8. Kapitel: Es braut sich was zusammen

Es gibt viele Möglichkeiten, bei denen ein Mensch Schmerzen empfinden kann. Sei es, dass sie ihm mutwillig als Ausbruch eines Gewaltaktes zugefügt werden, durch ein Missgeschick, Unfall oder als unangenehme Begleiterscheinung während einer Krankheit oder nach einer Operation.
Es gibt auch solch einen Schmerz, dem man sich völlig freiwillig unterwerfen wird, nur um Lust zu empfinden. So unterschiedlich auch die Gründe des Schmerzes sein können, so haben sie doch letztendlich alle etwas gemeinsam.
Dann nämlich, wenn der Schmerz zu groß wird, wird man anfangen zu weinen, zu wimmern und im äußersten Fall sogar laut schreien. Es ist, als ob man ein Ventil öffnet, um es für sich erträglicher zu machen. Doch was kann man tun, wenn das, was einem zugefügt wird, alles andere als bloßer Schmerz ist und tiefer in die Seele kriecht?

Wenn weder schreien noch wimmern kann die Qual lindern kann... Was bleibt einem da übrig? Selbst dann noch hat man die Möglichkeit einer Wahl.
Die Erste und Leichtere ist, sich dem Schmerz als notwendiges Übel hinzugeben und zu leiden, bis man erlöst wird. Die Zweite und somit die weitaus schwierigere ist, diesen Schmerz erst gar nicht tief an sich heran zu lassen, sich in eine Art Dämmerzustand zu versetzen, indem man das, was mit einem geschieht, keinerlei Beachtung schenkt.
Zweifelsohne nicht so einfach und erst Recht nicht, wenn man sich in der Situation wiederfindet, in der sich Susanne befand. Und doch entschied sie sich, während man sie nackt fremden und gierigen Augen zur Schau stellte, für die zweite Lösung.


Der Umstand, dass ihre Augen verbunden waren und sie weder Raoul noch Irgendjemand sonst sehen konnte, hatte es ihr sicherlich erleichtert. Dennoch blieb die Tatsache bestehen, dass sie sowohl hören als auch fühlen konnte.
Gleich zu Beginn, als der widerliche Kerl ihren Körper anpries wie eine reife Frucht, wäre sie vor Scham am liebsten gestorben. Auch seine Berührungen konnte sie nur widerwillig ertragen und hätte sich gerne dagegen gewehrt.
Doch dann begann es in ihr zu arbeiten und sie dachte an all die Worte, die ihr Raoul immer wieder beschwörend gesagt hatte. Hörte ihn im Geiste von tiefem Vertrauen sprechen und davon, wie wichtig ihm alles war. Und von einer Minute zur anderen entschied sie sich, für ihn all das zu ertragen.

Von diesem Augenblick an hatte sie das Empfinden, als würde sie sich selber von oben zusehen können. Nicht sie, sondern nur ihr Körper stand jetzt noch da. In Gedanken war sie bei ihm und inmitten der Dunkelheit, die sie umgab, sah sie plötzlich sein Gesicht vor sich.
Nichts schien mehr für sie von Bedeutung zu sein. Vergessen waren die fremden Augenpaare, die sie lüsternd betrachteten. Sie hörte weder die derben Worte, noch spürte sie irgendwelche Berührungen. Alles, was für sie zählte, war ihr Herr, der stolz auf sie sein sollte. Es störte sie nicht mal mehr, als man ihr grob in den Hintern griff und dazu herablassende und niedere Worte fand.
Sie war sich so sicher, dass Raoul nichts anderes vorhatte, als sie hier auf spielerischer Weise versteigern zu lassen. Niemals auch nur würde er sie wirklich einem anderen völlig überlassen.

Erst, als sie jemand sagen hörte: "Ich biete 1000 Sklavendukaten" und ein lautes Raunen durch die Stuhlreihen ging und aus einer Ecke ein Anderer laut in den Saal rief: "Diesen hohen Preis ist sie nicht wert!", kam ein leiser Zweifel auf, doch als sie die freudige Antwort des Sklavenhändlers hörte, wie er sagte:
"Master Simon, ein wahrlich hohes Gebot für eine so unerfahrene Sklavin. Das wird niemand der Herren überbieten", tat sie den Zweifel als dummen Gedanken ab.
Sie kannte den Namen. Raoul hatte ihn zu verschiedenen Anlässen immer mal wieder erwähnt. Sie wusste zwar nicht, wie sie zueinander standen, doch alleine die Tatsache, dass es sich bei Demjenigen, der sie ersteigern wollte, um eine Person handelte, die ihr Herr kannte, ließ sie sicher sein, dass diese Versteigerung nur ein weiterer Test war, um ihr Vertrauen zu prüfen.
Kurz darauf erhielt Master Simon den Zuschlag und man führte sie ebenso grob von der Bühne wie man sie auch hingeführt hatte.


