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Ich glaube, ein Mann will von einer Frau das gleiche wie eine Frau von einem Mann: Respekt.
--Clint Eastwood
Marielle schluchzte ins Telefon: "Er hat mich geschlagen." - "Was?" - "Jeroen wollte Sex, ich wollte nicht, er wollte mich zwingen, ich hab mich gewehrt, da hat er mir eine Ohrfeige gegeben und gesagt, ich sei schließlich eine Sklavin." - "Wo bist du jetzt?" - "Ich hab mich im Gästezimmer eingeschlossen." - "Bleib da drin, ich komme sofort."
Das "sofort" war nicht ganz einfach umzusetzen, denn ich hatte Anouk und Stijn bei mir, die ich natürlich nicht allein lassen konnte. Aileen war mit ihrem Lover in Paris. Ich musste mir also ein Taxi leisten, denn auf dem Fahrrad konnte ich nur ein Kind mitnehmen, und außerdem wäre es eine Strecke von gut zwanzig Minuten. So lange wollte ich Marielle nicht warten lassen. Mit dem Taxi waren wir in knapp zehn Minuten dort, es war ja Sonntagmorgen und wenig Verkehr. Auf der Fahrt überlegte ich, wie ich vorgehen sollte. Ich konnte Jeroen kaum vor Stijn und Anouk zur Sau machen.
Mit einer Mordswut im Bauch und zwei Kleinkindern im Schlepptau läutete ich Sturm. Jeroen öffnete etwas verdattert. "Lass mich rein.", schnappte ich und drängte mich an ihm vorbei. Oben öffnete sich eine Tür, Marielle hatte uns wohl schon durch das Fenster gesehen und kam die Treppe herunter. Als sie dicht an mir vorbeiging, streichelte ich ihr über die Hüfte und gab ihr einen Kuss auf die Wange. "Anouk, Stijn, ihr dürft mit Marielle auf den Spielplatz, ja?" Anouk freute sich, denn sie hatte sich schon sehr mit Marielle angefreundet. Stijn kannte Marielle noch nicht, aber da Anouk sich freute, war es für ihn auch in Ordnung. Marielle nahm die beiden an der Hand und verließ das Haus, ohne ihren Mann eines Blickes zu würdigen.
"Wir müssen etwas besprechen", fuhr ich Jeroen an und setzte mich an den Esstisch, "Setz dich." Er gehorchte. "Jeroen, ich hätte nie gedacht, dass ich dir das erklären muss: Wenn Marielle keine Lust auf Sex hat, dann hast du das zu respektieren. Und du hast sie nicht zu schlagen, sonst landest du schneller vor Gericht, als du dir vorstellen kannst." - "Aber sie ist doch eine Sklavin!" - "Nein. Sie ist meine Sklavin. Das ist nicht dasselbe. Sie ist deine Ehefrau. Genau gleich, wie sie es früher war. Und du hast nicht mehr Rechte, als früher" - "Aber du befiehlst ihr doch auch, was sie tun muss." - "Kapier es: Wenn du eine Sklavin willst, musst du dir selber eine suchen. Marielle ist es nicht. Wenn du das nicht akzeptieren kannst, werde ich ihr befehlen, dich zu verlassen, und glaube mir, sie wird es tun." Jeroen schwieg betreten und schaute auf den Tisch.
Ich wurde etwas versöhnlicher: "Wenn du Sex mit Marielle willst, gibt es genau drei Möglichkeiten: Du wartest, bis sie von sich aus kommt, oder du versuchst sie zu verführen, oder du bittest mich, es ihr zu befehlen." Er druckste herum. "Ich weiß nicht, ob ich so leben kann." - "Da kann ich dir auch nicht helfen, das musst du selber wissen. Vielleicht will ja auch Marielle jetzt gar nicht mehr mit dir zusammen bleiben." - "Ich will sie nicht verlieren", murmelte er nach kurzem Zögern mit gesenktem Blick und einer Träne im Auge. "Komm, wir gehen hin, dann kannst du dich entschuldigen."
Marielle saß am Rand des Spielplatzes auf einer Bank im hellen Sonnenlicht. In ihrem weißen Kleid, blass, ungeschminkt und nicht sorgfältig frisiert, sah sie ein klein wenig zerzaust und sehr verletzlich aus. Mein Herz klopfte wild, als ich sie so sah. Ein fast unstillbarer Drang, sie in den Arm zu nehmen und an mich zu drücken, erfasste mich. Ich ließ trotzdem Jeroen für diesmal den Vortritt und ging stattdessen hinüber zu Anouk und Stijn auf der Schiffsschaukel. "Marielle, es tut mir so Leid...", hörte ich noch, bevor das Kindergeschrei alles übertönte. Ich setzte mich mit dem Rücken zu ihr auf einen Block neben der Schaukel.
Nach einigen Minuten näherte sich Marielle, beugte sich von hinten über meine Schulter und küsste mich auf die Wange. "Es ist in Ordnung, ich danke dir", sagte sie leise. Zusammen gingen wir wieder zurück zur Wohnung. "Habt ihr Lust, noch irgendwohin zu fahren?", fragte Jeroen überraschend. Ich hatte noch nichts vor und Stijn würde ja bis am nächsten Morgen sowieso bei mir bleiben. Also diskutierten wir kurz darüber, wohin. Schließlich meinte Marielle: "Vielleicht würden die Kinder gern in die Efteling?" - "JAAA", brüllte Stijn, und Anouk fiel ein. Damit war das Ziel gesetzt. Glücklicherweise hatte Jeroen ganz in der Nähe eine Schwester, die zwei größere Kinder hatte. Von ihr konnte er zwei Kindersitze ausleihen.
Für mich war es zwar ein wenig eng hinten auf der Rückbank, zwischen zwei Kindersitzen eingezwängt, aber da ich sowieso die Schlankste von uns Dreien war, und da es ja "meine" Kinder waren, ließ ich Jeroen und Marielle vorne sitzen. Es wurde ein wunderschöner Ausflug. Die Efteling ist ein großer, gepflegter Park mit vielen Attraktionen für alle Altersgruppen. Stijn und Anouk liebten den Sprookjesbos (Märchenwald), während Marielle und ich gerne auf die rasanten Achterbahnen gingen. Jeroen fuhr mit Stijn in den Autoscootern, ich mit Anouk in schwebenden Elfenkutschen durchs Zauberland. Alle zusammen machten wir dann eine Bootsfahrt zwischen den Piraten von Batavia und Vieles mehr. Am Ende hatten wir alle müde Beine, und die Kinder waren auf der Rückfahrt kaum noch wach zu halten. Wir brachten sie im Gästezimmer zu Bett, wo sie umgehend einschliefen. Dann machten wir uns einen gemütlichen Abend.
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Frauen gehören an den Kochtopf - und der sollte im Schlafzimmer stehen.
--Woody Allen
Nun gut, Jeroen hatte eine Belohnung verdient. Wir saßen unten auf der Sitzgruppe und plauderten. Jeroen hatte ein Heineken, Marielle einen Baileys und ich einen Johnny Walker (der einzige Mann, dem ich mehr als vierzigprozentig vertraue). "Marielle, heute übst du nochmal den Deep Throat." Beide schauten mich fragend an. "Na komm, ihr wisst ja schon, was ich meine, oder? Marielle, nimm Jeroens Schwanz so wie er ist ganz in den Mund. Beeil dich, bevor er vor Vorfreude größer wird, denn dann wird es schwieriger für dich. Sie gehorchte, kniete sich zwischen seinen Beinen nieder, öffnete seine Hose und nahm den Penis in den Mund. "Bis zum Anschlag.", mahnte ich. "Dann stimulierst du ihn mit der Zunge, bis er so groß ist, dass du ihn gerade noch ganz im Mund behalten kannst. Wenn es soweit ist, hörst du auf, bewegst die Zunge und Lippen nicht mehr, behältst ihn aber drin, Klar?" Sie nickte, soweit sie das mit dem Penis im Mund tun konnte, und begann ihr Werk. Ich nippte am Scotch, während meine Sklavin ihre Aufgabe erledigte. Jeroen schien es zu gefallen, und bald war an Marielles etwas gepresster Atmung und leisen Würgegeräuschen zu erkennen, dass der Penis ihren Mund ausfüllte. "Zunge flach halten. Durch die Nase atmen. Still halten", befahl ich. Jeroen machte einen etwas unschlüssigen Eindruck und legte ihr zögernd die Hand auf den Kopf, was ich aber mit einem energischen Kopfschütteln unterband. Für Männer ist es nicht ganz einfach, passives Sexobjekt zu sein. Aber darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Als ich den Eindruck hatte, sein Penis sei wieder zusammengefallen, setzte ich mich neben ihn und begann ihn zu küssen. Unsere Zungen berührten sich, und bald suchte seine Hand den Weg in meine Bluse. Von Marielle waren wieder leise Würgegeräusche zu hören. "Mach den Mund auf, Marielle. Streck die Zunge heraus und versuch, an Jeroens Sack zu lecken. Atme durch die Nase." Eine Weile gelang es ihr sogar, den noch weiter wachsenden Penis ganz im Mund zu halten, doch dann würgte sie heftig und zog sich ruckartig zurück.
