Outing

Das innere Outing

Wie sich das innere Outing gestaltet, ist sehr unterschiedlich. Einige Personen haben so gut wie keine Probleme mit ihrer Neigung, andere hadern lange mit sich selbst und es kommt zu einem Rückzug in sich selbst und dem Gedanken, irgendwie krank zu sein. Oft wird in diesen Fällen verzweifelt versucht „normal“ zu sein und die Neigung wird aktiv unterdrückt.

Aber wie mit allem, was man in sich vergräbt, arbeitet und brodelt es immer mehr und somit kann man es irgendwann nicht mehr halten und es kommt zu emotionalen Abstürzen. Vor allem wenn die Alltagsneigung (z.B. alltagsdominant) konträr zur BDSM-Neigung (in dem Fall devot) geht, gibt es das Problem: Wie bringe ich diese beiden Bedürfnisse unter einen Hut?

Es mag schwer fallen, sich selber in einer Rolle zu sehen, die augenscheinlich nicht zu einem passen will. Über Jahre hat man sich selber, aber auch seine Umwelt an dieses Bild von sich gewöhnt, wie soll man dann diese Divergenz aushalten und auch noch dazu stehen?
Jedoch auch, wenn die Unterschiede im alltäglichen Verhalten und im Spiel auf den ersten Blick konträr sein mögen, es sind verschiedene Lebensbereiche und damit kann es sogar zu einer sehr harmonischen Ergänzung kommen. Warum nicht, wenn man im Beruf ständig führt, zu Hause auch mal das Heft aus der Hand geben, sofern es einem denn liegt?

Der Prozess des inneren Outings verläuft oft alles andere als gradlinig, mal ist das Interesse an BDSM größer, mal weniger groß. Besonders wenn die reale Erfahrung fehlt, kann es dazu kommen, dass BDSM eine Zeit lang faszinierend ist, dann aber wieder wegen anderen realeren Dingen zeitweise in Vergessenheit gerät.

Bei bereits aktiven Anfängern gibt es häufig ein auf und ab, je nach Situation kommen diese Personen mal gut, mal weniger gut mit ihrer Neigung klar. Dies alles ist aber meist überwunden, wenn man seinen eigenen Platz, vielleicht sogar verbunden mit dem passenden Partner, in diesem Bereich gefunden hat. Ebenfalls nach einer Trennung kann es zu einem emotionalen Zwiespalt kommen, der eigentlich überwunden geglaubt war.

Was am besten hilft ist der Kontakt zu Gleichgesinnten. In Zeiten von Internet, vielen offenen SM-Foren, News Groups, Communities, SM-Cafes und einer stärker werdenden Bereitschaft der Gesellschaft BDSM zu akzeptieren, ist es doch in den letzten Jahren leichter geworden, Antworten auf die eigenen Fragen zu erhalten und mit sich ins Reine zu kommen.

Gerade Foren bieten Anfängern gute Austauschmöglichkeiten, hier gibt es auch welche, die speziell für die eine oder andere Gruppe (Subs, Tops, Fetisch etc pp.) gedacht sind. Aber auch die passende Sachliteratur kann sehr hilfreich dabei sein, sich erst mal einen Überblick zu verschaffen.

Gerade in großen Communities tummelt sich ein Großteil der Szene wie auch der Neugierigen. Das Niveau, nun das ist meist leider nicht das Beste, aber man kann sich durch konsequentes Selektieren seine eigene kleine Insel in jeder größeren Community schaffen. Ob man auf eventuelle Flirts eingeht, ist eine gute Frage. Das muss jeder selber wissen, wobei man je nach Neigung und Geschlecht viele bis gar keine Zuschriften erhält.

Gleichgesinnte vermitteln einem schnell das Gefühl, mit der eigenen Neigung nicht allein zu sein. Damit wird es den meisten leichter fallen, sie zu akzeptieren. Sucht also den Kontakt zu diesen Gleichgesinnten. Haben diese Erfahrung, könnt ihr sicher davon profitieren. Achtet aber darauf, dass Neulinge in der Szene gerne als eine Art Frischfleisch angesehen werden, die man leicht manipulieren und ausnutzen kann.

