Sichtweisen auf Bondage

Ich texte euch hier zu, weil Gentledom mich fragte, ob ich denn nicht mal etwas zu meinem Weg zu Bondage schreiben könnte. Normalerweise überlasse ich das Verfassen von Texten gern Menschen, die das auch wirklich professionell können. Ich war auch der Meinung, dass zu Bondage alles gesagt sei, nur in Anbetracht dessen, was ich in den letzten knapp 2 Jahren so zu lesen bekommen habe, wenn ich die Mails in meinem Posteingang bearbeite, scheint doch noch nicht alles dazu gesagt oder geschrieben zu sein. Gut, den Grund warum Nachfragen und Hilferufe so zugenommen haben, kenne ich. Warum viele fahrlässig mit Seilen und Menschen umgehen, weiß ich allerdings nicht.

Das wichtigste zu mir und meinem Weg bis heute:

Ich bin Dorit, 31 Jahre alt, weiblich, und auf die Frage „und was bist du?“ Antworte ich schon aus Prinzip mit: zuerst mal ein Mensch und dann noch die Frau mit den Seilen. Ich trage zwei Seiten in mir, ich bin sowohl Ropebunny wie auch Rigger. Meinen Aha Moment hatte ich mit 14 Jahren in Form von einer Fotografie, die ich bis heute vergebens jage. Mein Weg war nicht immer so gerade wie er von außen betrachtet zu sein scheint und gerade in meinen jüngeren Jahren habe ich fast alles was es so gibt munter ausgetestet.

2001 hatte ich genug von der typisch deutschen Art, das ständige "das kannst du so nicht machen, das darfst du so nicht und du bist eine Frau". Ich habe meine Sachen gepackt und bin das erste Mal nach Tokio verschwunden. Geplant waren 3 Monate, am Ende war es knapp 1 Jahr. Ich bin dort einem Mann begegnet, der meine Art des Bondage noch heute beeinflusst. Er nahm mich auf und veränderte in kürzester Zeit nicht nur meine Sicht auf das, was ich tat, nein er hat mich geschliffen und mir Dinge aufgezeigt, die ich hier so nie gelernt oder begriffen hätte. Vieles ist lockerer und sehr viel ist klarer und einfacher, als hier in Deutschland.

Als ich wieder hierher gekommen bin war es nicht leicht zu akzeptieren, was hier so los ist. Es erschüttert mich heute noch wenn ich sehe, wie einige Rigger mit ihren Bunnys umgehen, dass sie zwar eine oder mehrere Techniken beherrschen, aber der Rest, der fehlt. Ich habe einmal gesehen, wie schlimm sich Rigger für etwas Aufmerksamkeit aufgeführt haben. Keiner der Anwesenden ist dazwischen gegangen, typisch deutsch eben. Keiner hat sie auf den offensichtlichen Fehler in ihrer tollen Idee hingewiesen. „Die Jungs wollen doch nur etwas Spaß haben, da kann nichts passieren ,das sind echte Rigger“, diese Aussage werde ich nie vergessen. Ihre Idee und das Unvermögen der Ropebunnys, Nein zu sagen, führten am Ende zum Einsatz von Sanitätern und Blut. Eines der Bunnys sollte ich Jahre später auf einem geschlossenem Event wieder treffen. Die Erinnerung an jene dumme Idee trägt sie in Form von Narben an Handballen und Knien für den Rest ihres Lebens bei sich.

2005 hatte ich von all den Vorurteilen, die man als Frau die fesseln kann hier so erleben darf, mal wieder genug. Also ging es zurück nach Tokio, doch diesmal viel länger. Ich war in den folgenden Jahren nur sehr selten in Deutschland und wenn ich hier war, wollte ich einfach nur wieder weg. In dieser Zeit hat mich das Meditations-Bondage sehr fasziniert und ich wollte mich weiter entwickeln, wollte was schweres machen, das nicht nur bloße Technik fordert, sondern alles von mir verlangte was ich zu der Zeit geben konnte. So lernte ich nicht nur den Buddhismus kennen, sondern auch Zen und Chan. Meditationsformen in eine Bondage zu verpacken, empfinde ich heute noch immer als das Schwerste und zugleich Anspruchsvollste, was man mit Seilen so machen kann.

2009 kehrte ich zurück und bin bis heute hier. Ich hatte damals mehr im Gepäck als verbesserte Techniken, mehr Wissen und exotische Seile. Die vergangene Zeit, das Erlernte und die Eindrücke haben mich erwachsen werden lassen.War ich damals noch zu befangen durch die ganzen Vorurteile, bei offensichtlichen Fehlern den Mund auf zu machen, so kann ich es heute. Wenn mir heute ein Mann sagt, ich könnte dieses oder jenes nicht machen, lächle ich und mach es dann doch. Höre ich heute, du bist ja nur eine Frau und viel zu schwach um den Kerl hoch zu bekommen, lächle ich, verweise auf physikalische Gesetze und mache dann das, was ich im Kopf habe.