"Habe ich dir erlaubt, aufzuhören?" - "Nee, Meesteres" - "Steh auf. Strip." Ich erhob mich und gab ihr mit der flachen Hand einen kurzen, kräftigen Schlag auf den Hintern. Dann sagte ich streng: "Pass gut auf, ich zeig es dir.", nahm einen Schluck Johnny, kniete mich zwischen Jeroens Beine und begann an seiner Eichel zu lecken. Er sog scharf die Luft ein; der Alkohol an meiner Zunge brannte wohl ein wenig. Dann schob ich meinen Mund bis zum Anschlag über seinen erigierten Penis. Mit der richtigen Technik und ein wenig Übung ist es nicht schwierig, und das Gefühl der Penisspitze tief in der Kehle finde ich ziemlich geil. Bloß die Haare störten. "Du könntest dir eigentlich mal den Sack und die Schwanzwurzel rasieren", grummelte ich und nahm den Schwanz noch ein paar Mal ganz auf. "Versuch du es jetzt wieder.", befahl ich dann und setzte mich zu meinem schottischen Freund Walker. Marielle gab sich Mühe, aber sobald die Eichel ihr Halszäpfchen berührte, musste sie würgen. Jeroen wurde langsam auch ziemlich kickerig, also mussten wir die Übung für diesmal wohl abbrechen. Ich befahl Marielle auf dem Tisch in Sula und bedeutete Jeroen: "Bedien dich". Johnny hatte mich kaltschnäuziger gemacht, als ich eigentlich bin.
Mit mäßigem Interesse sah ich noch kurz zu, wie Jeroen seine auf dem Tisch liegende Ehefrau fickte, dann leerte ich mein Glas und ging nach oben. Vom Treppenabsatz schaute ich nochmal zurück und traf Marielles Blick, der mir folgte, während ihr Mann seine Hände auf ihren Titten und seinen Schwanz in ihrer Möse hatte. Ich winkte ihr kurz zu und ging ins Badezimmer. Während dem Zähneputzen hörte ich beide in zunehmender Lautstärke keuchen und stöhnen. Ich ging zu den tief schlafenden Kindern ins Gästezimmer und schloss die Tür. Ich war irgendwie unzufrieden, sogar wütend, aber ich konnte es nicht so richtig benennen, warum. Es war doch ein schöner Tag gewesen.
Bevor ich einschlafen konnte, hörte ich ein leises Kratzen an der Tür. Erst wollte ich es ignorieren, aber da ich ja sowieso keinen Schlaf fand, stand ich auf und öffnete. Marielle hielt den Blick gesenkt, ihre Augen glänzten feucht im schwachen Licht, und sie flüsterte: "Bist du böse auf mich?" - "Nein." - "Was ist es dann?" Ich seufzte leise, trat aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Aus dem Schlafzimmer hörte ich schon Jeroens Schnarchen. "Komm, gehen wir nach unten." Sie folgte mir stumm und wollte sich auf den Boden knien. Ich befahl sie aber neben mich aufs Sofa. Sie ergriff meine Hand, schaute mich scheu an und fragte: "Was ist...?" - "Nichts. Manchmal ist meine Laune eben nicht so gut. Vielleicht einfach PMS. Es hat nichts mit dir zu tun." Ich legte meinen Arm um sie, und sie schmiegte sich an mich und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Eine ganz eigenartige Gefühlsmischung entstand. Einerseits brannte diese unklare, unartikulierbare, wachsende Wut tief in mir drin, andererseits durchströmte mich nun eine Welle von Zärtlichkeit für dieses wunderbare Geschöpf in meinem Arm. Eine Weile blieben wir so sitzen, aber dann siegte die Wut, und ich hielt es nicht mehr aus. Ich stieß Marielle grob weg von mir und stand auf.
Im Halbdunkel des Wohnzimmers sah ich einen Moment ihre erschreckt aufgerissenen Augen, dann glitt sie vom Sofa und ging auf dem Boden regungslos in submission-Stellung. Während ich sie stumm anstarrte und gegen den Impuls kämpfte, sie zu schlagen, wurde mir allmählich klar, was mit mir nicht stimmte:
Alles. Einfach Alles.
Ich lebte nicht mein Leben. Sondern das einer Kunstfigur. Ich fühlte mich zerrissen. Ich würde jeden Moment entweder explodieren, oder in Tränen ausbrechen. Wenn die Kinder nicht gewesen wären, wäre ich jetzt einfach weggegangen. Egal wohin, einfach weg. Aber das konnte ich ja nicht tun. Ich ging daher zur Bar und goss mir noch einmal ein Glas Johnny Walker ein. Als ich mich damit wieder auf die Couch setzte, schaffte ich kaum einen Schluck, bevor mich ein Heulkrampf erfasste, und nicht mehr losließ, bis die erschrockene Marielle zu mir kam und mich umarmte. "Lass mich dir helfen, bitte. Sag mir, was los ist.", bat sie leise und streichelte mir übers Haar. Ich schüttelte nur den Kopf. Wie sollte ich das meiner Sklavin erklären? Dass ich keine Herrin war und auch keine sein wollte? Dass ich nicht eine Schulter zum anlehnen sein wollte, sondern im Gegenteil selbst eine brauchte, um mich anzulehnen? Dass ich neidisch war, weil Marielle gefickt worden war, und ich nicht? Dass ich ihre Ehe nicht zerstören wollte, aber auch nicht auf ihre Liebe verzichten? Dass ich es einfach Leid war, immer alle Entscheidungen treffen zu müssen? Dass ich Anouk über Alles liebte, aber an der Tatsache zu zerbrechen drohte, dass ich durch das Kind die Freiheit verloren hatte, mir selbst treu zu sein? Dass ich in diesem Moment ganz weit weg sein wollte, am liebsten gleich unter der Erde? Das alles konnte ich ihr nicht sagen. Konnte ich niemandem sagen. Und so weinte ich einfach, ich weiß nicht wie lange, bis ich irgendwann in Marielles Armen einschlief.
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Das Leben ist wundervoll. Es gibt Augenblicke, da möchte man sterben. Aber dann geschieht etwas Neues, und man glaubt, man sei im Himmel.
--Edith Piaf
"Lang zal ze leven, lang zal ze leven, lang zal ze leven in de gloria", klang es dysharmonisch aus den Kehlen von drei Erwachsenen und fünf Kindern. Es war Anouks vierter Geburtstag. Aileen, Marielle und ich schmissen die Party für Anouk und ihre Freunde. Bei Saft und Smarties-Schoko-Kuchen kam das Gespräch irgendwie auf den Geburtsort. "Ich bin in Haarlem geboren", sagte Stijn, "und du?" - "Weiß ich nicht", antwortete Anouk. "Mama?" - "Du bist in Novosibirsk geboren", nannte ich die Angabe, die auf ihrer Geburtsurkunde stand, die ich damals aufgrund meiner Geschichte von der Entführung und Vergewaltigung von den Behörden erhalten hatte.
Aileen machte große Augen, und Anouk wollte es genauer wissen: "Wo ist das?" - "In Sibirien. Das ist ein großes Gebiet in Russland." - "Wo ist Russland?" - "Sehr weit weg." - "Muss man da mit dem Flugzeug hin?" - "Ja." Als Paps uns mal mit nach Schiphol genommen hatte, war Anouk von den großen, lärmenden Flugzeugen enorm beeindruckt gewesen, und das, wo die hin flogen, war für sie seither der Inbegriff von "ganz weit weg". Stijn mischte sich ein: "Ich weiß, was Russland ist. Ich habe die Fahne in meinem Fußballbuch!" Stijn war ein großer Fußballfan, natürlich vor allem von Ajax, und er hatte bei der letzten EM oder WM so ein Buch bekommen, in dem Kleber aller Mannschaften waren. "Ich will auch eine Fahne von Russland, wo ich geboren bin", maulte Anouk. Die russische Fahne ist glücklicherweise nicht wirklich kompliziert, und so holte ich Papier und Farbstifte und malte sie ihr.
