4. Kapitel: Erinnerungen und doch alles neu

Susanne kannte das Haus, vor dem die schwarze Limousine hielt. Vor Monaten war sie schon einmal hier gewesen und damals trug sie nichts weiter als ihre nackte Haut.
Heute war es anders und doch fühlte sie sich wesentlich nackter und verletzbarer, als an dem Abend, den sie an der Seite ihres Herrn in einer illusteren und frivolen Gesellschaft verbrachte. Was würde da drinnen auf sie warten und wie würde die Nacht verlaufen?
All diese Gedanken beschäftigten sie weit aus mehr, als ihrer Situation zuträglich war.

Hunderttausend mal hatte sie sich auf dem Weg hierher immer wieder vorgebetet, Vertrauen zu haben und doch lag dieses Wort wie ein Damoklesschwert über ihr.
Jeder weitere Kilometer der sie näher zu ihm und einer Prüfung, die sie so nie gewollt hatte brachte wurde die Ungewissheit größer und größer. Bis sie so riesig an schwoll, dass sie an nichts anderes mehr denken konnte.
Wieso musste Raoul sie überhaupt einer solchen Lage aussetzen, wo er doch ganz genau wusste, wie sehr sie es hasste, nicht zu wissen, was sie genau erwartete. Wie oft hatte sie versucht ihm zu erklären, dass sie sich nur dann ganz fallen lassen konnte, wenn sie alles fast bis ins kleinste Detail wusste.

Und nun hielt das Auto vor diesem Haus und Raoule erwartete allen Ernstes von ihr, dass sie ausstieg und sich mit Herz doch vor allen Dingen mit Vertrauen in seine Hände begab. Ihre Hände waren feucht und die Knie zitterten, als Steven ihr die Wagentür aufhielt. "Es ist soweit, steig aus", sagte er knapp und ohne jedwede Mimik im Gesicht.
Von ihm, so wusste sie, hatte sie nichts zu erwarten. Weder würde er ihr auf eine Bitte hin etwas erklären, noch ihr in der jetzigen Minuten den Halt geben, den sie brauchte. Noch nie zuvor fühlte sie sich so alleine wie jetzt, als sie mit klopfendem Herzen ausstieg und die paar Schritte hin zu Eingangstür ging. Ängstlich sah sie sich noch einmal um, vielleicht wirkte die verhasste, doch auch vertraute Person, die Steven darstellte, beruhigend auf sie.
Doch als sie zurücksah, saß Steven bereits schon hinterm Steuer. Kurz darauf heulte der Motor auf und sie konnte ihm nur noch hinterher sehen, wie er fortfuhr und sie ihrem Schicksal überließ.


"Wo ist die Klingel? Ich finde die Gott verdammte Klingel nicht!" Nervös suchten ihre Augen den Türrahmen ab, doch alles, was sie fand, war ein grotesk aussehender Löwenkopf mit aufgerissenem Maul, der sie aus großen Augen provozierend ansah..
Sein Blick schien zu sagen:
„Du traust dich wohl nicht, mich anzufassen. Nur zu, ich beiße nicht!" Im Geiste hörte sie sein hämisches Lachen und bis sie begriff, dass sie schon längst den Knauf gedrückt hatte und sein Lachen lediglich das laute Läuten war, wurde die Tür mit einem Ruck geöffnet. Vor ihr stand eine Person in einem Kleid wie sie es anhatte. Nur mit dem Unterschied, dass ihr Gesicht nicht hinter eine verzerrten Maske versteckt war.

"Da bist du ja. Man wartete schon auf Dich", hörte sie deren tief klingende Stimme. Und noch bevor Susanne etwas erwidern konnte, nahm die fremde Frau sie an die Hand und führte sie einen langen Korridor entlang. Seltsamerweise sah das Haus von innen völlig anders aus. Es schien größer zu sein und an den langem Flur und die vielen Türen konnte sie sich beim besten Willen nicht mehr erinnern. 'Vielleicht habe ich es auch gar nicht so wahrgenommen', beruhigte sie sich, denn dass es das Haus war, darüber hatte sie keinen Zweifel.

Plötzlich blieb die andere stehen und schob Susanne mit einem raschen Griff vor sich. "Warte hier, bis man dir die Tür öffnet", mehr sagte sie nicht und verschwand in einem angrenzendem Gang, der weiß wohin führte.
Ihr Herz schlug hinauf bis zum Hals, als sie vor dieser Tür stand und wartete. Mehrmals wischte sie ihre feuchten Hände an ihrem Saum ab. Ihre Kehle war trocken und sie hätte gerne etwas getrunken, doch dazu würde wohl kaum noch Gelegenheit bekommen.
Was immer sich hinter dieser Tür verbarg, sie musste Vertrauen, sonst könnte sie ebenso gut gleich umkehren und davon laufen. Entschlossen, Raoule nicht zu enttäuschen, wartete sie geduldig, bis dann endlich die Tür aufging.
Doch niemand stand davor. Außer, dass sie in ein halbdunkles Zimmer sah, das lediglich nur durch Kerzen, die an den Wänden hingen, erleuchtet wurde, schien der Raum leer zu sein.

"Soll ich einfach hineingehen?", fragte sie sich leise, als sie wie aus dem Nichts eine Stimme hörte.
"Gehe bis zur Mitte und bleibe dort stehen."


