Problematisches Wording
Welche Begriffe gehen für euch nicht, weil diese historisch vorbelastet sind und gibt es da Unterschiede in Bezug auf eine persönliche oder eine absolute Abneigung? Bedeutet, gibt es Begriffe die ihr bei anderen akzeptieren könnt, wenn diese sie nutzen, ihr würdet diese aber nicht über die Lippen bringen. Wie begründet ihr diese Grenzziehungen und haben sich diese Grenzen bei euch vielleicht mit der Zeit verschoben?
Gentledom
Natürlich bin ich gegen die Sklaverei und diese war ein Unrecht in der Menschheitsgeschichte, welches nicht entschuldigt werden kann. Spätestens nach dem Abschluss des Zeitalters der Aufklärung hat dieses Konzept keinen Platz mehr in einer Gesellschaft und ist für solche zivilisierten Gesellschaften ein Schandfleck. Dennoch habe ich kein Problem damit das Wort Sklave zu nutzen, es ist in der Gesellschaft in der ich lebe geächtet genug und so weit von meinem Leben entfernt, dass ich, wenn ich Sklave oder Sklavin in einem BDSM Kontext lese, eben nur an BDSM und nicht an jenes Unrecht denke. Der Abstand zur echten Sklaverei ist deutlich und groß für mich, dennoch kann ich jeden verstehen, der dieses Wort nicht mag und die Nutzung kritisiert, immerhin gibt es auch heute noch Sklaven, wenn dieses Problem auch nicht so sehr im Blickfeld von den meisten westlichen Bürgern sein mag.
Bei zwei anderen Begriffen, welche mir in den letzten Wochen über den Weg gelaufen sind, sieht es hingegen anders aus. Beim Untermensch war es für mich eindeutig, dieses Vokabular ist so sehr nationalsozialistisch geprägt, dass es ein NoGo für mich ist. Ich bin nicht die Generation welche die Genozide der Nazis zu verantworten hat, aber ich lebe in einer Gesellschaft die in meinen Augen dafür noch eine gewisse Verantwortung trägt. Bei aller Liebe für die persönlichen Kinks, ging mir das zu weit.
Ein zweiter Begriff der aktuell auch hier in der Community immer mal wieder aufpoppt ist Bimbo. Die Mehrheit der Menschen, vor allem im englischsprachigen Raum, nutzt Bimbo inzwischen als Begriff für eine attraktive aber sehr dumme Person (womit sie als perfekt geeignet für schnellen Sex gilt). Im Kontext BDSM scheint zudem noch willig/nuttig, folgsam und möglichst tabulos hinzuzukommen. Das Problem ist, für mich ist der Begriff ebenfalls sehr rassistisch geprägt. Bimbo stand lange Zeit für schwarze Männer, die damit als dumm und für niedere Arbeiten geeignet bezeichnet wurden. Auch heute noch wird der Begriff in diesem Kontext genutzt, sei es von rechten Gruppen oder als unbewusste Alltagsdiskriminierung (Ich bin doch nicht dein Bimbo). Solange ein Begriff gesellschaftlich in einem rassistischen Kontext in nicht ganz unerheblicher Art und Weise genutzt wird, ist er für mich tabu. An der Stelle hadere ich durchaus mit mir, ob ich einen solchen Begriff auf der Seite akzeptieren kann oder eben nicht.
HWDOM52
Hallo Gentledom,
Deinen Überlegungen kann ich nur zustimmen. Sprache schafft Wirklichkeit und man sollte sich der Implikationen der Begriffe, die man wählt bewusst sein. In einer BDSM-Beziehung muss auch das abgestimmt werden. Aber allgemein gehen die beiden von Dir genannten Beispiele überhaupt nicht. Also würde ich sie hier auch nicht zulassen.
Viele Grüße
Submary
Ich stimme euch beiden absolut zu. Und möchte aber noch zusätzlich folgendes anmerken: Ich persönlich lehne den Begriff Sklave z.B. für mich ab, wei ich das nicht verkörpere und auslebe. Dennoch hat dieser Begriff für mich im BDSM seine Berechtigung. Ich finde es trotzdem ein absolutes NoGo, wenn z.B. ein dominanter Herr in einem Kennenlern-Gespräch sein weibliches Gegenüber gleich als "Sklavin" bzeichnet. Hier sehe ich die Grenze der Wahrung der Persönlichkeit meines Gegenübers (egal ob w/m/d) deutlich überschritten. Wenn ich in einer Beziehung lebe und innerhalb meiner Beziehung ist eine Begriffswahl, sei es Sklave, Schlampe, Hure, etc., gewünscht oder gehört dazu, so sehe ich das als repektabel an.