Echt, hast du mal in Russland gelebt?", fragte Aileen. Marielle war die einzige, die meine Vergangenheit genauer kannte. In Gesprächen mit Aileen war ich bei diesem Thema immer eher zugeknöpft geblieben, und sie hatte mich nie bedrängt. "Ja, ein paar Jahre lang", sagte ich kurz und warf Marielle einen warnenden Blick zu. "Was hast du denn dort gemacht?" - "Ich war mit einem Mann dort. Aber ich will mich nicht mehr als unbedingt nötig daran erinnern." Aileen nickte verstehend. Aber Stijn, der aufgeweckte Fünfjährige, nahm den Ball auf: "War das der Papa von Anouk?"
"Ja.", antwortete ich ebenso kurz wie vereinfachend.
Anouk, aufmerksamer, als ich es mir in diesem Moment gewünscht hätte, hakte nach: "Was ist ein Papa?", dieselbe Frage, die sie mir vor einiger Zeit schon einmal gestellt, dann aber wieder vergessen hatte. Mein gröbstes erzieherisches Versäumnis holte mich wieder ein. Ich hatte immer verdrängt, dass Anouk auch einen Vater hat, und war entsprechenden Fragen stets ausgewichen. Aber jetzt nagelte sie mich fest. Ich schaute hilfesuchend zu Aileen und Marielle, die aber beide die Hand vor den Mund gepresst ehrlich bemüht waren, ein Kichern zu unterdrücken, und offensichtlich außerstande waren, mich hier zu unterstützen.
"Du weißt doch schon, wo Kinder herkommen, nicht wahr?", tastete ich mich ans Thema heran. "Klar, aus dem Bauch von Mama." - "Genau. Und wie kommen sie da rein?", fragte ich und spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. Verdammt, ich bin doch eigentlich nicht prüde, dachte ich. "Wie denn?", fragte Anouk. Marielle schaute mich an und konnte ihr Kichern nicht mehr unterdrücken, bis ich sie mit meinem allerstrengsten Blick zum Schweigen brachte. Sie errötete leicht und senkte die Augen. Im selben Moment prustete allerdings auch Aileen los, und die reagierte nicht auf Meesteres-Blicke. Blöde Hühner. "Naja, dazu braucht man einen Mann. Und diesen Mann, der dabei hilft, dass das Kind in den Bauch kommt, nennt man Papa oder Vater." Phuhh.
"Und wer hat mich in deinen Bauch getan?", fragte Stijn nun seine Mutter. Jetzt war Aileen dran mit Erröten, und ich mit Kichern, denn Stijn stammte aus einem One Night Stand mit geplatzten Kondom. Aileen hatte die volle Aufmerksamkeit des ganzen Publikums, klein und groß. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören. "Naja, das war ein Mann, den ich mal kennenlernte", stammelte sie, "Aber der zog dann weiter, und deshalb habe ich ihn nie mehr gesehen." - "Wieso musste er weiter ziehen?" - "Äh, ich weiß nicht genau, er hatte irgendwas Anderes zu tun." - "So einen wichtigen Auftrag, so wie ein Geheimagent?" - "Ja, so ungefähr. Wollt ihr noch ein wenig Kuchen? Oder ein Eis?"
Dies brachte die willkommene Ablenkung. Aileen tischte glücklich das Eis auf, und während der folgenden Minuten standen Schmatzgeräusche im Vordergrund. Allerdings gab Stijn noch nicht auf: "Macht Steffen auch ein Kind in deinen Bauch?", fragte er seine Mutter. Aileen verschluckte sich und musste husten. "Ich hoffe nicht!" Steffen war ihr momentaner Lover. "Aber warum kommt er dann immer zu uns und darf bei dir im Bett schlafen?" - "Marielle schläft auch immer in Mamas Bett!", mischte sich Anouk ein und rettete damit die sichtlich erleichterte Aileen. Da die lieben Kinder nun alle wunderbar still und ganz Ohr waren, durften wir davon ausgehen, dass die Belegung unserer Betten im Kinderhort bald allgemein bekannt sein würde.
"Du kommst doch auch manchmal gern bei mir kuscheln, nicht?" - "Ja, aber ich bin doch ein Kind!" - "Naja, Erwachsene kuscheln eben auch gern, wenn sie einander lieb haben." - "Ich hab Marielle auch lieb.", sagte Anouk. "Ich dich auch, Noukje, antwortete Marielle überrascht und gerührt. "Aber ich darf nie bei euch die ganze Nacht kuscheln", hakte diese nach. "Das holen wir mal nach. versprochen." - "Heute Nacht?" - "Okay, weil du Geburtstag hast." Eigentlich hatten Marielle und ich uns die Nacht anders vorgestellt.
Nach dem abendlichen Zähneputzen legte sich Anouk also in mein Bett, um ihre Kuschelstunde einzufordern. Ich legte mich zu ihr, aber sie war nicht zufrieden: "Marielle muss auch zu uns kommen!" So lagen wir dann also zu dritt im Bett. Das Geburtstagskind wurde von zwei Seiten geknuddelt, bis es so müde war, dass es sich endlich nicht mehr gegen das Einschlafen wehren konnte. Marielle und ich gingen dann ins Wohnzimmer auf die Couch und später auf den Teppich, wo wir uns der nicht-jugendfreien Version des Kuschelns widmeten. Irgendwann schliefen wir um- und ineinander gewickelt ein. Mitten in der Nacht allerdings erwachte ich, weil ich fror. Zumindest an den Körperteilen, die nicht auf oder unter Marielle lagen. Als ich vorsichtig versuchte, unsere Gliedmaßen zu entwirren, musste Marielle plötzlich kichern. Sie war auch schon längst wach, hatte nur nicht gewagt, sich zu bewegen. Zur Strafe vergewaltigte ich sie mit Zunge und Fingern, dann gingen wir gründlich aufgewärmt wieder zu Anouk ins Bett und schliefen, bis die frischgebackene Vierjährige uns am Morgen kichernd wach kitzelte.
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Die Liebe ist so unproblematisch wie ein Fahrzeug. Problematisch sind nur die Lenker, die Fahrgäste und die Straße.
--Franz Kafka
"Hallo, Salomé", klang es erfreut hinter mir. Ich drehte mich um, und da stand Joep. Nein, Johan. Johan Rijnstra. Der Rechtsanwalt. Der Sklave. Ich kam gerade aus dem Lesesaal der UvA und war dabei, mein Fahrrad aus dem Ständer zu holen. "Hast du Lust auf einen Kaffee?" - "Was?" Sofort packte mich wieder diese Panik. Ein Mann trat mir zu nahe, wollte etwas von mir. Noch immer hielt ich das nicht aus. "Nein, danke. Ich muss Anouk abholen und dann nach Hause." - "Oh, dann vielleicht ein anderes Mal?" - "Vielleicht. Tot ziens."
Auf dem Fahrrad schalt ich mich eine Idiotin. Johan war nett zu mir gewesen, hatte mir gegen die Vormundschaftsbehörde geholfen, ohne einen Cent zu verlangen. Er war immer korrekt gewesen. Ich hatte keinen Grund, so abweisend zu sein. In Gedanken versunken holte ich Anouk und radelte nach Hause. Am Nachmittag hatte mich die Routine soweit im Griff, dass ich die Episode wieder vergaß.
Am nächsten Mittag war Johan aber wieder da und begrüßte mich freundlich: "Hast du heute Lust, mit mir zu Mittag zu essen? Wir können ja ins "Mopperpot", da kann Anouk vor und nach dem Essen spielen, ja?" Das "Mopperpot" war ganz im Gegensatz zu seinem Namen (etwa: Miesepeter, Jammertante) ein recht witziges Lokal, in dem man leckere pannenkoeken aller Art essen konnte, und für kleinere Gäste gab es jede Menge Spielmöglichkeiten. Auch mit allergrößter Strapazierung meiner paranoiden Phantasien konnte ich nichts Gefährliches daran sehen, mit Johan dort essen zu gehen. "Ja, gern", sagte ich darum freundlich und riskierte ein feines Lächeln. Ich glaubte ja nicht wirklich an einen Zufall, dass er an zwei aufeinanderfolgenden Tagen um diese Zeit an diesem Ort war, aber gut, wenn er sein Geld unbedingt loswerden wollte, warum nicht für mich und Anouk?
