2. Kapitel: Das Spiel beginnt

Fünf Tage vor diesem verhängnisvollem Abend hatte Raoul ihr beim gemeinsamen Frühstück zwischen der ersten Tasse Kaffee und seinem obligatorischem Marmeladenbrötchen mitgeteilt, dass nun der Zeitpunkt der Prüfung gekommen war.
Bis zum Samstag, an dem alles stattfinden sollte, dürfte sie ihn nicht mehr sehen und sollte sich in ihrem separatem Zimmer aufhalten. Steven, der Hausdiener wäre die einzige Verbindung zwischen Ihr und Ihm.

Verwirrt sah Susanne ihren Herrn an und fragte schon fast trotzig: "Wieso können wir die Tage nicht wie sonst auch gemeinsam verbringen?"
Doch diesmal ließ sich Raoul auf keine Debatte über Sinn und Unsinn seines Tuns ein und gab Susanne eine kurze aber sehr deutliche Antwort.
"Es ist mein Wille und du als meine Sklavin hast dich meinen Wünschen zu beugen." Das restliche Frühstück nahmen sie schweigsam ein und das, obwohl in ihrem Kopf tausend Fragen schwirrten, auf dessen Beantwortung sie lange warten müsste.

Nach einer weiteren Tasse Kaffee und dem Wirtschaftsteil der Morgenzeitung, den er schneller als sonst durchblätterte, stand er auf und kam direkt auf sie zu. Es war nichts Außergewöhnliches, was er tat, da er ihr jeden Morgen, bevor er ging ,einen Abschiedskuss gab. Doch selbst das war anders als erwartet.
Nicht wie üblich küsste er sie auf den Mund und griff nochmals in ihren Nacken. Nein, diesmal küsste er sie in den Nacken und raunte ihr dabei leise ins Ohr: "Dein Problem ist dein Verstand. Stell ihn aus und du wirst mir mit Freude so dienen, wie ich es will!" Und ohne noch ein weiteres Wort an sie zu richten oder sie anzusehen verließ er das Haus.

Erst jetzt, in der Stille des Esszimmers, wurde ihr so richtig klar, dass dies ein Abschied bis zum Samstag war und sie keine Gelegenheit hatte, nochmals mit ihm darüber reden zu können...
Erschrocken sprang sie auf und lief ihm hinterher. Doch Raoule schien es ziemlich eilig gehabt zu haben ,denn sie sah ihn weder im Flur, noch auf der Straße, nachdem sie die Tür geöffnet hatte. Er schien wie vom Erboden verschluckt zu sein.
Bekümmert darüber, ihn verpasst zu haben, waren ihre Schritte langsam und bedächtig, als sie ins Esszimmer zurückging. Sie war überrascht, hier Steven, den Hausdiener, vorzufinden, der schon dabei war, den Tisch ab zu räumen und das, obwohl sie noch gar nicht fertig war.
Er nahm nicht mal Notiz von ihr, als sie zum Tisch zurück ging und erst, als sie entrüstet über ein derartiges Benehmen ihren Unmut lauthals verkündete: "Ich war noch nicht fertig. Lass es also bitte stehen" sah er zu ihr hin und gab ihr eine Antwort, die ihr die Sprache verschlug:
"Ich habe meine Befehle. Und ihr esst ab sofort in eurem Zimmer." Susanne stand mit offenem Mund da und brachte nichts heraus außer einem tiefen Seufzer. Steven würdigte sie keines Blickes mehr und verrichtete seine Arbeit als wäre sie Luft.

Wütend drehte sich Susanne um und lief die Treppe zum oberen Stockwerk hoch. Doch als sie vor der Schlafzimmertür stand und sie öffnen wollte, war diese verschlossen.
Susanne verstand ihre Welt nicht mehr. Dass sie Raoul nicht mehr sehen sollte war das eine, aber das sie nicht mehr an ihre Sachen kam, ohne Steven fragen zu müssen, war zu viel.
Innerlich kochte sie vor Zorn und war schon im Begriff, hinunter zu laufen, um Steven zu fragen, was das alles solle, als sie Schritte hörte. Kurz darauf stand Steven schweigsam hinter ihr und griff ihr in den Nacken. Dabei war er nicht gerade sanft, als er ihr Gesicht zu sich zog.
Kaum, das sie es hören konnte, drangen seine Worte in ihr Gehör und loderten ihren Verstand erneut an.
"Dein Herr will, dass du gehorsam bist. Also sei brav, stell keine weiteren Fragen und folge mir."