Susanne versuchte, in der Stimme ihren Herrn zu erkennen und doch war es ihr nicht möglich. Zu viele Gedanken, zu viel Angst, um überhaupt etwas richtig einzuordnen. Ihr Durst wurde unerträglich und sie musste häufiger schlucken, um wenigstens ihren Speichel auf der Zunge fühlen zu können.
In dem Moment, als sie das Zimmer betrat und den ersten unsicheren Schritt bis hin zur Mitte ging, schlug die Tür zu. Erschrocken drehte sie sich um und dennoch konnte sie keine Menschenseele entdecken.
'Vertraue, vertraue', betete sie sich litaneiartig zu, bis sie da stand, wo man sie sehen wollte.
Nervös griff sie mit den Händen immer wieder in den Stoff ihres Kleides und versuchte, ruhig zu atmen. Wie lange sie so dastand, wusste sie nicht. Waren es fünf oder vielleicht doch nur 10 Minuten. Sie hatte schon längst jegliches Zeitgefühl verloren und es kam ihr wie eine halbe Ewigkeit vor, bis sie erneut die Stimme hörte.

"Ich werde dir jetzt einige Fragen stellen, die du ohne Furcht mit Ja oder Nein zu beantworten hast. Wenn du antwortest hast du jedoch hinter jedem Satz ein "Sir" zu setzen. Hast du das verstanden?"
Susanne nickte intuitiv und wurde in derselben Sekunde mit barschen Worten auf ihren Fehler und ihre Position aufmerksam gemacht.
"Du sollst antworten, wie es sich für eine Sklavin geziemt."
"Ja, ich habe verstanden, Sir", kam es leise und unsicher über ihre Lippen.
"Du bist die Sklavin deines Herrn Raoule?"
"Ja, Sir, das bin ich."
"Ich sagte, nur mit JA oder NEIN."
"Ja, Sir."
"Du dienst und gehorchst deinem Herrn in unterwürfiger und devoter Weise, wie es eine gute Sklavin tut?"
"Ja , Sir."
"Du findest niemals Widerworte oder zeigst dich Widerspenstig seinen Anweisungen gegenüber?"
Hier stocke Susanne und überlegte, ob sie ehrlich antworten oder es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen sollte. Doch dann sagte sie entschlossen:
"Nein, Sir."

Bei dieser Antwort hörte sie ihn leise in sich hinein lachen und plötzlich hatte das Gefühl, als würde diese Stimme doch zu Raoul gehören. Doch schon im nächsten Moment kam ihr diese wieder fremd und kalt vor.
"Du weißt, warum dich dein Herr hierher gebracht hat?"
"Ja, Sir."
"Und du willst ihm heute, ohne dich den Anweisungen zu widersetzen, dienen, gehorchen und bedingungslos vertrauen?"
"Ja, Sir", kam es so schnell, dass es sie selber maßlos erschreckte.
"Fürchtest du dich vor den Aufgaben, die auf dich warten?" Diese Frage erstaunte sie mehr als die Tatsache, dass sie hier einem völlig Fremden und nicht mal sichtbarem Menschen Auskunft über ihr Seelenleben gab.
Dennoch antwortete sie wahrheitsgemäß.
"Ja, Sir."

"Du wirst keine Furcht haben müssen, wenn du wirklich vertraust", hörte sie ihn sagen und dennoch fühlte sie innerlich einen ganz leisen Widerspruch, doch schwieg sie lieber als ihre Unsicherheit zugeben zu müssen.
"Dein Herr hat dich davon unterrichtet, dass es ab jetzt kein NEIN mehr für dich gibt und du zu gehorchen hast, bis er dich erlöst. Dass, wenn du lieber gehen möchtest, es für dich bedeutet, nicht mehr seine Sklavin zu sein?"

Susanne überlegte, ob Raoule es ihr wirklich mit so deutlichen Worten und unwiderruflich klar gemacht hatte. Sie war sich nicht ganz sicher und alles, was sie bezüglich des heutigen Abends von ihm erfahren hatte war der eine Brief.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange der Fremde auf ihre Antwort warten würde, doch sie musste im Geiste nochmals Zeile für Zeile durchgehen. Und dann sah sie es gerade zu vor sich. Die wenigen und doch alles entscheidenden Worte.
„Nur, wenn du mir bedingungslos vertraust, kann ich dein Herr und du meine Sklavin sein“ Schlagartig wurde ihr bewusst, dass es ab jetzt für sie kein Zurück mehr geben darf.

"Hat er oder hat er nicht?", klang es streng aus irgendeiner Ecke des Zimmers.
"Ja , Sir."
"Dann bist du jetzt bereit?"
Susanne bemerkte gar nicht, dass sie auf die letzte Frage mehrmals mit Ja geantwortet hatte und gleichzeitig ihr Hände so fest ineinander drückte, dass sie beinah Schmerzen dabei empfand.

Im gleichen Moment öffnete sich vor ihr eine Tür. Durch das dunkle Kerzenlicht war diese für sie gar nicht sichtbar gewesen. Neugierig versuchte sie von ihrem Platz aus so weit wie möglich in das andere Zimmer zu sehen Doch bis auf tiefe Dunkelheit war nichts zu erkennen.
Dann erklang leise Musik und wie durch Zauberhand wurde ein reich gedeckter Tisch in der Mitte hell erleuchtet.
"Gehe nur hinein und erlabe dich an den Köstlichkeiten. Lass deine Sinne verführen und berauschen, doch sei dir gewiss, dass jederzeit eine Aufgabe auf dich warten kann."

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