Wir gingen also zum Kinderhort und holten die misstrauisch auf Johan blickende Anouk ab. Sie taute allerdings gleich auf, als sie erfuhr, dass es ins "Mopperpot" ging und freute sich auf die fürchterlich süßen poffertjes met stroop. Johan und ich nahmen pannenkoeken mit unterschiedlichem Belag.
Es war überaus angenehm, mit Johan zu essen und zu plaudern. Er war ein intelligenter, vielseitig interessierter, kultivierter Mann. Und noch dazu gut aussehend. Keine Spur vom Sklaven Joep war an ihm zu finden. Irgendwann wagte ich, ihn darauf anzusprechen: "Wo ist Joep, während du Johan bist?" - "Eigentlich nirgends. Das ist für mich ein Spiel, nicht eine Sache der Persönlichkeit. Schmerz und Unterwerfung machen mich manchmal geil, aber ich brauche es nicht unbedingt. Andere Dinge machen mich genauso geil, So alle zwei, drei Monate mache ich eine Session mit Domiana." - "Und sonst?" er schaute mich fragend an. "Naja, dein, naja, Sozialleben? Also sag nur, wenn ich zu neugierig bin." Er lachte nur: "Mein Liebesleben meinst du? Nein, ich lebe seit etwas über einem Jahr allein."
"Und wieso haben wir uns jetzt so zufällig getroffen?", fragte ich mit unschuldigem Augenaufschlag. Flirtete ich etwa mit diesem Mann? "Natürlich war es nicht zufällig.", bekannte er ernsthaft. "Was glaubst du, bei wievielen Fahrradständern rund um die UvA ich in den letzten Wochen um die Mittagszeit gewartet habe um zu sehen, wo du heraus kommst?" - "Und was verschafft mir die Ehre dieser hartnäckigen Verfolgung?", fragte ich etwas alarmiert. "Ich wollte dich wiedersehen. Natürlich habe ich seit der Sache mit der Vormundschaftsbehörde deine Adresse und hätte dich auch einfach anrufen oder zuhause aufsuchen können, aber das fand ich zu plump. Es sollte eben, naja, zufällig aussehen.", sagte er mit schiefem Grinsen, "Ist mir aber gründlich misslungen, wie?" - "Das heißt, du hattest Hintergedanken bei dieser Einladung zum Essen?", forderte ich ihn heraus. "Ja, klar", gab er freimütig zu, "Wenn ich bei einer Frau wie dir keine Hintergedanken hätte, wäre ich nicht normal. Aber ich habe nicht vor, aufdringlich zu werden." Irgendwie beeindruckte er mich mit seiner selbstsicheren Offenheit. Und ich fühlte mich auf sehr weibliche Art geschmeichelt von seinem indirekten Kompliment. Tatsächlich hegte ich auch keinerlei Befürchtung, er könnte aufdringlich werden. "Und was sind die weiteren Szenen in deinem Drehbuch?", fragte ich bewusst etwas schnippisch. "Ich würde dich bitten, an einem Abend mit mir auszugehen, damit wir genauer feststellen können, wie sympathisch wir einander sind." - "Wie sympathisch, nicht etwa: ob überhaupt sympathisch?" - "Diese Frage ist glaube ich beantwortet. Du bist mir sehr sympathisch, und ich bin dir zumindest sympathisch genug, dass du dich heute fast zwei Stunden lang mit mir befasst hast." - "Was? schon fast vierzehn Uhr? Ich muss Anouk zu Aileen bringen und dann zur Arbeit!" Ich hatte tatsächlich die Zeit vergessen. Während Johan bezahlte, schnappte ich Anouk, verabschiedete mich eilig und radelte hastig zu Aileen. Gerade noch rechtzeitig schaffte ich es an meinen nachmittäglichen Arbeitsort, die Buchhandlung.
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Keine Angst vor Wünschen, keine Angst vor Gier.
Uns bewacht ein Engel und ein wildes Tier.
Erinner' mich dran in tausend Jahren, was ich dir heute versprach.
Dies wird der Abend, dies wird der Abend, vor dem Morgen danach.
--H. R. Kunze
Bereits am nächsten Tag rief Johan an. "Ich wollte fragen, ob wir mal an einem Abend ausgehen können?" - "Du lässt nichts anbrennen, was?" - "Ich wollte nachhaken, bevor du wieder vergessen hast, wie gut wir uns verstehen", sagte er mit durchs Telefon hörbarem Grinsen. Ja, ich fühlte tatsächlich ein gewisses Kribbeln im Bauch. Mit einem Mann ausgehen? Vielleicht mehr? "Wie wär's mit Freitag Abend?", hakte er schon nach. "Ich muss schauen, ob ich Anouk unterbringen kann", zögerte ich. Und ich muss mir klar werden, was Marielle davon hält, ergänzte ich innerlich. "Ich rufe dir bis heute Abend zurück."
Aileen, der Goldschatz, war sofort bereit, ihren Freitagabend zu spenden. Als ich Marielle anrief, hatte ich ein seltsames Gefühl in der Magengrube. Aber wieso eigentlich? Sie hatte ja ihren Mann und konnte mit dem ausgehen und auch mit ihm schlafen, wann immer es ihr danach war. "Ich gehe am Freitag mit Johan aus. Wir sehen uns dann am Samstag." - "Ja, ist gut", sagte sie nur. Ich vereinbarte also mit Johan ein Treffen für Freitag.
Er kam exakt pünktlich, um mich abzuholen. Zuerst gingen wir Essen in einem Lokal, für das ich mich eigentlich mal wieder underdressed fühlte, in meinem einfachen Kleid und mit meinem bescheidenen Hals- und Ohrschmuck. "Du siehst toll aus. Das Kleid steht dir ausgezeichnet, und es passt perfekt zu deinem wunderschönen Haar.", versicherte mir Johan galant. Das Essen war gut und kurzweilig, der Wein hervorragend. Danach wollte er tanzen gehen, was mir nicht passte, weil der ganze Abend dadurch klischeehaft aufs Bett zielte, wie es mir schien. Also schlug ich ihm stattdessen eine Runde schaatsen vor. Er schaute ein wenig erstaunt, akzeptierte aber. Ich hatte zwar mehr Übung, weil ich mit Anouk und Stijn öfters mal auf der Eisbahn war, aber auch Johan stellte sich auf den Schlittschuhen gar nicht mal so ungeschickt an. Das wurde recht lustig, wie wir so nebeneinander, hintereinander und umeinander glitten und stolperten, und schließlich landeten wir erschöpft in einer Bar für den Dipper. "Und, wie sieht's jetzt aus mit der Sympathie?", fragte er mich mit einem schiefen Grinsen. "Nicht schlecht. Und jetzt?" - "Ich hab dir ja gesagt, dass ich Hintergedanken habe." - "Du hast auch gesagt, dass du nicht aufdringlich wirst." - "Fandest du das jetzt aufdringlich?" - "Nein, aber ich fürchte mich vor dem, was kommen könnte." - "Fändest du es aufdringlich, wenn ich dich fragte, ob du noch mit zu mir kommst?" - "Wenn du ein Nein akzeptierst, ist eine höfliche Frage nicht aufdringlich." - "Würdest du noch mit zu mir kommen?", fragte er unverdrossen mit einem offenen Lächeln. Er war ebenso hartnäckig wie charmant. Ich musste lachen: "Ja." Im Grunde war ich vor allem neugierig, wie er wohnte. Er war mir durchaus sympathisch.
Seine Wohnung war groß und spärlich, aber edel möbliert. Schwarz und Chrom dominierte, klare Linien, Metallkonstruktionen. Alles war blitzsauber und perfekt aufgeräumt. Die Rolläden fuhren auf Knopfdruck lautlos herunter, und ein angenehmes indirektes Licht verbreitete genau das richtige Maß an Helligkeit, um Intimität anzudeuten, ohne allzu schummrig zu sein. In einer Ecke stand ein massives Metallgestell, das vielleicht eine Garderobe war. Oder etwas anderes. Ich konnte mich der Phantasie nicht entziehen, nackt an dieses Gestell gefesselt zu sein. Eine Sklavin in dieser Wohnung...