Das äußere Outing

Jeder BDSMler hat aber auch ein Leben außerhalb von BDSM, mit Familie, Beruf, Freunden und was alles sonst noch zu einem erfüllten Leben gehört. Wie weit diese Privatsphäre zu schützen ist, nun das muss sich jeder selber fragen.
Das äußere Outing kann freiwillig, aber auch durch Zwang entstehen. Bei einem unfreiwilligen Outing sollte man sich wehren. Wie das genau geht, erfahrt ihr bei www.sm-outing.de. Dort findet ihr Ansprechpartner und Tipps rund um dieses Problem.

Für manche ist BDSM das Nonplusultra und darüber haben alle informiert zu werden, ob sie es wissen wollen oder nicht. Aber muss man sich eigentlich als BDSMler outen? Ganz sicher nicht, zumindest habe ich noch nie von einer solchen Pflicht gehört ;-)
Niemand muss seinem Gegenüber erklären, was er so in seiner Freizeit treibt und schon gar nicht, wie das eigene Liebesleben aussieht. Erzählen euch Bekannte, was sie so im Bett treiben und mit wem und wie sie sich dabei fühlen? Oder machen das etwa eure Eltern oder Arbeitskollegen? Wohl kaum. Wieso sollte man dann als BDSMler in diesem Zugzwang sein?

Falls man sich selber freiwillig outen will, hat dies aber einige Vorteile. Man ist nicht mehr erpressbar und muss sich nicht verstecken oder Angst haben, entdeckt zu werden. Außerdem bestimmt man selber, wer wann wie viel erfährt. Aber es birgt natürlich auch Gefahren, vor allem die des Unverständnisses für die Neigung.

Sich als BDSMler zu outen, dürfte eines der schwersten Outings sein, die es gibt. Als Homosexueller ist man z.B. gesellschaftlich inzwischen einigermaßen akzeptiert und auch weiß jeder dabei, worum es geht. Für BDSMler gilt dies aber eben nicht immer. Es ist eben doch eine etwas andere Welt, in der man sich bewegt und die sich nicht jedem, auch nicht in der reinen Theorie, erschließen wird. Bevor man sich jedoch outet, sollte man sich einige Fragen stellen:

Was habe ich davon und was bezwecke ich damit?
Wo liegen die Gefahren?
Wie will ich mich auf das Gespräch vorbereiten?
Was erhoffe ich mir davon?
Will ich vielleicht so etwas wie eine Erlaubnis von der Person?
Geht es mir vielleicht nur um die Aufmerksamkeit einer Person?

Wenn man sich entschieden hat, dann sollte man sich daran erinnern, dass die Person, der man sich anvertraut, eventuell noch nie etwas von BDSM gehört hat und im schlimmsten Fall existieren eine Menge Vorurteile in ihrem Kopf. Fachchinesisch sollte daher vermieden werden. Es wirkt eher abschreckend und oftmals ist es besser, nicht zu sehr ins Detail zu gehen. Dies kann man später machen, wenn die Person von sich aus auf das Thema eingeht.

Vermeidet Worte wie Sklaven oder Peitschen, sie sind allgemein negativ belastet. Sprecht lieber vom devoten oder empfangenden Part. Das Aufdrängen von Detailinformationen hilft hier kaum und wird eher das Gegenteil bewirken. Sprecht ruhig die Vorurteile an. Ihr könnt auch sagen, dass manche davon berechtigt sind, ihr euch der Gefahren aber bewusst seid und sie weitestgehend minimiert.

Ihr könnt auch ruhig Beispiele bilden. Versteht mich jemand gar nicht, vergleiche ich zum Beispiel den Kick beim BDSM mit der Fahrt in einer Achterbahn. Niemand mag Angst, trotzdem begeben sich jedes Jahr sehr viele Menschen bewusst in eben eine solche Situation. Es geht um den Nervenkitzel dabei.
Der devote Part ist der Fahrgast auf dieser Reise, der Dominante der, der die Fahrt leitet. Trotz der Ängste weiß man, dass die Technik sicher ist. Man vertraut ihr und dieses Vertrauen ermöglicht es einem, die Fahrt zu genießen. Das gleiche Vertrauen bringt der devote Part dem Dominanten entgegen. Die Schienen bilden die Strecke und jeder Fahrgast kann sich selber die Achterbahn aussuchen, auf die er gehen will. Er bestimmt also die Grenzen der Belastung.

