Was sagt Sub?

Dies ist die Fortsetzung des Artikels “Was reden in einer Session?”, der nach ein paar einführenden Überlegungen vor allem die Möglichkeiten “dominanter Ansprache” untersucht und mit Beispielen unterfüttert hat.

Wie sieht es nun auf der Sub-Seite aus? Ist es für den (vermeintlich) “passiven” Part etwa angesagt, vor sich hin zu schweigen, nur auf Aufforderung zu sprechen, und sorgsam darauf bedacht zu sein, ja nichts Falsches zu sagen?

Anfänger machen das oft so, was aus der Unsicherheit auf dem neuen Erlebnisfeld auch recht verständlich ist. Sub fühlt sich erstmal nicht frei, zu tun und zu sagen, wonach sie sich gerade fühlt, sondern bemüht sich, “eine gute Sub” zu sein. Was das jeweils sein soll, wird jedoch oft genug nicht aus den Anweisungen des Gegenübers abgeleitet, sondern aus Vorstellungen, die irgendwo angelesen wurden

Dabei ist die “Geschichte der O” das Werk einer nicht-mal-SMlerin, die mit extremen Fantasien einen ganz konkreten Mann an sich fesseln wollte – von “Realisierung” keine Spur! Und in den genannten Foren überwiegen bei weitem diejenigen, die darüber reden, wie sie sich SM VORSTELLEN, da ihnen reale Praxis noch weitgehend fehlt. Kopfkino-Inhalte hier wie dort! Fragt man aber Paare, die länger zusammen sind, schmunzeln sie in der Regel über die Zeit der “krampfhaft guten Sub”, die nicht mal lachen durfte, weil Dom sonst Angst bekam, nicht Ernst genommen zu werden.

Es hilft, sich klar zu machen, was die wesentlichen Aspekte der Sub-Seite sind:

1. Sub lässt sich führen und gibt eigene Macht ab

Der psychische Vorteil, das Heft des Handelns Top zu überlassen, liegt neben dem Kink der “Machtlosigkeit” vor allem darin, sich mal nicht um die Folgen des eigenen Tuns und SoSeins kümmern zu müssen. (Das stimmt natürlich immer nur in einem begrenzten Rahmen, dessen “Weite” jedes Paar selbst bestimmt, darum soll es hier aber mal nicht gehen.) Immer wieder ist ja von der Lust des Loslassens die Rede, wenn Subs von ihren dominanten Partnern schwärmen. Doch Sub kann nur dann wirklich “loslassen”, wenn sie es wagen darf, eben nicht mehr die Verantwortung für das psychische Befinden ihres Tops zu tragen; wenn sie also nicht mehr ins Grübeln kommt, wie dies oder jenes jetzt beim Gegenüber ankommen mag und ob es auch das “richtige Sub-Verhalten” ist.

Es ist die Aufgabe des Dominanten, Sub zu führen – solange Sub sich selber führt und gemäß dem eigenen Vorschriften-Katalog im Kopf agiert und reagiert, macht sie im Grunde das Top-Geschäft zur eigenen Sache. Und ein Top, der sich auf Klischee-haftes Verhalten verlässt, zeigt ein Führungsdefizit (aber alle fangen ja mal an und können besser werden!).

2. Sub muss vertrauen können – Top aber auch!

Je unsicherer Top ist, desto weniger kann Sub “loslassen”, denn sie kann nicht darauf VERTRAUEN, dass er damit schon umzugehen weiß. Mal ehrlich, was bleibt denn von der viel gerühmten Dominanz, wenn “Dom” durch Subs Verhalten allzu leicht zu verunsichern ist?

Etliche der Versatzstücke submissiven Verhaltens, die in einschlägiger Story-Literatur kolportiert werden – z.B. “Sub schlägt die Augen nieder und schaut Dom nicht unaufgefordert an” – sind genau besehen HILFEN für unsichere Anfänger-Doms: Es dominiert sich deutlich leichter, wenn man dem Gegenüber nicht in die Augen sehen und nicht mit unberechenbaren Reaktionen zurecht kommen muss. Kritischer Blick, Verwunderung, süffisantes Lächeln, ärgerliche Miene – all das sind Dinge, die “normalerweise” geeignet sind, einen Partner zu disziplinieren und zu verunsichern. Ein souveräner Top sollte das ertragen können! Klar kann er diese “mögliche Irritation” mittels eines entsprechenden Befehls mal für eine kurze Phase “ausschalten”, doch über Stunden würde es lächerlich und lebensfremd, wenn Dom nicht mal Subs Blick aushält. (Unverdächtiger kommt da die Augenbinde, da diese neben der Entlastung vom Blick auch viele sinnliche und Sub verunsichernde Aspekte hat!)

Je souveräner Top mit Subs authentischem (!) Verhalten umgehen kann, desto größer wird ihr Vertrauen und damit ihre Fähigkeit, sich in die Sub-Seite fallen zu lassen. Andersrum muss aber auch Top lernen, Sub zu vertrauen: dass es nämlich “danach” keine Vorwürfe gibt (sondern allenfalls solidarische Manöverkritik), und dass Sub auch echte Reaktionen zeigt und kein “Schauspiel” gibt, das nichts mit ihrer Wahrheit zu tun hat.