Endlich riss ich mich los: "Bist du so ein ordentlicher Mensch, oder hast du mit Besuch gerechnet?" - "Eigentlich beides. Ich habe gehofft, dass heute eine bestimmte Person zu Besuch kommt, aber ich habe es auch für mich selber gern ordentlich. Willst du was trinken?" - "Johnny Walker", antwortete ich und ging zu seiner Stereoanlage. Bang&Olufsen natürlich, was hätte sonst zu dieser Designerwohnung gepasst? Steuerung via iPad. Eine große, gut sortierte Mediathek. "Ich hab nur Black&White hier.", bedauerte Johan. "Dann ein Glas Rotwein, bitte." Ich würde Johnny nie untreu werden. Er hatte mir mal das Leben gerettet. Als Johan mit zwei Gläsern Rotwein ankam, stießen wir an, tranken, und fanden uns sehr dicht gegenüber stehend. Wenige Zentimeter trennten unsere Lippen. "Du wolltest doch tanzen", lenkte ich ab und drehte mich zur Stereoanlage um. "Bad" suchte ich aus, von Michael Jackson. Ein Song, auf den man zumindest nicht eng tanzen kann. Eigentlich gar nicht, wenn man nicht Michael Jackson ist. Während ich ein wenig Discogeschlenker halbwegs im Takt hinkriegte, überraschte mich Johan mit einem ganz leidlichen Moonwalk. Danach, ich war schon ein wenig außer Atem, ging er an den Controller. Seine Wahl war Eric Clapton. Wonderful tonight. Ein Schmalzangriff, den man nur eng geschlossen tanzen kann. Ein Lied, in dem es eigentlich kaum verschleiert um eine D/s-Beziehung geht, in der die sub keinen anderen Lebenszweck hat, als ihren Dom glücklich zu machen. Natürlich brachte das eine Saite in mir zum Klingen. Und den Refrain sang Johan mir leise mit ins Ohr: "You are wonderful tonight." Irgendwie fast ein wenig zu kitschig für eine neorationale ex-Sklavin wie mich.
Trotzdem: Ehrlich gesagt missfiel es mir nicht, in seinen Armen zu liegen. Er duftete angenehm, er fühlte sich straff und stark an, und er hatte seine Hände unter Kontrolle. Ich konnte mich total gehen lassen, ihm ganz die Führung überlassen. Was er allerdings nicht kontrollieren konnte, war jenes Körperteil, das ich an meinem Unterbauch zunehmend hart bemerkte. Ich rächte mich darum mit Kansas: "Dust in the Wind". Darauf konnte man überhaupt nicht tanzen, sondern höchstens in Depressionen versinken, deshalb setzten wir uns und tranken unseren Wein leer. Wir schauten uns in die Augen, aber sprachen nichts. Zumindest nichts, an das ich mich noch erinnern könnte. Was er sagen wollte, war mir allerdings durchaus sehr klar. Auch ohne den nächsten Song, den er auswählte: Cat Stevens: "How can I tell you, that I love you". Verdammt, vielleicht müsste ich mich einfach drauf einlassen. Meine letzte Abwehr war Amy Winehouse: "Love is a losing game". Amys wunderbare Stimme brachte mich trotzdem wieder in Stimmung. Und als Johan dann Gianna Nannini abspielte: "Voglio il tuo profumo", da tanzten wir wieder. Und wirklich, ich mochte auch seinen Geruch und wollte mehr davon. Gianna hatte es erfasst. Diesmal wich ich nicht aus, als seine Lippen sich den Meinen näherten.
Während unsere Zungen miteinander spielten, zog er geschickt und fast unmerklich an meinem Rücken den Reißverschluss des Kleids hinunter und öffnete mit einer Hand den BH. Dann streifte er, als ich die Arme hängen ließ, mit einer leichten Bewegung Kleid und BH gleichzeitig von meinen Schultern und zog mich wieder sanft an sich. Meine nackten, längst harten Brustwarzen streiften sein Hemd, und ich begann, es ihm aufzuknöpfen. Endlich fanden seine Hände meine Brüste. Ein Keuchen entfuhr mir, als er sie sanft knetete, und mit den Daumen ganz zart über die Nippel strich. Er schien zu merken, wie meine Knie weich wurden, denn er hob mich hoch und trug mich ins Schlafzimmer, wo er mich sanft auf sein großes, mitten im Zimmer stehendes Bett niederließ. Dann zog er sein Hemd und seine Hose und Unterhose ganz aus, vergaß auch die Socken nicht (Niemals würde ich Sex mit einem Mann haben, der dabei die Socken anbehält), und streifte mir schließlich recht vorsichtig und sanft die Strümpfe und den Slip ab.
Mit den Fingern und der Zunge tat er das Richtige, aber eigentlich stand mir der Sinn gar nicht so nach langem Vorspiel. Bereit war ich schon längst. "Hast du ein Gummi?", fragte ich mit mühsam kontrollierter Stimme, und er holte eines aus der Nachttischschublade. Ich nahm es ihm ab, öffnete die Packung, setzte es auf seinen Penis und rollte es mit Zunge und Lippen langsam ab. Bis ganz nach hinten, seine Penisspitze tief in meinem Hals. Er keuchte leise, zog mich sanft hoch, küsste mich und legte mich auf den Rücken.
Als er mich an den Handgelenken umfasste und sich auf mich legte, rastete ich aus.
Im Nachhinein kann ich erklären, was passiert war: Ich hatte mich von einem Mann in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt gefühlt und war dadurch in Panik geraten. Daher reagierte ich automatisch und ohne nachzudenken. Ich schrie auf, trat ihn mit dem Knie zwischen die Beine, stieß ihn heftig von mir und sprang aus dem Bett.
Erst als ich schwer atmend an der Wand des Zimmers stand und auf Johan nieder blickte, der sich schmerzverzerrt die Hoden hielt und mit der anderen Hand das Kondom abnahm, kam ich wieder zu mir. "Bitte, entschuldige." Ich setze mich neben ihn, unschlüssig, was ich tun sollte. "Wenn du es nicht willst, kannst du es mir auch einfach sagen. Ich hätte sofort aufgehört.", brummte er etwas unwirsch. "Oder sollte das ein sadistisches Spiel sein? Dann hättest du es ankündigen müssen, dann hätte es mir vielleicht sogar gefallen." - "Es war ein Reflex. Ich hielt es irgendwie nicht aus, unter dir zu liegen. Leg dich auf den Rücken bitte, ja?" Er gehorchte, schaute mich aber weiter misstrauisch an. Ich begann, ihn zu streicheln, aber die Stimmung blieb angespannt. "Fessle mich, dann brauchst du dich nicht vor mir zu fürchten.", schlug er schließlich vor und wies auf den Schrank "In der unteren Schublade". Dort waren Riemen und Bänder. Ich fand den Gedanken interessant und fixierte Johan an Hand- und Fußgelenken an seinem Bett. Dann küsste ich ihn leidenschaftlich. Tatsächlich, die Situation war überaus erregend. Als ich aufhörte, stöhnte er enttäuscht. Sein Penis war zu voller Größe angewachsen. Ich wichste ihn langsam ein wenig und sah mich um.
Auf dem Sideboard erblickte ich in einer Schale eine angefangene Packung Fisherman's friends. Ich nahm eines, und begann es mit einem Lächeln zu lutschen, legte es auf die Zunge und ließ es Johan sehen, dann leckte ich meine Lippen und blickte wieder auf seinen Penis. "Du hast aber nicht das vor, was ich befürchte?", keuchte er. "Bist du still, oder muss ich dich knebeln?", schnurrte ich zurück. Dann schob ich das Bonbon in die Wange, zog die Vorhaut zurück und nahm die Eichel in den Mund. Johan sog scharf die Luft ein und begann, gepresst und schnell zu atmen. Diese Minzbonbons sind wirklich ziemlich stark. Einerseits brennen sie, aber andererseits fördern sie auch die Durchblutung und damit die Intensität. Ich machte weiter, bis sein Penis leicht zu zucken begann und erste Lusttropfen austraten. Dann hörte ich abrupt auf, was ihm ein enttäuschtes Stöhnen entlockte. Ich kniete neben ihn, mit gespreizten Beinen, und begann mich selber langsam mit den Fingern zu stimulieren, die eine Hand an meiner Klitoris, die andere an meinen Brüsten, den Kopf zurückgelegt. Johans Fesseln hielten, obwohl er mit aller Kraft daran zerrte, während er mir zusah.
