Good Vibrations

Eigentlich habe ich keine Lust. Der Besuch der Party ist seit langem geplant und ich mag nicht unter Termindruck erotisch sein.

Was soll ich überhaupt anziehen? Stiefel oder Pumps? Halterlose oder Strapse, Mieder oder Korsage? Kleid oder Rock?

Er legt großen Wert auf ein angemessenes Outfit, die Freude der Abwechslung mache ich ihm gerne. Ich entscheide mich für den Sekretärinnen-Look: stecke die Haare hoch, ziehe ein enges, „kleines Schwarzes“ an, hochgeschlossen und die Knie umspielend, Nahtstrümpfe und High Heels.

Streng wirke ich und der Rohrstock in meiner Hand ist nicht nur Accessoire. Prima, zu diesem Outfit passt meine Brille, endlich werde ich die anderen Gäste mal deutlich erkennen können.

Ich mag es, dass alle gucken. Ein Überbleibsel aus meiner Model-Zeit, etliche Jahre ist es her, aber den richtigen Gang verlernt man nie. Kopf hoch, Brust raus, Schultern zurück, Bauch rein, gehen wie auf einer unsichtbaren Linie, Fuß vor Fuß – und das Ganze bitte mit dezentem Hüftschwung, lässig und natürlich. Klappt gut und ist mit Brille gar kein Kunststück.

Der neue Kellner ist ein echtes Sahneschnittchen. Schöne Zähne, niedliches Lächeln, gute Figur. Ich winke ihn an den Tisch und frage nach seinem Namen. „Tony“, sagt er und er muss sich räuspern, bevor er sprechen kann.

„Tony, du bist für diesen Tisch zuständig?“
„Jawohl, Madam. In vollem Umfang.“
Ich habe verstanden. Er hat verstanden.

Schnuckeliges Lächeln, wirklich. Seine Mutter hat offenbar streng darauf geachtet, dass er seine Zahnspange trug. Ich stehe auf, gehe einen Schritt auf ihn zu. Er reicht mir bis zum Kinn. Mit Schuhen bin ich 1,87. Er senkt automatisch den Kopf, sodass ich mit dem Finger unter sein Kinn fassen muss, um den Kopf zu heben und seine Augen zu sehen.

Er reagiert auf eine hochgezogene Braue.
Alles klar. Es wird nett werden. Später.

Später trage ich das kleine Schwarze nicht mehr, habe die Haare gelöst und die Brille abgelegt. Den Rohrstock habe ich dem Einen gegeben, dessen Befehle ich befolgen will. Er ist der zweite Mann in diesem Spiel, er, der kleine Hübsche mit den weißen Zähnen.

Ich habe ihn hinter mich gestellt, direkt ans Andreaskreuz. Er braucht keine Fesseln, er steht genau so da, wie ich es will. Er versteht jeden Befehl, auch wenn ich ihn nur leise in sein Ohr flüstere.

Er darf mich nicht anfassen, noch nicht, aber er ist mir nah, sehr nah. Er schwitzt. In kleinen Rinnsalen läuft ihm der Schweiß an den Schläfen hinab, seine Augen flackern, sein Atem geht heftig und schnell. Obwohl kein Schlag ihn trifft, stöhnt er doch bei jedem Hieb auf. Leidet mit, genießt mit, lässt sich treiben, reagiert.

Gleich wird es soweit sein, dass ich keine Befehle mehr geben kann, dann ist es vorbei, das Denken, dann kommt der große Genuss, das Fliegen.

Ich will ihn einbeziehen in dieses Spiel, noch mehr, führe seine Hände, lasse ihn mich festhalten, spüre seine Erregung deutlich, greifbar.

Er zittert. Meine Güte, wie er zittert. Nein, es ist ein starkes rhythmisches Beben in der Mitte seines Körpers. Sein Gesicht ist hochrot, er will mir etwas sagen, stammelt. Ich bin zu sehr im Spiel, um sofort zu verstehen, will ihn fühlen – dort. Das Beben hört auf. Ist wieder da. Hört auf. Ist wieder da. Er guckt verzweifelt.

„Ist das …?“ - „Ja, Madame.“

Sein Gesicht ist erleichtert wie nach einem Orgasmus, als wir alle drei lachen und er den Vibrationsalarm seines Handys abstellt.


Verfasserin ist die Buchautorin Carla B

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