Folgenden Personen oder Personengruppen gegenüber kann man sich mehr oder weniger sinnvoll outen:

Partner

Es ist nicht selten, dass jemand seine Neigung entdeckt, während er in einer Partnerschaft lebt. Hier kommt es auf die Beziehung an. Manche Paare sind recht offen, sowohl in der Sexualität als auch in der Kommunikation. Mit der Tür ins Haus fallen, wird aber selten den gewünschten Effekt haben. Man selber ist ja auch erst mit der Zeit auf diese Neigung gestoßen, daher sollte man seinem Partner diese Zeit einräumen.

Ein Partner kann Schritt für Schritt an diesen Bereich herangeführt werden. BDSM und etwas härterer Sex, nun da sind die Grenzen sehr fließend, also warum nicht langsam hinüber gleiten. Wenn der Partner jedoch kein Interesse zeigt, sollte das Thema direkt angesprochen werden, vielleicht lässt sich ja eine faire und ehrliche Lösung finden.

Partnerschaft bedeutet Ehrlichkeit und eine gemeinsame Perspektive. Wie auch immer die Partnerschaft gelagert ist, Kommunikation ist der entscheidende Schlüssel. Möglicherweise findet ihr einen gemeinsamen, möglicherweise aber auch einen getrennten Weg.

Eltern

Wohnt man nicht mehr zu Hause und verfügt nicht gerade über eine sehr BDSMhaltige Umgebung, gibt es eigentlich keinen zwingenden Grund, seine Eltern einzuweihen. Grundsätzlich ist das Sexualleben von Kindern nicht mehr Sache der Eltern, aber natürlich wird dies von ihnen manchmal anders gesehen, die elterliche Sorge ist eben sehr umfassend.

Wenn ihr euch also bezüglich eurer Neigung den Eltern gegenüber öffnet, kann es zu den unterschiedlichsten Reaktionen kommen. Sie können froh über den Vertrauensbeweis sein und dass ihr sie in euer Leben so aktiv und offen einbindet, aber es kann auch zu Unfrieden kommen. Hier die üblichen Dinge, die auf euch zukommen können:

"Das ist doch krank!"

Ja, so etwas kann einem widerfahren, wenn man sich outet, egal gegenüber welcher Person. Hier muss viel Zeit und Mühe investiert werden, um Vorurteile abzubauen. Aber es lohnt sich auf jeden Fall, gerade bei den Eltern. Macht ihr es hier nicht, werdet ihr es im schlimmsten Fall immer mal wieder aufs Brot geschmiert bekommen, am liebsten in Situationen, in denen ihr es gar nicht gebrauchen könnt, wie nach einer Trennung.

"Was habe ich nur falsch gemacht (in der Erziehung)?"

Warum man BDSMler wird, das ist schwer zu sagen. Bei manchen ist es eine natürliche Neigung, bei anderen ein Ergebnis von gemachten Erfahrungen, bei den meisten eine Kombination von beidem. Die Erziehung hat aber eher selten etwas damit zu tun.

Dieser Vorwurf der Eltern richtet sich an sie selber, nicht an das Kind. Also macht der Mutter oder dem Vater klar, dass es keine Krankheit ist und damit auch keine Frage von Schuld, denn Schuld gibt es nur bei negativen Dingen und BDSM muss sicher nichts Negatives sein.

"Das ist doch gefährlich!"

Ja, ungefährlich ist es sicher nicht. Aber die Eltern kennen einen und man muss ihnen klarmachen, dass man durchaus vernünftig mit allen Dingen umgeht, die man in diesem Bereich so macht. Redet über Sicherheiten und Verantwortung wie auch über Grenzen und Tabus, das wird einiges bewirken können. Macht ihnen klar, dass ihr verantwortungsbewusst seid und auch nur einen solchen Partner an eurer Seite akzeptieren könnt.

Auch die Meinung, mit der Zeit wird man einen immer größeren Kick benötigen, ist so nicht haltbar. Ich selber habe in neun Jahren genau ein Tabu in Teilen aufgegeben, daher ist die Hatz nach einem immer größeren Kick sicher eine Gefahr, aber keine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

"Kinder und Familie, das geht doch so nicht!"

Zugegeben, es ist schwerer einen passenden Partner zu finden, denn es muss zu der normalen Beziehung eben auch auf der BDSM-Ebene passen. Dafür ist eine solche Beziehung, wenn alles passt, aber auch sehr stabil, denn man teilt einen sehr intensiven Lebensbereich miteinander, der wirklich zusammenschweißen kann.