Schließlich, kurz vor dem Höhepunkt, erbarmte ich mich seiner, befeuchtete seinen Penis noch einmal mit dem Rest des Bonbons auf meiner Zunge, streifte dann ein neues Kondom darüber, während er wieder scharf die Luft einsog, befeuchtete das Kondom nun auch außen mit meinem Speichel und setzte mich auf ihn. Nun fühlte ich es auch, das prickelnde Brennen der Fisherman's, und ich brachte uns im Galopp zum Gipfel. Danach entfernte ich den Gummi und leckte seinen Penis zart sauber. Ich überlegte kurz, ob ich Johan den Rest der Nacht gefesselt lassen sollte, um ihn bei Bedarf nochmal zu benutzen, entschied mich aber dagegen. Ich wollte lieber noch ein wenig in seinen Armen kuscheln. Also löste ich seine Fesseln, küsste ihn und legte mich zu ihm.
Es reichte etwas später noch für eine zweite Runde, diesmal ohne Fesselung, aber erneut vorsichtshalber mit mir oben, und am Morgen schien er mir den Tritt verziehen zu haben, denn er brachte mir das Frühstück ans Bett. Stilecht mit frischen Croissants und einer dunkelroten Tulpe auf dem Tablett. Offensichtlich war er Frühaufsteher. Und hatte, in seiner umsichtigen Art, selbstverständlich mit eingerechnet, dass ich um 8 Uhr bei Aileen sein musste, um Anouk und Stijn zu holen. Wenn Sie einen richtig zuverlässigen Mann wollen, lachen Sie sich einen Anwalt an. Ich lächelte ihm dankbar zu, aber ich war in diesem Moment mit meinen Gedanken bereits bei Marielle.
Ich erklärte mich bereit, Stijn bis zum Abend zu hüten, damit Aileen noch in Ruhe shoppen gehen konnte. Am Nachmittag kam Marielle zu mir und wir fuhren mit den Kindern nach Texel und machten einen langen Barfuß-Dünenspaziergang. Ich erzählte ihr von der letzten Nacht, und sie musste laut auflachen, als ich ihr erzählte, wie ich Johan abgeworfen hatte. Wir setzten uns ins Gestrüpp und blickten aufs Meer und die spielenden Kinder. "Was fühlst du?", wollte ich von ihr wissen. "Wegen dir und Johan?" - "Ja." - "Es geht mich nichts an, mit wem du schläfst. Aber es macht mir auch nichts aus, wirklich. Es nimmt mir nichts weg. Ich darf ja auch mit Jeroen schlafen." - "Ich bin nicht sicher, ob dies das Leben ist, das ich mir vorstelle." - "Du wirst es herausfinden, Herrin. Und dann wird es so gemacht, wie du es richtig findest." Ich knuffte ihr in die Seite und sprang auf. "He, Anouk, Stijn und Marielle, Wettrennen. Wer zuerst nasse Füße hat, hat gewonnen!" So rannten wir zu viert zum Meer, und natürlich gewann Stijn mit knappem Vorsprung vor Anouk, worüber die beiden sich mächtig freuten. Marielle und ich waren weit abgeschlagen, weil wir aus irgendeinem Grund übereinander gefallen waren und lange brauchten, um unsere Arme, Beine und Münder wieder auseinanderzubringen. Danach spielten wir noch ein wenig Fangen und Fußball am Strand, bevor wir gegen Abend wieder nach Hause fuhren und Stijn bei Aileen ablieferten. Die Nacht verbrachte Marielle bei mir, und danach war ich sicherer denn je, dass sie es war, die ich wollte. Ich würde Johan reinen Wein einschenken.
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Auf böse Menschen ist Verlaß. Sie ändern sich wenigstens nicht.
--William Faulkner
Gerade kam ich nach Hause; ich hatte Anouk zu Aileen gebracht. Johan wollte mich um 19 Uhr zum Essen abholen. Ich hatte in den letzten Tagen viel über uns nachgedacht. Ich mochte ihn, und der Sex mit ihm hatte mir Spaß gemacht. Aber ich war nicht verliebt in ihn. Ich würde es ihm heute sagen müssen. Ich war es ihm schuldig, ehrlich zu sein. So war ich in Gedanken versunken, als es kurz vor 19 Uhr an der Tür klingelte. Ich öffnete, ohne mir viel dabei zu denken, sagte "Hallo", und...
...erstarrte.
Vor mir stand nicht Johan. Da stand, ein höhnisches Grinsen im Gesicht, ein Gespenst aus der Vergangenheit. Mein Alptraum. Mein Denken, meine Atmung, und wohl auch mein Herzschlag setzten aus.
Bevor ich irgendwie reagieren konnte, stieß Bernd mich grob zurück, trat ein und schloss die Tür wieder. "Submission!", zischte er mich an und versetzte mir gleichzeitig eine Ohrfeige. Ich war so perplex, dass meine längst vergessen geglaubte Chalkiev-Dressur die Kontrolle übernahm, und ich tatsächlich in Submission-Stellung ging, bevor ich irgendeines klaren Gedankens fähig war.
"Pass genau auf, treulose Schlampe", knurrte er böse, "ich sage dir das nur einmal. Du wirst mitkommen, ohne Schwierigkeiten zu machen, sonst bringen wir dein Balg um. Hast du verstanden?"
Als ich vor Schreck keinen Ton herausbrachte, versetzte er mir einen Tritt in die Seite und fragte: "Hast du mich verstanden?" - "Ja", schluchzte ich. "Wie bitte?", knurrte er und gab mir noch einen Tritt. "Ja, Herr, ich habe es verstanden." - "Na also. Steh auf." Als ich das tat, drehte er mich um, riss mir grob die Hände auf den Rücken und fesselte sie mit Handschellen aneinander. "Bitte, wie hast du mich gefunden, Herr?", fragte ich mit zitternder Stimme. "Du warst eben zu leichtsinnig. In Amsterdam leben zwar viele Menschen, aber nicht allzu viele Kinder zwischen drei und vier Jahren. Und nachdem du in Foren herumerzählt hast, dass du in Amsterdam lebst, musste mein Detektivbüro bloß noch die Kinderhorte überwachen, bis du an einem gesehen wurdest. Sie brauchten dir nur noch hierher zu folgen und mir Bescheid zu sagen. Hat mich eine Menge Geld gekostet, das Detektivbüro, und du wirst jeden Cent davon abarbeiten müssen. In Chalkiev. Cora wird sich auch freuen, wenn du ihr wieder Gesellschaft leistest. Komm jetzt!" Damit warf er mir meine Jacke über, schloss vorne den obersten Knopf, öffnete die Wohnungstür, und befahl mir, vor ihm die Treppe hinunterzugehen. Eine bodenlose Verzweiflung erfasste mich. Hatte er Anouk entführt? Mir wurde schwarz vor Augen, und ich wäre wohl umgesunken, wenn er mich nicht grob an den Haaren gerissen hätte: "Schlaf nicht ein, Schlampe!" Er packte mich hinten an den Haaren und mit der anderen Hand an den Handschellen und zwang mich die Treppe hinunter.
Als wir einen Treppenabsatz hinuntergegangen waren, kam uns Johan entgegen. Er sah sofort mein verheultes Gesicht und meine Verzweiflung und fragte erschrocken: "Was ist los?" - "Opzij!", herrschte ihn Bernd mit starkem deutschem Akzent an. Im Nu hatte er ein Messer gezückt, das er mir an die Kehle hielt. Johan drückte sich an die Wand, und Bernd dirigierte mich an ihm vorbei, wobei er uns so drehte, dass ich immer zwischen Johan und ihm war, bis wir vorbei waren und er rücklings am Treppenabsatz stand. "Geh hoch und bleib weg!", befahl er Johan. Dieser schien zunächst zu gehorchen und ging eine Stufe nach oben. Er blickte mir beschwörend in die Augen. Er hatte etwas vor. Aber was? Ich wusste, dass er Thai-Boxen und Jiu-Jitsu machte. Aber gab es hier eine Chance, ohne dass Bernd sein Messer einsetzen konnte?
