude bereiten. Es gibt keine DIN Norm für BDSM oder nur den einen BDSM Typ. Aber auch wer sich gut kennt und weiß, wie der andere tickt, sollte immer auch den Faktor Tagesform im Hinterkopf behalten. Ein Rohrstock, eine Position oder eine Aufgabe, die gestern noch größten Lust erzeugt hat, kann in einem anderen Kontext oder mit einem anderen Körpergefühl sehr schnell ein grauenvolles Folterwerkzeug werden. Solch ein Folterwerkzeug kann durchaus auch von Dom aktiv eingesetzt werden, dies sollte aber eben nicht unbeabsichtigt aus einem Versehen heraus geschehen.

In diesem Sinne, achtet euch und achtet aufeinander :)

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