3. Sub darf emotional sein – Coolness ist nicht gefragt!

Hat Top es endlich geschafft, Sub soweit “aufzulockern”, dass sie sich traut, bzw. ihr nichts anderes übrig bleibt, als ihre wahren Gefühle und Empfindungen in Worten und Verhalten auch “raus zu lassen”, fangen die Freuden einer Session bzw. einer dominant-submissiven Interaktion überhaupt erst richtig an. Es ist das, was gemeint ist, wenn Subs davon sprechen, dass sie sich als Sub “befreit” fühlen, obwohl sie doch vom Dominanten geführt, gefordert und auch gepiesackt werden.

Es ist eine wundervolle Befreiung vom “Zwang zur Coolness”, der unseren gewöhnlichen Alltag weitgehend dominiert, wo gelebte Emotionalität eher nachteilig ist. Sub aber DARF emotional sein, darf lachen, heulen, wüten, toben, jammern, kichern, provozieren, wehleidig und anlehnungsbedürftig sein. Sub kehrt zurück zum SPONTANEN AUSDRUCK, zur REINEN RESONANZ – ohne sich besorgte Gedanken machen zu müssen, wie das jetzt womöglich bei Top ankommt: er wird es schon sagen, bzw. entsprechend reagieren. Führen, fordern, ansagen, kritisieren und (wenn’s zum Stil des Paars gehört) auch strafen ist Doms Seite der Medaille – und wenn jeder seins macht, wird es ein wundervoller “Tanz für zwei”.

Aus meiner Sicht gilt: Top ist deshalb Top bzw. Dom, weil er es Sub ermöglicht, sich auch emotional voll los zulassen. Er wird den Überblick bewahren, wird auf Sub acht geben, mit ihren Reaktionen auf seine “Zumutungen” spielen, und das Ganze auch ab und an an die Grenzen treiben – aber ganz gewiss nicht von Sub erwarten, dass sie sich “zusammen reißt” und ihre wahren Empfindungen verbirgt. (Schließlich dienen auch die SM-Praktiken, die mit Schmerzen spielen und so einen emotionalisierenden “Endorphin-Rausch” erzeugen, dem Loslassen alltagstypischer Rationalität und Coolness!)

Was also sagt Sub?

Aus dem Gesagten geht es schon hervor: Sub reagiert, wie es ihr gerade zumute ist! Mal ist sie in der Stimmung zum “freudigen Dienen”, mal fühlt sie Widerspruchsgeist und provoziert Top mit entsprechendem Verhalten, sei es mit Worten, Mimik oder Körpersprache bis hin zu offenem Widerstand (worauf Top ja zum Fesseln schreiten kann – und zwar mit Sinn und Grund, was viele Subs außerordentlich schätzen!). Die ganze Palette auftauchender Emotionen wird Sub im Zuge häufigerer Praxis immer mehr raus lassen können, was auch für das alltägliche Leben positive Nebeneffekte hat.

Für Sub braucht es also keine “Liste der Möglichkeiten”, wie man sie für die dominante Ansprache aufstellen kann, denn Subs “Begrenzung” ist im Rahmen der Session einzig Top, der das Heft des Handelns und Ansagens in der Hand hat (und damit auch die Last der Wahl, bzw. der Entscheidung, was jetzt geschehen soll, bzw. was für Sub gerade “richtig” ist).

Natürlich kann Top einer von vorne herein schon emotional und spontan reagierenden Sub auch aufgeben, sich jetzt mal still zu verhalten und dies oder jenes möglichst reaktionslos “nur hinzunehmen”. Das ist qualitativ etwas ganz Anderes, als wenn Sub versucht, von sich aus einer VORSTELLUNG zu entsprechen, zu der sie von Dom gar keine konkreten Anweisungen im realen Hier & Jetzt der Session bekommen hat. Es ist “Spiel mit gefordertem unnatürlichen Verhalten”, genau wie z.B. der Befehl, die Beine nicht zu schließen: für eine begrenzte Zeit spannend und bereichern, als “Dauerzustand” nichts als ein Zeichen, dass der Wille zum kreativen Miteinander im jeweiligen Augenblick nicht vorhanden ist und durch ein “Regelwerk” aus dem SM-Handbuch ersetzt werden soll.

Der gelingende Tanz für zwei

Es kann seine Zeit dauern, bis ein Paar es zustande bringt, sich tatsächlich so frei in die jeweilige Rolle fallen zu lassen bzw. zu begeben. Man muss sich “aufeinander einspielen”, was umso besser gelingt, wenn außerhalb der Dom-Sub-Situationen freimütig und ohne jede Scheu über das eigene Erleben gesprochen werden kann. Dann nämlich kann man gemeinsam wachsen, aus den gemachten Erfahrungen lernen und immer besser, spontaner und vielfältiger als Dom und Sub miteinander umgehen.

Woher soll denn auch sonst das VERTRAUEN kommen, das dafür erforderlich ist? Wer den Austausch über das je eigene Erleben verweigert, will sein Gegenüber als bloßen Schauspieler in der Inszenierung des eigenen Kopfkinos. In “Spielbeziehungen” kann das eine Zeit lang genügen, wer MEHR will, muss auch MEHR (von sich) geben!

Autorin Clu, erstveröffentlicht in ihrem Blog: In den Schattenwelten

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