Ein Klacken. Johan war das Handy aus der Hand auf den Boden gefallen. Ich fühlte, wie Bernd kurz dorthin schaute, als Johan sich niederkauerte, um es aufzuheben. In diesem Moment schnellte dieser wie eine Sprungfeder wieder hoch und drehte sich halb in der Luft. Sein Fuß flog an meinem Gesicht vorbei. Ich hörte ein knirschendes Krachen und fühlte eine scharfen Schmerz an meinem Hals. Dann war ich so abrupt frei, dass ich das Gleichgewicht verlor und stürzte. Mit meinen auf dem Rücken zusammengebundenen Händen konnte ich nicht verhindern, dass ich mir Knie und Kopf hart anschlug und einen Moment lang benommen war.
Als ich wieder klar denken konnte, hörte ich Bernd jämmerlich schreien. Er lag unten auf dem nächsten Treppenabsatz in einer Blutlache. Seine Nase war seltsam krumm und blutig, und er hielt die Hände auf den Bauch gepresst. Zwischen den Fingern quoll Blut hervor. Johan war offenbar auch die Treppe hinuntergestürzt, er lag ein Stück daneben und rappelte sich eben wieder auf. Nach einem kurzen Blick auf Bernd kam er zu mir hoch gerannt. "Bist du in Ordnung?" Er griff sanft an meinen Hals, wo ich einen leichten Schmerz spürte. Seine Hand wurde blutig. "Nur ein Kratzer", stöhnte er erleichtert. Dann half er mir auf die Beine und merkte, dass ich gefesselt war. "Der Kerl muss den Schlüssel haben. Moment, ich hole ihn." Er ging wieder die Treppe hinunter zu Bernd, der immer noch lauthals schrie und sich den Bauch hielt. "Der ist in sein eigenes Messer gefallen.".
Inzwischen waren Türen im Haus aufgegangen, und einige Nachbarn steckten die Köpfe heraus. "Rufen Sie bitte einen Krankenwagen und die Polizei.", bat Johan. Dann zog er seine Jacke aus, rollte sie zusammen und machte mit der Jacke und seinem Gürtel einen improvisierten Druckverband um Bernds Bauch. Mit einem Griff in die Hosentasche holte er Bernds Schlüsselbund, an dem auch der Schlüssel für die Handschellen war. Endlich bekam ich die Hände wieder frei.
"Er hat gesagt er tut Anouk etwas an", stammelte ich. Johan hob sein Mobiltelefon auf, reichte es mir und sagte: "Ruf Aileen an, ob etwas ist." Dann ging er wieder zu Bernd, der immer noch stoßweise schrie. Ich musste mehrmals anfangen Aileens Nummer zu tippen, weil ich vor Nervosität die Tasten nicht traf. Schließlich war sie dran. "Aileen?" - "Ja, was ist los?" - "Ist alles in Ordnung bei Euch?", fragte ich atemlos, mühsam meine klappernden Zähne kontrollierend. "Natürlich, die beiden spielen friedlich mit Stijns Autos. Wieso fragst du?" - "Der Scheißvater von Anouk wollte mich entführen und hat gedroht, auch Anouk zu entführen. Aileen, ich komme sofort, bitte, lass niemanden rein, bis ich komme, ja? Versprich mir das!" - "Ja, ist gut. Aber was ist denn bei dir passiert? Was ist das für ein Geschrei?" - "Ich erkläre es dir nachher. Bitte mach die Tür nicht auf, bis ich da bin." - "Ja, sicher.", sagte Aileen, nun ebenfalls beunruhigt.
Bernd war inzwischen still geworden. Unten hörten wir das Martinshorn der eintreffenden Ambulanz. "Ich muss zu Anouk." - "Ich fahre dich hin." Als wir unten zur Tür hinaus gingen, rannten die Sanitäter bereits herbei. "Was ist mit Bernd?" - "Ich glaube, er ist tot. Wahrscheinlich innere Blutung. Sein Messer steckte bis zum Heft in seinem Bauch." Johan war ganz ruhig. "Wer war der Kerl eigentlich?" - "Wahrscheinlich Anouks Vater. Der Typ, der mich damals so lange gefangen gehalten hielt, du weißt schon. Er wollte mich wieder zurückhaben." Ich fühlte nichts. Keine Freude, keine Trauer. Ich machte mir nur Sorgen, ob er Spießgesellen hatte, die nun Anouk entführen würden. Wir waren bei Johans Auto eingetroffen und stiegen ein. "Beeil' dich bitte." Als wir losfuhren, kam aus der anderen Richtung die Polizei mit Blaulicht entgegen.
"Sieht so aus als brauche ich einen guten Anwalt", sagte Johan mit leichtem Zittern in der Stimme, aktivierte die Freisprechanlage und sagte "Domenica privat", während er in Richtung Aileen fuhr. "Jaspers.", klang es aus dem Lautsprecher. "Hier Johan. Domenica, ich brauche dich als Anwältin. Die Anklage wird wahrscheinlich auf Totschlag lauten. Außerdem bin ich vom Tatort weggegangen, bevor die Polizei eintraf." Domenica stellte einige verwirrte Fragen, aber Johan unterbrach sie: "Ich werde dir alles erklären. Nachher gehe ich wieder zum Tatort zurück und stelle mich. Ich muss erst Salomé zu ihrer Tochter bringen. Ja, es hat mit ihr zu tun. Es war der Kerl, der sie damals vergewaltigt hat, du weißt schon." Domenica sog hörbar die Luft ein. "Gut, ruf mich an, wenn du auf dem Revier bist, ich komme dann sofort. Sag nichts, bevor wir es abgesprochen haben." - "Klar. Danke" - "Ist Salomé okay?" - "Ja, danke.", sagte ich, "Ich möchte nur möglichst schnell zu Anouk." Dann unterbrach Johan die Verbindung.
"Wieso Totschlag?", fragte ich entgeistert, "Du hast mich gerettet! Sag mir, was ich der Polizei sagen soll, damit es dir nützt." - "Wir bleiben möglichst nah bei der Wahrheit. Ich habe gesehen, wie er dich entführte und dir das Messer an den Hals setzte, und sah dich in Gefahr. Wenn du mir helfen willst, sagst du, du seist meine Freundin. Dann wird mein Verhalten verständlicher. Über die Vergangenheit mit Bernd erzählst du nur, was unbedingt nötig ist. Ein früherer Freund, der dich misshandelt hat, und dich nun wieder in seine Gewalt bringen wollte. Schau, wir sind da. Hör zu: Schnapp dir Anouk und geh weg. Zum Beispiel zu deinem Vater. Nur falls der Kerl wirklich Komplizen hat." Er hielt im Parkverbot direkt vor der Tür. "Hier, für das Taxi.", sagte er noch, und kramte einen hundert-Euro-Schein hervor. Weil ich außer den Kleidern am Leib überhaupt nichts bei mir hatte, nahm ich es. "Mach's gut, ich muss wieder zurück." Wir küssten uns, und ich stieg aus und ging hinein.
Als Aileen mich sah, schlug sie entsetzt die Hände vor den Mund. Da fiel mir erst wieder ein, dass ich eine blutige Wunde am Hals hatte. "Oh ist nur ein Kratzer. Warte, ich wasche es mir ab. Ruf mir bitte ein Taxi, ja?" Anouk rannte mir entgegen und schaute mich auch erschrocken an. "Ich habe mir nur ein wenig weh getan, ist nichts Schlimmes. Räumst du bitte deine Sachen ein, wir fahren zu Opa." Mit Aileens Telefon rief ich bei Paps an, und zum Glück war er zuhause. Ich hatte zwar einen Zweitschlüssel, aber auch diesen hatte ich nicht dabei und um keinen Preis wäre ich jetzt noch einmal in meine Wohnung gefahren. Ich berichtete Aileen also kurz, was passiert war. Dann war das Taxi da und wir fuhren zu Paps. Unterwegs erklärte ich Anouk noch einmal, dass das an meinem Hals nur ein Kratzer war, und dass jetzt alles wieder gut sei. Sie beruhigte sich auch schnell und bei Paps eilte sie sofort in mein altes Zimmer, das er inzwischen mit Spielsachen vollgestopft hatte, für die Tage, an denen sie ihn besuchte.
"Weißt du noch, Paps, der Mann nach dem du nicht fragen durftest?" - "Ja, klar." - "Du hattest dir Sorgen gemacht, ich hätte ihn vielleicht umgebracht." - "Ja, weil du so geheimnisvoll tatest." - "Nun, heute wollte er mich umbringen. Aber ein Freund hat mich gerettet, und nun ist er wirklich tot. Darf ich mit Anouk ein paar Tage bei dir bleiben?" - "Das ist doch klar!" Ich machte reinen Tisch und erzählte Paps eine entschärfte Version von Chalkiev.
