BDSM als Dom mit 73 Jahren

Ab einem bestimmten Lebensalter beginnen sich altersbedingte Einschränkungen bemerkbar zu machen. Zuerst sind diese Einschränkungen kaum bemerkbar und stellen auch kein Problem dar. Mit der Zeit werden es allerdings mehr und man ist gezwungen, sich damit zu befassen. Ich meine damit nicht ein akut auftretendes gesundheitliches Problem. Im wesentlichen geht es dabei um die nachlassende Kraft und den zunehmenden Verlust an Beweglichkeit im Bereich der Extremitäten, z.B. das lange Stehen in stark gespreizter Stellung.

Das bedeutet, dass Sub bestimmte Spielsituationen nurmehr für kurze Zeit durchhält. Verspannungen nehmen zu, und manche Bondageformen sind nicht mehr durchführbar. Da aber Bondage für mich meist nicht als Selbstzweck verstanden wird, sondern die Partnerin in die Ausgangslage fixieren soll, die ich für die Durchführung der folgenden Praktiken benötige, ist die Frage, wie lange sie das aushält, von Bedeutung. Fitness kann den altersbedingten Abbau zwar verlangsamen, aber nicht stoppen, Man muss sich mit diesen Problem beschäftigen. Man beginnt, die Positionen in den Bereich sitzender und liegender Stellungen zu verlagern. Von manchen lieb gewordenen Dingen wird man Abstand nehmen müssen. Das ist so. Der Tagesverfassung und der Belastbarkeit ist ein viel größeres Augenmerk zu schenken als früher.

Es verändern sich auch andere Dinge. Jahrelang war die Ganzkörpermassage mit Brennnesseln eine in bestimmten Fällen angewandte Bestrafungsmethode. Auf einmal erzeugten die Brennnesseln (noch gar nicht an sensiblen Stellen eingesetzt) eine Reaktion, die diese Anwendung unmöglich machte. Kein Problem, es gibt genügend andere Möglichkeiten. So kommt eins zum anderen. Man stellt das Spiel um und sucht neue Praktiken. Auf dieser Suche bin ich zur Klinik und weißen Erotik gekommen. Das sind einige Bemerkungen aus der Sicht des Top.

Meine Sub hat, über diese körperlichen Probleme hinaus, ein aus meiner Sicht noch viel grösseres Problem. Sie hat das Gefühl zu versagen. Mir nicht mehr das geben zu können, was mir ihrer Meinung nach zusteht. Daher hat sie zu Beginn dieser Entwicklung versucht, durchzuhalten. Hätte ich ihre Reaktionen nicht so gut gekannt, hätte sie es solange wie möglich vertuscht. Ich habe einmal eine Spielsituation abgebrochen und in anderer Form weitergespielt. War für mich kein Problem, aber sie ist kurz darauf abgestürzt. Der einzige Absturz bisher. In langen Gesprächen ist es mir dann gelungen, sie davon zu überzeugen, dass es kein Versagen ist und ich noch genügend Möglichkeiten besitze, mit ihr lustvolle Sessions abzuhalten. Erst dann konnte sie sich wieder fallen lassen. Das Knien war für sie ein inneres Bedürfnis. Es fällt ihr schwer, dass es nurmehr fallweise machbar ist.

Im Laufe der Zeit hat die DS – Komponente einen immer grösseren Stellenwert bekommen. Rituale sind wesentlich ausgebaut worden. Das Frühstücksritual ist für uns beide ein unverzichtbarer Bestandteil geworden. Es wurde mit der Zeit so ausgebaut, dass es die gesamte Bandbreite unseres BDSM (zumindest angedeutet) umfasst. Körperkontrolle (Debris war in manchem ein brauchbarer Ideengeber) mag sie nicht, denn sie empfindet es als demütigend. Eine sehr wirksame Bestrafung und intensiviert das Machtgefälle sofort. Auch das Spiel mit den Grenzen (der Bereich, innerhalb dessen sie sich zu bewegen hat), ist ständiger Bestandteil ihres Lebens geworden. Wahrscheinlich werden wir irgendwann in einem (dem Modell der fünfziger Jahre ähnlichen) patriarchalischen Verhältnis zusammenleben.

Warum schreibe ich das? Weil ich euch eines mitgeben möchte. Nützt die Zeit und genießt sie in vollen Zügen. Der Zeitpunkt, von dem ich berichte, kommt. Er ist schneller da, als man es für möglich hält. Jenen, die sich noch nicht sicher sind, ob sie es real ausleben sollen oder nicht, kann ich nur den Rat geben, probiert es aus und entscheidet anschließend.

Liebe Grüsse

Max (im Forum Oblomow)

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