Ich sehe Begrifflichkeiten, die vom normalen Sprachgebrauch abweichen, genauso zu behandeln, wie so manche Praktik, die innerhalb der Beziehung ausgelebt ihre Berechtigung hat, jedoch zum Schutze von anderen Mitmenschen bzw. aus Respekt vor diesen nicht in die Öffentlichkeit gebracht werden müssen.
Somit soll jeder zu Hause tun oder sagen, was in der Partnerschaft erwünscht ist, es hat aber in diesen Fällen auch auf der Plattform nichts zu suchen.
—lara—
Ich finde der wichtigste Unterschied ist, ob es privat oder öffentlich geschieht.
Mainzerin35
Ich lehne den Begriff Sklave/Sklavin ab, weil es in Afrika wirklich noch Regionen gibt, in denen Menschen durch Sklavenarbeit in Minen ausgebeutet werden. Sowas möchte ich in keiner Weise unterstützen.
Dark Fleur
Ich persönlich sehe den Begriff Sklave/Sklavin auch nur in Bezug auf BDSM wie Ihr gentledom und lehne die echte Sklaverei ab.
Der Begriff Sklavin in Bezug auf BDSM beschreibt für mich persönlich den Wunsch der Unterwerfung, der Hingabe, des unendlichen Vertrauens, des Wunsches meinem Herrn gegenüber zu dienen, des Gehorsams gegenüber meinem Herr, wenn er mein Herz für sich erobert hat und in mir den Wunsch vor ihm zu knien geweckt hat.
Nur dann macht es mich persönlich stolz die Sklavin meines Herrn zu sein, vorher nicht.
Die Begriffe Hure, Nutte, Schlampe empfinde ich persönlich im Rahmen des BDSM als abwertend und ich persönlich fühle mich damit nicht wohl und lehne diese Begriffe ab.
Aber das ist meine persönliche Ansicht und ich verstehe, dass andere das durchaus in einer D/S Beziehung anders sehen und diese Begriffe auch nicht als abwertend empfinden.
Die Begriffe Untermensch und Bimbo empfinde ich persönlich als sehr abwertend.
Ich kann nicht verstehen, dass jemand diese Begriffe benutzt.
Ich persönlich finde diese Begriffe sehr respektlos und finde sie zudem auch sehr unangemessen.
Ich wäre dafür diese beiden Begriffe auf dieser Plattform nicht zuzulassen.
Safrina
Generell und von mir selbst abgesehen habe ich große Probleme mit allen Praktiken, die die Persönlichkeit eines Menschen nachhaltig zerstören (sollen).
Dazu gehört für mich dauerhafte Degradierung, Entwertung, Entmenschlichung, Abrichtung und Konditionierung, dauerhafte Manipulation, Hörigmachen, schwere psychische Erpressung, Gaslighting etc.
Das kann man nicht wirklich in einen Begriff fassen, aber die Gefahr, dass eine Beziehung in eine solche Richtung geht, besteht wohl am ehesten bei Praktiken wie CIS (complete irrevocable submission = komplette nicht zurücknehmbare Unterwerfung).
Besonders ekelhaft finde ich da aber doch D.E.B.R.I.S., weil in deren Idee schon vorgesehen ist, nicht jemanden auszusuchen, der/die eh schon eine Neigung zur Submission hat, sondern sich jemanden Ahnungslosen zum Ziel zu nehmen, die oder der von der Psyche und Veranlagung her leicht manipulierbar ist, aber vollkommen ahnungslos. Solch eine Person soll dann in eine absolute psychische und tatsächliche Abhängigkeit, Abrichtung und Persönlichkeitszerstörung geführt werden.
Besonders perfide und zynisch finde ich dabei die "Attitüde" dass die Anhänger behaupten, diese Person könne jederzeit das dominante Pendant verlassen und die Grenze von D.E.B.R.I.S. seien juristisch unerlaubte Handlungen.
Als wenn jemand, dessen Eigenständigkeit und psychische Verfassung so systematisch untergraben wurde, noch wirklich fähig sein könnte, die Person, der sie hörig ist, einfach zu verlassen.
Uff, ich glaub, da hab ich mich etwas sehr echauffiert... *schnauft durch*
Für mich persönlich finde ich Herabwürdigung, Abfälligkeit, die Reduktion auf Funktionen unannehmbar. Sowas wie "Dreilochstute", "Hure", "Nutte", "Fickloch", "Fickmaul", "Fickfleisch", "Fickstück", da ist bei mir sofort der Ofen und sonstiges aus.