Warum soll es in einer solchen Partnerschaft eigentlich keine Kinder geben? Man muss sicher bei Kindern auf das ein oder andere verzichten und vielleicht wird aus dem Spielzimmer nachher ein anderes Zimmer, wenn Nachwuchs da ist, aber muss das nicht jedes Paar in der ein oder anderen Weise? Und man kann doch trotzdem BDSM (aus-)leben, nur eben zu Hause nicht mehr so offen.

Kinder

Muss das wirklich sein? Kinder können sich ihren Eltern nicht entziehen und wenn es schon viele Erwachsene nicht verstehen, was man da macht, so wird es noch nicht erwachsenen Kindern sicher nicht leicht fallen nachzuvollziehen, warum z.B. Papa die Mama schlägt.

Kinder sollten, solange sie noch nicht reif genug dafür sind, vor solchen Einflüssen geschützt werden. Ist es nicht möglich, die Neigung vor ihnen zu verstecken?
Ich persönlich bin gegen ein Outing vor Kindern, die noch in einer sozialen Abhängigkeit zu den Eltern stehen, aber das muss jeder selber wissen.

Mehr zum Thema: BDSM und Elternsein

Freunde

Es ist schade, wenn man Freunden (wobei ich diesen Begriff sehr eng definiere) gegenüber Geheimnisse hat. Freunde kennen einen und man will sich auf sie verlassen können. Sich ihnen zu öffnen, ist für mich daher selbstverständlich. Man kennt sie und weiß in etwa, wie sie wohl reagieren werden.

Natürlich sollte auch hier alles Schritt für Schritt gemacht werden, also klein anfangen beim Berichten über die Leidenschaft. Jedoch können auch Freunde, die euch ewig kennen und sonst recht aufgeschlossen sind, mit diesem Thema überfordert sein oder sie wollen darüber einfach nicht sprechen. Wenn dem so ist, sollte dies akzeptiert werden.

Bekannte

Bei Bekannten ist es fraglich, ob sie von der Neigung wissen müssen. Sie stellen eine potentielle Gefahr dar, dass die Neigung schnell im Privaten publik wird. Nicht jeder Bekannter, dem man etwas im Vertrauen erzählt, wird es auch vertraulich behandeln.

Berufliches Umfeld

Das Outing ist hier nicht ungefährlich und es kann zu erheblichen Problemen führen, zum einen mit den Vorgesetzten oder Kunden, zum anderen aber auch mit den Mitarbeitern. Nicht jeder wird unterscheiden können zwischen dem privaten und dem beruflichen Menschen. Kleine Seitenhiebe können hierbei nur die Spitze vom Eisberg sein.
Aber es gibt auch viele Fälle, bei denen es keine Probleme gibt und einige, in denen es sogar einen positiven Effekt hatte.

Mehr zum Thema: BDSM und Beruf

Allgemeine Gefahr des „nicht unterscheiden Könnens“

Gerade als devote Person besteht die Gefahr, dass Personen nicht zwischen Alltag und dem Spiel unterscheiden und denken, nur weil jemand Sklave/in ist, kann man sie nun auch im Alltag so behandeln. Hier muss man dem anderen klar machen, dass man nur einer Person (oder einem bestimmten Personenkreis) gegenüber devot ist und dies auch nur in einem abgesteckten Rahmen.

Als dominanter Part hingegen kann man schnell in die Schublade Macho oder Emanze geschoben werden. Hier gilt das gleiche: Macht den Leuten klar, dass ihr so etwas nur mit jemandem macht, der Spaß daran hat und erläutert ruhig, dass der devote Part in einem solchen Spiel die Grenzen festsetzt und nicht ihr.

Umfrage

Es gibt auch eine kleine Umfrage zum Thema Outing, hier zeichnet sich ein eher positives Ergebnis zum Thema Outing ab.

Erfahrungsberichte anderer BDSMler zum Outing.
Wer es hingegen etwas lustiger mag "Outing: Nicht immer so ganz freiwillig"

Auch das Magazin Macht-Spiele hat sich mit dem ersten Outing beschäftigt und das Thema wird in einigen Blogeinträgen und Interviews aufgeriffen. Es sind zu viele um sie hier alle zu erwähnen.

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