Weniger Minuten später fand sie sich an der Hand des Mannes, der sie ersteigert hatte. Während er sie mit sich zog, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ihr die Augenbinde abzunehmen und ihr nur hin und wieder sagte, wann sie die Beine hoch zunehmen hatte, um nicht zu stolpern, glaubte sie sich noch immer als Protagonistin in einem Spiel.
Eine,s das bis ins kleinste Detail durchdacht war und an dessen Ende niemand verlieren würde.

Doch anders als von ihr erwartet, wurde sie in keines der Zimmer gebracht. Auch wartete Raoul nicht auf sie. Weder in den vielen Gängen, die sie blind an der Hand eines Fremden durchlief, noch draußen, als man sie in einen Wagen setzte. Man fuhr einfach mit ihr los, ohne ihr auch nur den leisesten Hinweis zu geben, wohin die Fahrt geht.
Mit der Zeit nagte der Gedanke an ihr, dass es sich vielleicht doch nicht um ein Spiel handeln würde. Simon schwieg, als würde er ein Geheimnis bewahren und war auch sonst in keiner Weise so, wie sie erhofft hatte.
Dann im nächsten Augenblick versuchte sie ihre wirren Gedanken damit zu beruhigen das Raoul sie nur nach Hause fahren ließ, um sie dort dann endlich in die Arme zu nehmen.

Als sie die Ungewissheit schließlich nicht mehr aushielt, wagte sie es zu fragen und wurde mit barschen Worten zum Schweigen gebracht.
Die restliche Zeit der Fahrt verbrachte sie still nachdenkend und damit sich immer wieder daran zu erinnern, dass sie Vertrauen sollte. Doch je länger die Fahrt sich hinzog, desto schwerer fiel es ihr.
Irgendwann hielt der Wagen an und Simon, der neben ihr gesessen hatte stieg aus... Sie hörte wie er nach Hinten ging und den Kofferraum öffnete…

"Hier, zieh das an und steig aus", sagte er und legte ihr ein Bündel auf den Schoß... Nervös, mit einem Gedanken bei Simon, der draußen stand und auf sie wartete und mit dem anderen bei Raoul, von dem sie glaubte, ihn dort, wo sie hingeführt werden würde, zu sehen, tastete sie blind den Stoff nach Armlöchern ab.
Es kam ihr wie eine halbe Ewigkeit vor, bis sie diese endlich fand. Rasch zog sie es an und stieg aus. 'Wenn man mir jetzt etwas zum Anziehen gibt, muss ich also irgendwo sein, wo sich Fremde aufhalten', dachte sie noch, als sie im selben Augenblick von Weitem Stimmgewirr hörte, das immer näher kam.

Kurz darauf hörte sie, wie sich zwei Menschen angeregt unterhielten. Einer davon blieb plötzlich stehen. Sie spürte, dass er ihr ganz nah war.
"Das ist ja man mal ein toller Einfall, der Frau die Augen zu verbinden, um sie zu überraschen" und an Simon gewandt sagte er: "Geburtstag oder Hochzeitstag schätze ich mal."
"Das Letztere. Nicht wahr, mein Schatz?", erwiderte Simon ruhig und faste Susanne im gleichen Moment liebevoll um ihre Taille.
"Na, dann noch viel Spaß und alles Gute", sagte der Fremde grinsend und ging weiter. Simon blieb noch so lange stehen, bis er die Fremden um die Ecke biegen sah. Erst dann ließ er sie los. Kurz darauf hörte sie seinen Befehl: "Komm!"
Dann führte er sie einen kurzen Weg entlang und blieb stehen.
Gleich darauf wurde die Tür geöffnet und Simon führte Susanne ins Haus.
In dem Moment, als die Tür ins Schloss fiel ,stand Simon hinter ihr und nahm ihr die Augenbinde ab.

"RAOUL", rief sie freudig erregt, als sie erkannte, wo sie war. Die Gewissheit, dass es genauso geschah, wie sie es erhofft hatte, versetzte Susanne in eine Art Hochstimmung. Simon hielt sie nicht auf, als sie in den Salon lief.
Traurig stand sie da, als Simon an ihr vorbei ging und sich auf einen der breiten Klubsessel setzte. Dann holte er ein Etui aus seiner Anzugtasche und steckte sich eine Zigarette an. Schweigsam hielt er Susanne das Etui hin:
"Nimm. Ich weiß, das du rauchst."
"Warum ist er nicht da?", fragte sie enttäuscht und ging langsam auf Simon zu...