Was Gentledom schon erwähnte, Bimbo, Untermensch, das geht für mich in dieselbe Richtung. Reduktion eines menschlichen Wesens auf eine Funktion.
Übrigens, Debris als englisches Wort bedeutet Abfall, Überbleibsel, Rest, Müll, Wertloses...
Innocenza
Naja, man kann sich sicherlich über so einiges aufregen...
Ich für meinen Teil finde es nicht schlimm oder herabwürdigend, wenn bestimmte Wörter im Eifer des Gefechts benutzt werden.
Es kommt ja auch immer noch auf den Kontext an und den Ton.
Auch kann man vieles " verniedlichen", z.B. wenn man nicht nur sagt " Du Luder", sondern vielleicht " mein süßes Luder", dann klingt das schonmal ganz anders.
Letztendlich ...erlaubt ist, was gefällt!
Zu" Untermensch "und "Bimbo" würde ich sagen:
Diese Begriffe bitte von der Seite entfernen!
SirKushiel
Politisch problematisch sind heutzutage eigentlich nur die sexistisch motivierten Wortschöpfungen, die als Gendersprache bezeichnet werden (Gendersternchen, -doppelpunkte etc.), bzw. das rassistische Pendant dazu, das auch in Deutschland wieder Anklang findet (bspw. der Begriff PoC).
Ansonsten: es kommt immer auf den Kontext an und kein Wort an sich ist böse oder gut.
Argumentationen entlang historischer Vorbelastung sind immer relativ kurzsichtig und rückwärtsgewandt: wer den Begriff Neger tabuisiert oder verbieten will, weil vor 100 Jahren Menschen schwarzer Hautfarbe damit bezeichnet und gleichzeitig als minderwertig betrachtet wurden, läßt sich seine Sprache ja von Wertevorstellungen von vor 100 Jahren diktieren und oktroyiert anderen diese Sichtweise gleich mit auf.
Das problematischste an diesem ganzen Themenkomplex sind nicht einzelne Worte, sondern der Drang, Worte verbieten oder tabuisieren zu wollen und der Sprache somit einen Teil ihrer Stärke und Vielfalt zu nehmen.
Im Kontext eines BDSM-Rollenspiels sind je nach Neigung bestimmte Begriffe und Beleidigungen vermutlich nicht nur akzeptabel, sondern auch notwendig. Das klischeehafte "Nazi-Verhörspiel" macht Beteiligten sicher nur dann Spaß, wenn der böse Nazi auch als solcher rüberkommt. Persönlich ist das nicht mein Stil, aber jeder solle nach seiner Facon glücklich werden.
Der "Bimbo" ist auch ein ganz gutes Beispiel für diese Problematik: für mich ist damit eine Frau gemeint, deren weibliche Merkmale überbetont sind und deren intellektuellen Fähigkeiten noch viel Luft nach oben haben (böse Zungen würden meinen, bei einem Bimbo sei oben sehr viel Luft). Die Assoziation mit Schwarzen ist komplett veraltet und kommt mir überhaupt nicht in den Sinn.
Insofern solle jedem das volle Repertoire der Sprache zur Verfügung stehen; Kontext und Inhalt entscheiden am Ende, das Vokabular ist nur ein Werkzeug, nicht das Werk.
Tricia
Historisch gesehen würde ich den Begriff der Sklaverei im BDSM-Kontext ablehnen, denn anders als damals steht die Freiwilligkeit an oberster Stelle. Hinzu kommt, dass Sklaven nicht immer Schutz erhielten, Subs dies jedoch von ihrem Doms (in der Regel) schon. Eher würde das Verhältnis der mittelalterlichen Grundherrschaft im BDSM-Kontext passen: Schutz und Schirm gegen Gehorsam (und Abgaben).
@SirKushiel Bezüglich Ihrer Ausführungen zum „Neger“ würde ich widersprechen. Was damals falsch war, ist heute nicht automatisch richtig, nur weil das historische Bewusstsein nicht mehr vorhanden ist. Unbewusst bezeichnen wir nämlich so dunkelhäutige Menschen noch immer als minderwertig. Dass jedoch die Kolonialzeit nicht einfach nur ein Ereignis der Geschichte war, lässt sich an der noch immer aktuellen Diskussion um Entschädigungen Deutschlands an die Ovaherero und Nama sehen.