"Was fällt dir ein, mich so zu behandeln?", sprudelte es aus ihr heraus, nachdem seine Hand von ihr ließ. Süffisant lächelte Steven sie an und als nächstes fühlte sie seine Hand auf ihrer Wange. Die Ohrfeige kam plötzlich und unerwartet und ließ sie Steven erschrocken ansehen.
"Ich tue nur das, was dein Herr mir befohlen hat. Also sei brav, dann geschieht dir nichts." Alles ging so schnell und ehe sie sich versah, saß sie in ihrem Zimmer, dass Raoul ihr nach dem Einzug als ihr Reich überlassen hatte, wenn sie mal das Bedürfnis hatte, alleine sein zu wollen.
Nun kam es ihr fremd und leer vor und am liebsten wäre sie aufgesprungen und gegangen. Sie wollte nicht alleine sein und hatte sie nicht ein Recht darauf zu wissen, was Raoul mit ihr vorhatte und warum er sie nach all den Monaten des Glücks so behandelte.
Einem inneren Impuls folgend ging sie zur Tür und musste zu ihrem Entsetzen feststellen, das auch diese Tür verschlossen war. Man hatte sie also eingeschlossen.

Sofort begann es in ihrem Kopf zu arbeiten und die Gedanken überschlugen sich förmlich. Wie ein Tiger im Käfig ging sie durch das Zimmer und zermarterte sich das Hirn nach dem Warum. Sicherlich würde Steven gleich kommen und die Tür wieder aufschließen beruhigte sie sich. Schließlich bin ich ja keine Gefangene und kann selber über mich bestimmen.
Je mehr sie nachdachte, desto zorniger wurde sie auf Steven, aber vor allen Dingen auf Raoule. Um sich etwas zu beruhigen ließ sie sich auf das breite Bett fallen und starrte minutenlang zur Decke hoch. Dabei ratterten ihre Gedanken wie ein D-Zug durch ihren Kopf und hinterließen, außer Kopfweh und noch mehr Fragen, nichts...

Wie lange sie so da gelegen hatte, wusste sie nicht, doch plötzlich hörte sie neuerliche Schritte den Flur entlang kommen. "RAOULE", rief sie laut und wusste im selben Moment, dass selbst wenn er es wäre, er nicht zu ihr kommen würde.
Plötzlich fiel ihr all das ein, was er ihr in den vielen Monaten litaneiartig. vorgebetet hatte und was sie dennoch nur halbherzig und auch nur ihm zu liebe getan. Hatte er sie nicht immer wieder gebeten, sich seinem Willen zu fügen und nicht ständig nachzufragen und seine Anweisungen in Frage zu stellen. War es ihm nicht wichtig, dass sie vertraute und hatte sie ihm denn auch wirklich nur ein einziges Mal wirklich so vertraut, wie er es sich wünschte?

"Nein, genau das hast du nicht getan", sagte sie leise zu sich. Vielleicht ist dies schon längst die Prüfung, von der er vor Wochen gesprochen hatte. Vielleicht gibt es gar keine andere als diese und ich muss nichts weiter als hier im Zimmer auf die Stunde warten, wo er die Tür aufschließt und mich in seine Arme nimmt.
Und plötzlich meinte sie, verstanden zu haben, um was es ihm dabei ging und setzte sich auf. Dabei fiel ihr Blick auf den kleinen Nachttisch neben ihrem Bett. Erst jetzt entdeckte sie den weißen unscheinbaren Umschlag. Als sie ihn in die Hand nahm sah sie mit säuberlicher Handschrift ihren Namen geschrieben:

An Susanne, meiner geliebten Sklavin.

Mit zittriger Hand öffnete sie den Umschlag und entnahm einen in gestochener Handschrift verfassten Brief.

Vom heutigen Tage bis zur allerletzten Prüfung am Samstag möchte ich, dass du in dich horchst und lernst, mir bedingungslos zu vertrauen.
Bislang hast du es nur ansatzweise getan und trotz vieler Strafen, die ich für dich ersonnen habe, immer neue Einwände aufgeführt, um es bis zur letzten Konsequenz nicht tun zu müssen...
Wenn du mir dein völliges Vertrauen schenkst, wirst auch du spüren, mit welcher Leichtigkeit du mir dienen kannst. Nur so kann ich dein Herr sein und du meine Sklavin. Es wird kein dazwischen geben und erst Recht kein Nein. Vertrauen bedeutet Hingabe und Hingabe bedeutet für mich ALLES.
Ich hoffe für dich und für mich, dass du vertrauen kannst.
Dein Herr.

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