Heute kann ich zu meinen beiden Seiten stehen und sie mit all meinen Sinnen ausleben, ohne ständig darüber nachzudenken welche Seite ich denn nun lieber mag. Ja, ich bin so frech und gönne mir den Luxus, beide Seiten zu lieben und mich nicht für eine zu entscheiden. In stillen Momenten allerdings, frage ich mich manchmal, ob wir mit dem ganzen Thema Bondage in all seinen Facetten nicht viel zu lax umgehen. Diese Entwicklung der letzten Jahre, grade die letzten zwei Jahre, zeigen mir eine Veränderung in der Gesamtheit. BDSM im Allgemeinen und somit auch Bondage sind nicht mehr irgendetwas in einer dunklen Ecke, nein es ist in einen öffentlichen Fokus gerückt. Wir sollten alle zusammen dafür sorgen, dass Erklärungen für Außenstehende auch nachvollziehbar werden. Grade im Bondage sollten wir an der Qualität, wie wir etwas vermitteln, noch sehr stark arbeiten.

Das was ich sehe, wenn ich auf europäisierte Bondage blicke, ist wie ein Blick in einen zersprungenen Spiegel. Es entstehen immer mehr kleine Inseln, die sich zwar Bondage auf die Fahne schreiben, es aber gleichzeitig abgrenzen und mischen. Ich hatte erst letztens wieder eine Diskussion über Bondage und wo es hingehört, und das mit einem Tantralehrer. Für ihn gehört es zum Tantra und nicht ins BDSM, dann sind da noch die reinen Fessler, die sofort beim Wort BDSM auf 180 sind, denn sie meinen Bondage muss von allem losgelöst eigenständig stehen. Dann die Fraktion die sagt es ist Kunst und darf nichts mit Sex oder gar Schmerz zu tun haben, es gibt so viele Lager hier in Deutschland und alle wollen das einzig wahre Bondage ihr eigen nennen. Wir verlieren uns in Anleitungen und Begrifflichkeiten, in Zankerei über Töpfe, Wasser, Rohmaterialien, Formen und Farben, wir spalten uns in unterschiedliche Lager und übersehen dabei, das wir doch lieber ein Bondage prägen sollten, das von Menschen gemacht, mit Menschen gestaltet, und für Menschen zugänglich und verständlich ist.

Immer wieder begegnen mir Fragen von Einsteigern, die völlig verwirrt sind. Das geht bei den Seilen los, zieht sich über Anleitungen zum gebrauchsfertig machen bis hin zur Verwendung.

Wir hier in Europa machen es gern umfangreich und kompliziert. Wenn ich dagegen in Japan ein Seil für eine Bondage möchte, verlange ich nach Asanawa und Ruhe ist. Japaner mögen Tradition ganz gern und so ist es nicht verwunderlich, dass ich dort nicht ewig suchen muss, denn es sind nur zwei Seile anerkannter Standard. Das Hanfseil und das Juteseil, dreischäftig, 5-6 mm im Durchmesser und gut. Will ich hier in Deutschland ein Bondageseil haben, habe ich die Qual schlecht hin. Hier darf sich selbst das letzte billige Mischgewebe, mit dem ich nicht mal meine Nackenrolle verschnüren würde, Bondageseil nennen. Manchmal gibt es sogar ganz Mutige, die kein fertig Seil kaufen wollen, sondern lieber in den Baumarkt gehen oder von ganz schlauen Mitmenschen da hin geschickt werden. Ich hab mir mal aus Spaß solche Verweise schicken lassen und bin erschrocken. Da werden also Anfänger in Baumärkte geschickt, sollen sich da ein Seil kaufen, weil es billiger ist und man sagt ihnen das wichtigste an der Sache nicht! Wir leben in einem Land voller Bürokratie, da sollte es keinen wundern, das selbst Seile davon nicht verschont werden.

Warum ist es also so schwer, einen Anfänger, der mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gutes von einem schlechten Seil nicht unterscheiden kann, auf die DIN EN Tabellen zu verweisen? Warum wird ihnen nicht gesagt, dass sie darauf zu achten haben, dass ihr Seil wenigstens die DIN EN 1261 tragen sollte? Und so oft, wie ich völlig verwirrte Seilkäufer habe, so oft habe ich Anfragen von Menschen die gern wissen wollen, warum der Super-Duper-Mega-Extrem-Rigger X aus Y ihnen das Benutzen von ihrem sündig teuren und extra importierten Seil aus irgendeinem exotischem Naturmaterial verbietet.

Spätestens bei solchen Mails frage ich mich immer ernsthaft, wo ich nur gelandet bin. Nicht einmal ich mit 14 Jahren Bondage in meinem Leben würde behaupten, ich würde alles wissen oder Durchblick haben. Aber gut, Erwachsene Menschen lassen sich von anderen, die angeblich den totalen Durchblick haben, was verbieten, auch die bekommen Antworten und zur Not suche ich ihnen anhand der Angaben auch die ungefähre Bruchlast ihres Schätzchens raus und gebe eine Verwendungsempfehlung ab. Was mich aber wirklich erschreckt sind die Mails, in denen ich lesen muss, Bondage wurde einfach mal ausprobiert und der Fragesteller will wissen ob es normal ist, wenn der Gefesselte auch noch Tage oder eine Woche später über einen tauben Arm, taube Gliedmaßen allgemein, Nackenschmerzen, Muskelschmerzen,Kopfschmerzen, Atembeschwerden, Schwindelgefühle etc. klagt.. Ja und auch hier antworte ich, einfach weil ich es als wichtig erachte und mir dabei keinen Zacken aus meiner Krone breche.

So, das war also mein Weg bis heute. Wohin er mich noch führt kann ich nicht sagen, aber ich bin gespannt.

 

Autorin Schallgewitter

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