Ihre Hand zitterte leicht, als sie sich eine Zigarette aus dem Etui nahm. In dem Moment ,als sie sich auf den Stuhl ihm gegenüber setzen wollte, schnalzte Simon mit seiner Zunge.
"Tztztz... Hab ich dir erlaubt, dich zu setzen?"
Irritiert sah Susanne ihn an. "Nein, aber ich dachte..."
"Noch ein Fehler", hörte sie ihn sagen.
Dann deutete er mit seiner Hand auf den Boden vor sich.
"Hier ist dein Platz und nirgendwo sonst."
"Ich verstehe nicht ganz, was...?"
Barsch unterbrach Simon ihre Gedanken
"Ich verlange nicht, das du verstehst... Ich verlange, das du gehorchst." Dennoch oder gerade wegen seinen Worten, bleib Susanne stur vor ihm stehen und sah ihn böse funkelnd an.
"Was ist, hast du nicht verstanden?", hörte sie ihn sagen. Simon beugte sich leicht nach vorne, tippte mit seiner Handfläche auf den Boden und sah zu ihr hoch.

Susanne rührte sich keinen Millimeter von der Stelle. Sie dachte gar nicht daran, sich seinem Willen zu unterwerfen. Für sie war das Spiel in dem Moment beendet, als sie dieses Haus betrat.
Mit einem Sprung stand Simon plötzlich vor ihr. Packte sie an den Haaren und zog sie grob auf den Boden hinunter. Dabei presste er zwischen seinen Zähnen hervor: "Wie du dich erinnerst, habe ich dich ersteigert und das für einen ziemlich hohen Preis. Da darf man ja wohl ein wenig Gehorsam erwarten!"
"Ich will zu Raoul", schrie Susanne und trat im gleichen Moment nach ihm. Simon hob die Hand und schlug ihr hart ins Gesicht.

"Dein Herr wird kommen, dann, wenn er es für nötig hält. Solange gehörst du mir. Hast du das jetzt kapiert", schrie er zornig und griff ihr noch immer mit einer Hand fest in die Haaren.
Erst als sie still vor ihm auf dem Boden kauerte, ließ er sie los und setzte sich hin. Ruhig nahm er sich eine Zigarette aus seinem Etui und zündete sie an. Beschämt und entsetzt über die heftige Ohrfeige blieb Susanne regungslos liegen und schloss ihre Augen ganz fest zu.
Nur nicht denken, nicht hinsehen, es ist alles nur ein böser Traum, dachte sie und wusste im gleichen Moment, dass sie hier ebenso eine Gefangene war, wie in den letzten 48 Stunden.
Dabei sah es noch vor wenigen Minuten so aus, als würde Raoul hier auf sie warten, sie in seine Arme nehmen und ihr sagen, wie stolz er auf sie ist und nun gehörte sie allem Anschein nach und das auch noch mit Einverständnis ihres Herrn diesem Simon. Sie wollte und durfte einfach nicht begreifen, was hier mit ihr geschah.


Kühler Atem streifte plötzlich ihre Haut und sie spürte, wie Simon ihr immer näher kam. Furcht saß ihr im Nacken und schnürte ihr die Kehle zu. Sie schluckte mehrmals und wäre am liebsten aufgesprungen und davon gelaufen.
Doch bevor sie es sich überlegen konnte, packte er sie brutal am Kinn und zog ihren Kopf ganz zu sich heran. Kalt und hart empfand sie seine Augen als sie ihn ansehen musste. Langsam zog er an seiner Zigarette. Die Hitze der Glut brannte auf ihrer Haut und dann blies er ihr den widerlichen Qualm mitten ins Gesicht
Angewidert drehte sie ihren Kopf zur Seite und spürte im gleichen Augenblick einen stechenden Schmerz im Nacken.
"Du hast mich an zu sehen, wenn ich mit dir reden will. Verstanden?" Aus Furcht, von ihm geschlagen zu werden, nickte sie nur stumm.
Diesmal wand sich Simon angewidert von ihr ab. Und während er sich langsam in die Stuhllehne fallen ließ, hörte sie ihn kalt und verachtend sagen:
"Deinen Preis bist du wohl erst wert, wenn ich mit dir fertig bin", dabei lachte er tief und gemein in sich hinein...
Susanne hörte es nicht mehr. Sie saß stumm vor ihm und starrte ins Leere.

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