"Und jetzt ist es vorbei?", wollte er wissen. "Es gibt noch Andere. Aber ich glaube nicht, dass sonst noch jemand mich so intensiv sucht, wie Bernd es getan hat." Ich wollte einfach, dass es endlich vorbei war mit Chalkiev. Paps schien mit dieser Antwort zufrieden. Er umarmte mich, und wir tranken zusammen einen Tee. Danach ließ ich Anouk bei ihm und meldete mich bei der Polizei.
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Natürlich achte ich das Recht. Aber auch mit dem Recht darf man nicht so pingelig sein
--Konrad Adenauer
Johan war sofort verhaftet worden, als er zu dem Haus zurück kam. Aber er musste nur eine Nacht hinter Gittern verbringen, dann hatte ihn Domenica bis zum Prozess frei bekommen. Ich wurde als Zeugin einvernommen. Die Wunde an meinem Hals und die Blutergüsse an meinen Wangen und meinen Armen, sowie die Abschürfungen an meinen Handgelenken von den Handschellen wurden von einer Ärztin peinlich genau dokumentiert, ebenso wie die alten, vernarbten Peitschenstriemen über meiner Brust, meinem Bauch und dem Rücken. Bezüglich meines Verhältnisses mit Bernd blieb ich vage. Ich sagte nur aus, dass er mich vor Jahren über längere Zeit schwer misshandelt hatte. Diese Aussage wurde durch die Narben gestützt und in einem psychologischen Gutachten als glaubhaft bezeichnet. Aussagen zu den näheren Umständen verweigerte ich konsequent mit der Begründung, dass es mich und Anouk in Gefahr bringen würde, wenn ich andere Beteiligte erwähnte.
Marielle versuchte in diesen Tagen mehrmals, mich zu erreichen, aber ich schrieb ihr eine SMS, dass ich im Moment Ruhe brauche. Ich wollte ihr jetzt nicht begegnen. Zu sehr war ich aus meinem Gleichgewicht, und zu verwirrt war ich über meine Beziehung zu Johan. Er war in mich verliebt, es war nicht schwierig, das zu merken. Und ich? Ich war unendlich dankbar. Ich konnte ihm nicht weh tun. Nach etwa zwei Wochen schickte mir Marielle eine E-Mail mit einer mp3: Natalie Cole: "Miss you like crazy". Verdammt. Ich dich doch auch, schniefte ich leise für mich und mailte nur zurück: "Gib mir Zeit, bitte."
In dieser Zeit wohnte ich mit Anouk immer noch bei Paps, auch als er längst wieder auf Reisen war. Ich hatte noch nicht den Nerv, in meine Wohnungs zurückzukehren, die ich jetzt als vergiftet betrachtete. Wenn Bernd mich gefunden hatte, wer weiss, ob sonst noch jemand aus Chalkiev sich dafür interessierte. Aber niemand bedrohte uns, und auch Aileen hatte keine unangenehmen Begegnungen. Trotzdem. Ich beschloss, die Wohnung zu kündigen und eine neue zu suchen. In einer anderen Gegend.
Bei Johans Prozess muss ich erneut als Zeugin aussagen. Die Verhandlung lief gut. Sogar der Staatsanwalt plädierte nicht mehr auf Totschlag, sondern nur auf Notwehrexzess. Die Richterin folgte allerdings auf der ganzen Linie Domenicas Argumentation, die aufzeigte, dass Johan das einzig Richtige getan hatte, um mich vor Bernd zu retten. Kritisch wurde nur die Tatsache, dass Johan und ich geflohen seien, bevor die Polizei eintraf, und dass wir den sterbenden Bernd im Stich gelassen hätten, wie der Staatsanwalt behauptete. Wir konnten mit Hilfe von Domenica und den Zeugen im Haus aber nachweisen, dass Johan soviel erste Hilfe geleistet hatte, wie ihm als Laien möglich war, und dass wir erst gegangen waren, als die Sanitäter eintrafen. Die Richterin glaubte mir auch, dass ich ernsthaft Angst um Anouk haben musste, und deshalb nicht warten konnte. Sie sprach Johan also auch in diesem Punkt frei. Danach lud dieser mich und Domenica zu einem Festessen ein. Wie selbstverständlich ging ich dann mit ihm nach Hause. Anouk war ja noch bei Paps; ich hatte sie nicht zum Gericht mitgenommen. Aber dann sträubte sich etwas in mir dagegen, die Feier im Bett zu beschließen. Es kam mir falsch vor. Johan bemerkte mein Zögern sofort. Wir setzten uns zu einem Kaffee in die Küche.
"Johan, ich bin dir unglaublich dankbar. Du kannst von mir verlangen, was du willst. Wenn du es wirklich willst, werde ich auch bei dir bleiben." - "Aber?", fragte er mit einem traurigen Lächeln. Ich gab mir einen Ruck: "Aber ich würde es aus Dankbarkeit tun. Ich fühle nicht Verliebtheit. Es liegt sicher nicht an dir, du bist der großartigste Mann, den ich je kennengelernt habe." Ich wusste genau, wie hohl so etwas klingt, wenn man es zu jemandem sagt, dem man gerade den Schuh gibt. Trotzdem musste ich es sagen. "Ich kann vielleicht einfach nicht mehr mit Männern. Ich sehne mich nach Marielle, und ich kann die Liebe zu ihr nicht teilen." Und das war die reine Wahrheit, wie mir in diesem Moment auch völlig klar wurde. Hoffentlich war es noch nicht zu spät, um Marielle zu halten. Wochenlang lang hatte ich mich nicht bei ihr gemeldet. Johan nickte nur. "Irgendwie habe ich das schon gewusst. Natürlich will ich keinen Druck ausüben. Aber du wirst verstehen, dass ich nicht glücklich bin." - "Ja." Es gab soviel zu sagen, und ich brachte nichts davon heraus. Ich wollte ihn so gern als Freund behalten. Ich stand so tief in seiner Schuld. "Bitte, lass uns den Kontakt nicht verlieren", war alles, was ich sagen konnte. "Ja.", antwortete er. Mit einem sanften Kuss verabschiedete ich mich und ging zu meiner Wohnung. Unterwegs SMSte ich an Marielle: "Komm zu mir."
"Ja, Meesteres!" kam nach weniger als einer Minute zurück, obwohl es fast Mitternacht war. Mein Herz hüpfte. Als sie nur ganz kurz nach mir in meiner Wohnung eintraf, erdrückte ich sie fast mit meiner Umarmung und erstickte sie beinah mit Küssen. Ich war wahnsinnig erleichtert, dass sie meine stürmischen Zärtlichkeiten ebenso heftig erwiderte. Als wir einander nach einem beidseitigen, alles überrollenden Orgasmus erschöpft in den Armen lagen, blickten wir uns glücklich in die Augen.
Wir sprachen über die Zukunft. Unsere Zukunft. Wir würden zusammen eine Wohnung suchen. Vielleicht zu dritt, vielleicht auch zu viert mit Jeroen zusammen, das musste noch diskutiert werden. Aber egal: Alles konnte wieder gut werden. Besser denn je. Selig schliefen wir zusammen ein.
Gegen Morgen fiel mir ein, was Bernd über Cora gesagt hatte.
***** Ende *****
Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.
--Mahatma Ghandi
Bernd Hochleitner hinterließ ein beträchtliches Vermögen. Unsere in Chalkiev geschlossene "Hochzeit" war hier nicht rechtsgültig, deswegen hatte ich keine Ansprüche darauf. Da er auch sonst keine Angehörigen mehr hatte, wäre seine Tochter die Alleinerbin gewesen. Wegen der unklaren Vaterschaft, er hatte Anouk ja nie anerkannt, wurde ein genetischer Test durchgeführt. Dieser ergab, dass Anouk nicht seine Tochter war. Trotz des dadurch entgangenen Erbes war ich irgendwie froh, dass ich mein Kind künftig ansehen konnte, ohne etwas von Bernd erkennen zu meinen.
Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit. --Erasmus von Rotterdam
Autorin: Salomé M.
Dieser Text ist © 2012 by Salomé M. und publiziert unter der Creative Commons License 3.0 CC BY-NC-SA (Details dazu finden Sie in creativecommons.org)
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