Gentiluomo
Ich bin sonst eher ein stiller Mitleser aber zu dem Thema äußre ich mich auch mal...Hatte gestern Abend das Thema mit meiner Sub da ich/wir die Begriffe "Untermensch" und "Bimbo" im BDSM Kontext nicht kannten. Finde auch das diese wenig mit BDSM zu tun haben da es für mich die Gleichwertigkeit zwischen DOM und Sub zerstört. Ja, wenn zwei Partner meine diese Wörter in ihrem BDSM nutzen zu wollen und beide damit fein sind, dann soll es so sein aber wie schon oben mehrfach auch erwähnt, finde ich es sehr abwertend und rassistisch. Würde ich so nicht benutzen wie auch die Abwertung der Sub auf eine dreilochstute, fickfotze etc... ich finde auch wenn ein Machtgefälle da ist, würde ich nie meine Sub soweit erniedrigen und demütigen das sie sich nur noch als Objekt/Stück Fleisch sich fühlt.
Egal wie man seinen Sub nennt und in welchem Zusammenhang man diese Wörter benutzt, finde ich das die Wörter "Untermensch" und "Bimbo" generell fehl am Platz sind.
Feanor
Ich denke, man sollte gerade im Kontext von BDSM dringend zwischen einem öffentlichem und einem privaten Gebrauch von Sprache unterscheiden. Selbstverständlich sind Begriffe wie "Sklaverei" im öffentlichen Sprachgebrauch politisch und historisch aufgeladen und lösen (mit der Zeit veränderte) Reaktionen aus. Das ist nichts neues, war schon immer so und ist schon immer Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen gewesen.
Im privaten Sprachgebrauch, vor allem in einer Beziehung, können Begriffe mit anderen Kontexten gefüllt werden, zum Beispiel mit geteilten Erinnerungen, Anspielungen usw. Jeder kennt frisch verliebte Pärchen, die sich etwas zuflüstern und dabei kichern. Gerade in einer BDSM-Beziehung können Begriffe wie "Sklavin" ja sehr positiv konnotiert sein. Dem Paar sollte aber bewusst sein, dass dieser Begriff nur privat oder gar intim diese positive Konnotation hat und öffentlich anders gefüllt ist.
Sollte in der Paarbeziehung ein Part nicht mit solchen Begriffen einverstanden sein, dann muss man das wie jedes Tabu respektieren. Punkt.
Insomnismihi
Im per se tabubrechenden Raum des bdsm sind natürlich auch Begriffe und Bezeichnungen ebenso Spielmittel wie die Rollen, wie Kinks und sämtliche Praktiken. Woher kommt sonst der Begriff pervers dafür auch? Wie überall im bdsm ist aber der entscheidende Unterschied der consent. Das setzt Kommunikation und Klarheit voraus für alle Beteiligten. Daher wie oben auch schon erwähnt, kann es kein Einverständnis geben, wenn ich im Erstkontakt direkt in der Rolle angesprochen werde, egal ob mit Bezeichnungen oder nicht. Das Einverständnis ist auch in einem Raum wie GD nicht vorausgesetzt. Andersrum muss es allen Spielenden ja selbst überlassen sein, mit welchen Tabubrüchen und an welchen Grenzen sie auch verbal spielen möchten. Nicht selten ist ja genau da auch eine spannungsvolle Schamgrenze, die durchaus Tiefen haben kann und kickt. Dass es aber auch zur Diskussion und Kommunikation gehört, diese Tabus und Grenzen als Grenzen wahrzunehmen, weil sie moralisch, ethisch, historisch problematisch sind, würde sicherlich helfen. Bewegt man sich nämlich immer oder länger in diesem Raum, wird es gefühlt immer "normaler", was aber einfach nicht ist und auch nicht wird. Letztlich ist das ja das Problem nach außen. Es ist und bleibt schwer verständlich zu machen für Außenstehende, um was es beim bdsm geht, egal ob Sprache oder Handlung. Es bleibt aber verständlicherweise problematisch, wenn nicht auch genau für dieses Spannungsfeld von Kinks und Wordings eine klare und offene Sensibilität und Fähigkeit zur Selbstkritik besteht.
MichelleFFM
Solange es noch dumme Menschen gibt, welche aus rassistischen Gründen Menschen mit dem Wort Neger beleidigen wollen, solange sollte man als Mensch mit etwas Hirn und Anstand dieses Wort nicht nutzen. Ist halt ähnlich wie auf einer Corona Demo neben Nazis zu marschieren, macht einen nicht zum Nazi wenn man neben ihnen läuft, zeigt aber eben auch, dass man kein echtes Problem mit Nazis hat, solange sie die eigenen Interessen vertreten. Dumm nur, wenn es zu viele werden und man dann mal in der Gruppe wäre, gegen die sie was haben.